Am Wochenende wird Barack Obama zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt. In Washington rechnet man damit, dass er danach in der politischen Auseinandersetzung mehr Härte zeigt.

Washington - Zweite Amtszeiten können für US-Präsidenten gefährlich sein: Richard Nixon erlebte sein Watergate, Ronald Reagan die Iran-Contra-Affäre. Bill Clinton musste ein Amtsenthebungsverfahren überstehen. George W. Bush bekam die Folgen des Hurrikans Katrina nicht in den Griff und sah kurz vor seinem Ausscheiden hilflos zu, wie die Finanzkrise ihren Anfang nahm. Am Sonntag beginnt die zweite Amtszeit von Barack Obama. Und es mangelt nicht an Herausforderungen, die das Bild des ersten schwarzen US-Präsidenten in den Geschichtsbüchern negativ beeinflussen könnten.

 

Das innenpolitische Programm Obamas für die kommenden vier Jahre ist umfangreich: Er will, wie er erst in der vergangenen Woche ankündigte, die „Epidemie der Waffengewalt“ in den USA eindämmen. Das Blutbad von Newtown, bei dem 20 Schulkinder im Alter von sechs und sieben Jahren getötet wurden, hat den Präsidenten sichtlich geschockt. Obama will ein neues Einwanderungsrecht vorlegen, das den rund elf Millionen illegalen Migranten in den Vereinigten Staaten eine Perspektive gibt. Und Obama muss schon in den nächsten Wochen eine kurzfristige Lösung für die US-Finanzprobleme finden und die bereits überschrittene Schuldenobergrenze des Staates von mehr als 16 Billionen US-Dollar anheben.

Das Verhältnis zu China muss neu justiert werden

Auch die außenpolitischen Herausforderungen sind immens. Das Verhältnis zu China, dem größten Gläubiger der USA, muss fortlaufend aufs neue justiert werden. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm ist weiter ungelöst, eine Haltung der US-Regierung zu den Umstürzen in der arabisch-muslimischen Welt nicht gefunden. Hunderttausende von Amerikanern werden am Montag zur Amtseinführung Obamas vor dem Kapitol in der US-Hauptstadt erwartet. Sie werden einen veränderten Präsidenten erleben. Die Sanftheit, die Obama in den vergangenen vier Jahren im öffentlichen Streit in Washington an den Tag gelegt hat, ist seit seiner Wiederwahl Anfang November nahezu vollständig aus der Sprache des Präsidenten verschwunden. Obama ist risikobereiter geworden – und härter.

Der Präsident sehe seinen Wahlsieg gegen den Republikaner Mitt Romney als ein Mandat der Wählerinnen und Wähler, in der zweiten Amtszeit jene Pläne anzugehen, die er in der ersten Amtszeit fallen ließ, wenn es Widerstand gab, sagte der US-Politologe Martin Sweet in der Zeitschrift „The Hill“. Die angekündigte, aber bislang nicht vollzogene Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba gehört in diese Reihe ebenso wie der bislang wenig engagierte Einsatz Barack Obamas für mehr Klimaschutz.

Der neue Verteidigungsminister provoziert

Belege dafür, dass er künftig weniger kompromissbereit sein wird, hat Obama in den vergangenen Wochen selbst geliefert. Er kündigte bereits an, er werde keinesfalls mit den Republikanern über die Anhebung des Kreditlimits verhandeln. Stattdessen erinnerte er die konservativen Abgeordneten an ihre Verpflichtung, Schaden von den Bürgern abzuwenden. Geradezu provokativ dürfte auf viele Republikaner die Nominierung ihres Parteifreundes Chuck Hagel als neuer Verteidigungsminister wirken. Hagel hat sich in der Vergangenheit wegen seiner andauernden Kritik am Kriegskurs von George W. Bush viele Feinde in konservativen Kreisen gemacht.

Demokraten und Republikaner stehen sich in Washington unversöhnlich gegenüber. An den Mehrheitsverhältnissen, die den Republikanern bis zu den nächsten Kongresswahlen eine Blockade-Mehrheit im Repräsentantenhaus geben, wird sich bis Ende 2014 nichts ändern. Das gibt Obama die Gelegenheit, sein neues Selbstbewusstsein in Politik umzusetzen.

Obama selbst schweigt vorerst

Obama-Vertraute haben bereits erkennen lassen, dass Einiges zu erwarten ist. Der Präsident werde deutlich bestimmter auftreten als in den vergangenen Jahren, sagte jetzt Nancy-Ann Deparle, die am Freitag nach vier Jahren ihren Posten als stellvertretende Stabschefin im Weißen Haus aufgab. Obama werde versuchen, die Wähler einzubinden und dadurch den Druck auf die Republikaner erhöhen.

Obama selbst ließ sich noch nicht zu dem neuen Kurs vernehmen. Vor einigen Tagen sagte er im Weißen Haus lediglich, dass er „ein ziemlich freundlicher Typ“ sei. Obama weiß natürlich um den Fluch der zweiten Amtszeit, der viele seiner Vorgänger einholte.