Kampf um die Gunst der Stuttgarter CDU: mit Renner und Turner buhlen zwei unterschiedliche Persönlichkeiten um die Schuster-Nachfolge.

Stuttgart - Wer Sebastian Turner und Andreas Renner bei ihren öffentlichen Veranstaltungen vor dem CDU-Parteivolk erlebt, der käme kaum auf den Gedanken, dass es sich um handfeste Konkurrenten für das höchste Amt in der Landeshauptstadt handelt. Der 45-jährige parteilose Werbeprofi und der 52-jährige Kurzzeit-Sozialminister buhlen mit fairen Mitteln um die Gunst der Stuttgarter Kreispartei vor dem Wahlparteitag am 17. März – ihre jeweiligen Unterstützerlager sind dagegen weniger zimperlich.

 

Ein Samstagabend in der Alten Scheuer in Degerloch: die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union (JU) hat zum Neumitgliedertreff geladen, und beide Bewerber geben sich die Ehre. Bei den zwanglosen Plaudereien am Stehtisch sind Differenzen zwischen Turner und Renner allenfalls beim Biergeschmack auszumachen. Während der frühere JU-Landesvorsitzende Renner der Marke Wulle zuspricht, bevorzugt Turner das Konkurrenzprodukt aus der staatlichen Rothaus-Brauerei.

Stammtisch der Parteisenioren

Zwei Tage später treffen sie wieder aufeinander – diesmal beim Stammtisch der Parteisenioren. Bei Kaffee und Kuchen rattern sie in 15 Minuten ihren Lebenslauf und ihre politischen Schwerpunkte herunter. Das Publikum bekommt zu hören, was es hören will: Beide Bewerber machen sich stark für die Belange älterer Menschen – jeder auf seine Weise. Während der Ex-Sozialminister Renner verspricht, sich für mehr wohnortnahe Betreuungs- und Pflegeangebote starkzumachen, schöpft der Unternehmer Turner seine Ideen meist aus Alltagserlebnissen. Er habe, gibt er zu Protokoll, anlässlich des Besuchs bei einer 90-jährigen Dame, die in Stuttgarter Hanglage wohne, festgestellt, dass es zwar durchschnittlich alle 500 Längenmeter eine Stadtbahnhaltestelle gebe, die Höhendifferenzen aber bei der Streckenplanung nicht berücksichtigt worden seien. Dies müsse sich ändern, fordert der Kandidat. Mit Details wie der Förderfähigkeit und Finanzierung solcher Maßnahmen hält er sich nicht auf. Die Atmosphäre aber ist durchaus entspannt: Am Ende kommt gar Heiterkeit auf, als Renner beim Thema Sportpolitik bekennt, er sei Mitglied im Präsidium des Schwäbischen Turnerbundes und Turner prompt die Frage stellt: „Sind Sie da verzichtbar?“

Eine Art schwarz-lackierter Grüner

Mit härteren Bandagen wird dagegen hinter verschlossenen Türen gekämpft – so dem Vernehmen nach geschehen am vergangenen Montag bei der zweiten Regionalkonferenz im Stuttgarter Ratskeller. Dort musste sich Renner vom Wirtschaftsförderer der Region Stuttgart, Walter Roog, den Vorwurf gefallen lassen, er sei eine Art schwarz-lackierter Grüner. Auch der frühere Erste Bürgermeister der Landeshauptstadt, Rolf Thieringer, in der Partei ansonsten seit Jahren kaum noch in Erscheinung getreten, machte aus seiner Abneigung gegen Renner keinen Hehl. Er verspreche sich von dem Bewerber Turner, der stets betont, wie stolz er wäre, seiner Heimatstadt Stuttgart als OB zu dienen, frischen Wind „aus Berlin“.

Internet-Unterstützerliste

Beide Christdemokraten finden sich auch auf der Internet-Unterstützerliste der Initiative pro Turner, die mittlerweile rund 90 Namen umfasst – darunter Bademeister und Handwerker, aber auch Unternehmer wie Siegbert Lapp, die Vorsitzende der Stuttgarter Frauenunion Donata Kluxen-Pyta oder der ehemalige Chef der Staatlichen Toto-Lotto-GmbH Peter Wetter, der 1994 wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft abtreten musste. Aktuelle Mandatsträger sucht man dagegen – mit Ausnahme zweier CDU-Regionalräte – vergebens.

Unterdessen forschen die Turner-Sympathisanten auch nach dunklen Punkten in Renners Vergangenheit als OB von Singen. Der Grundstein für die aktuelle Finanzkrise am dortigen Klinikverbund Hegau-Bodensee-Hochrhein-Kliniken sei zu wesentlichen Teilen in seiner Amtszeit als Rathauschef zwischen 1993 und 2005 gelegt worden, so wird kolportiert. Andreas Renner verweist dagegen darauf, dass das Klinikum unter seiner Ägide als Aufsichtsratsvorsitzender schwarze Zahlen geschrieben habe. Seine innerparteilichen Gegner halten ihn gleichwohl für ein politisches Leichtgewicht. Einer aus Turners Entourage sagt: „Die Landeshauptstadt ist eine Nummer zu groß für ihn.“

Stirnrunzeln bei der CDU-Ratsfraktion

Umgekehrt feixt man im Renner-Lager über „recht eigenartige Visionen“ des im kommunalpolitischen Tagesgeschäfts unerfahrenen Werbeprofis Turner. Dessen Vorschlag etwa, für Migrantenkinder einen muttersprachlichen Unterricht anzubieten, damit sie dadurch ihre Leistungen in anderen Fächern ausgleichen könnten, rief bei den Bildungspolitikern in der CDU-Ratsfraktion Stirnrunzeln hervor: Turner wisse offenbar nicht, dass solche Reformen Sache des Kultusministeriums seien und keineswegs vom OB par ordre du mufti entschieden werden könnten. Ein Gespräch mit der zuständigen Bürgermeisterin Susanne Eisenmann, die bekanntlich Renner unterstützt, hätte da hilfreich sein können, vermerken Stadträte. Während Turner gern betont, er befinde sich im Austausch mit der Beigeordneten, will diese mit dem Kandidaten bisher nur ein paar belanglose Worte beim OB-Neujahrsempfang im Januar gewechselt haben. Und dass Turner gedenkt, viel beklagte langwierige Genehmigungsverfahren im Baurechtsamt durch einen Personalaustausch zu lösen, damit dort schneller und flexibler gearbeitet wird, dürfte beim städtischen Personalrat wenig Begeisterung finden.

Am Freitagabend fand im Vaihinger Ochsen die dritte interne Vorstellungsrunde statt, am Montag, 12. März, folgt ein weiteres nichtöffentliches Treffen im Schweinemuseum am Schlachthof. Wer sich selbst ein Bild von den Bewerbern machen will, kann dies heute um 14 Uhr bei der öffentlichen Veranstaltung der JU im Konferenzraum des Turmforums im Hauptbahnhof tun.