Im Stuttgarter Theaterhaus zeigt der Fotograf Udo Eberl von Sonntag an in der Ausstellung „Under the Bridge“ eine beeindruckende Dokumentation vom Leben auf der Straße.

Stuttgart - Udo Eberl weiß wirklich nicht, ob er dieses Foto aufhängen soll. Während des Projektes habe er gelernt, noch sensibler und respektvoller zu sein, erklärt er sein Zögern und betrachtet dabei sein Bild von dem Obdachlosen, der das Leben auf der Straße nicht überlebte. „Under the Bridge“ heißt die Ausstellung des Fotografen, die an diesem Sonntag um 11 Uhr in Stuttgart eröffnet wird. Eberls Schau hat beim Donaufestival 2016 große Erfolge gefeiert, nun kann sie bis zum 11. Juni im Theaterhaus besichtigt werden.

 

Die Geschichte des Projekts hat einen persönlichen Bezug. „Der landet doch bestimmt mal unter der Brücke“, sagten seine Verwandten über den damals 20-jährigen Udo, als er selbst den Halt verlor. Aus einer üblen Nachrede wurde ein künstlerisches Projekt. Eberl reiste an der Donau entlang, durch Passau, Linz, Wien, Bratislava, Budapest und Belgrad. Dabei begegnete er Obdachlosen, die er in ihren improvisierten Unterkünften und in ihrem Alltag fotografierte. Das Ergebnis ist eine sehr persönliche, berührende, feinsinnige Folge von 50 Bildern mit Momentaufnahmen vom Leben auf der Straße.

Triste und humorvolle Darstellung wechseln sich ab

Ein wiederkehrendes Muster in Eberls Darstellung ist der Kontrast. Dicht aneinander gereiht, wechseln die Bilder zwischen tristen, aber auch humorvollen Darstellungen des Straßenlebens: Zeugnisse von heruntergekommenen Garagen in Bratislava hängen neben Fotos, auf denen sich die Menschen lachend in den Armen liegen. „Ich bin ein Kreativer, kein Techniker“, erklärt der ehemalige Journalist seine Form der Berichterstattung. Seine Bilder hat er kaum bearbeitet, alles soll so bleiben, wie er es gesehen hat. Diese Konfrontation mit einem alltäglichen, gleichzeitig aber sehr fremden Thema birgt auch eine Gefahr: Normalerweise schauen die Menschen bei Obdachlosen weg. Bei dieser Ausstellung sollen sie aber genau hinsehen.

Dabei stand das Wort am Anfang jedes Fotos. Mehrmals besuchte der Fotograf die Obdachlosen und ließ sich ihre Geschichte erzählen, bevor er zur Kamera griff. Der Kontakt entstand über Hilfsorganisationen. „Ich hatte am Anfang ganz schön Muffe vor den Begegnungen“, erinnert sich Eberl. Seine Erfahrungen hat er für die Ausstellungseröffnung in lyrischen Texten ausformuliert. Sein Mittel zum Ausdruck ist auch hier eine bildliche Sprache.

Udo Eberls Dokumentation ist nicht der Bericht eines Außenstehenden, sondern zeugt davon, dass er dabei war, mittendrin. Die Dauer und Intensität, die er mit den Porträtierten verbrachte, wird in ihren Blicken erkenntlich, die das Vertrauen zum Fotografen widerspiegeln. Ihre Gesichter sind vom Leben gezeichnet. Auch Udo Eberl hat diese Zeit mitgenommen: „Eigentlich bin ich ein logisch und klar denkender Mensch, aber dieses Projekt hat mich verändert.“ Eine sozialpolitische Kritik soll die Ausstellung aber nicht sein. Viel eher will sie den Blick für diese Menschen öffnen, will es Betrachtern ermöglichen, einen ersten Schritt auf Obdachlose zuzugehen – und dann „vielleicht doch mal fünfzig Cent in den Becher zu schmeißen.“