Seit fünf Jahren ist der Oberboihinger Bahnhof seines eigentlichen Zweckes beraubt. Jetzt will ihm die Gemeinde als Bürgerbahnhof neues Leben einhauchen.

Oberboihingen - Im rückwärtigen Schuppen des denkmalgeschützten Bahnhofs von Oberboihingen lächelt Uwe Schlaumeier von einem verstaubten Bahn-Plakat. Die Werbefigur freut sich plakativ über einen „Superspar-Preis der Bahn, mit 120 DM durchs ganze Land“. Lang ist es her. Einen Uwe Schlaumeier könnten die Oberboihinger gerade wieder gut gebrauchen. Weil 120 Deutsche Mark nicht reichen werden, um dem alten Bahnhof neues Leben einzuhauchen. Und weil, selbst wenn das geschichtsträchtige Gebäude eines nicht allzu fernen Tages in neuem Glanz erstrahlt, noch nicht geklärt ist, wer für die Folgekosten des Betriebs und des Unterhalts aufkommt.

 

„Wir müssen wissen, auf was wir uns einlassen“, sagt Torsten Hooge, der Bürgermeister der knapp 5500 Einwohner zählenden Neckartalgemeinde. Er hat zum Ortstermin in dem Backstein-Fachwerkgebäude einen dicken Aktenordner mit Plänen des Wendlinger Architekturbüros Wild-Architekten mitgebracht. Die Sanierungsexperten, die auch schon den Wendlinger Bahnhof auf Vordermann gebracht haben, schlagen vor, im ehemaligen Wartesaal des mehr als 150 Jahre alten Bahnhöfles ein Bürgercafé einzurichten.

Im Kulturschuppen kann gefeiert werden

In dem nach hinten anschließenden Gebäudeteil, in dem früher die Postsachen gelagert und auf den Weg gebracht worden waren, sehen die Pläne der Architekten einen Kulturschuppen vor. Bei Bedarf bewirtschaftet von der heimischen Gastronomie, könnten dort Hochzeiten gefeiert, Geburtstage begossen, Vereinsversammlungen abgehalten oder Kulturveranstaltungen durchgeführt werden.

„Der Gemeinderat und die Verwaltung stehen noch am Anfang der Diskussion“, sagt Hooge. Das Problem sei, dass der Denkmalschutz einen sehr engen Rahmen vorgebe. „Wir können nicht überlegen, was wir wollen und dann die Örtlichkeit anpassen. Wir müssen uns umgekehrt mit unseren Vorstellungen daran messen lassen, was der Denkmalschutz überhaupt ermöglicht“, fasst der Schultes das Dilemma zusammen.

Immerhin wissen die Oberboihinger inzwischen, wie viel Geld sie in die Hand nehmen müssen, um den Bahnhof in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Rund 430 000 Euro, so haben die Architekten ausgerechnet, müssten ausreichen, um die Gebäudehülle wieder zukunftsfest und das Gebäudeinnere nutzbar zu machen. Anders als in Wendlingen, wo der ehemalige Bahnhof von Investoren saniert worden ist, wollen die Oberboihinger das Sagen im Haus, in ihrem „Bürgerbahnhof“ (Hooge) behalten. Vor zwei Jahren hat die Gemeinde das damals schon baufällige Gebäude der Bahn abgekauft, zu einem akzeptablen Preis, wie der Bürgermeister sagt.

Letzte handkurbelbetriebene Schranke weit und breit

„Der Bahnhof ist ein hochemotionaler Ort für die Gemeinde. Es gibt kaum jemanden, der damit nicht Erinnerungen verbindet“, sagt Hooge. Das Band der Erinnerung reicht weit über die Gemeinde hinaus. Der Bahnhof in Oberboihingen war der letzte in Baden-Württemberg, wenn nicht sogar in Deutschland, an dem ein Schrankenwärter seinen Dienst verrichtete. Dessen Aufgabe war es, die Schranken per Handkurbel zu senken, wenn sich auf der viel befahrenen Strecke zwischen Stuttgart und Tübingen ein Zug ankündigte. Erst im Jahr 2012 ist der Fahrkartenschalter geschlossen und die Handkurbel stillgelegt worden.

Für die Gemeinde war das der Startschuss in ein neues Zeitalter.  Mit der Schließung des Bahnübergangs ist die Durchgangsstraße aus der Ortsmitte hinaus über die Gleise ins Industriegebiet gelegt worden. Bei einer Ortskernsanierung ist die verkehrsberuhigte Bahnhofsstraße aufgewertet worden. Um die Bahnhofssanierung finanziell abzufedern, hat die Gemeinde nun eine Verlängerung des Sanierungszeitraums beantragt. „Im Jahr 2019 müssen wir fertig sein“, gibt Hooge den zeitlichen Rahmen vor. Dann schließt sich der Kreis. Am Bahnhof hat, mit der Schließung des Übergangs, die Aufwertung des Ortskerns begonnen und hier wird, mit der Einweihung des Bürgerbahnhofes, auch der Schlusspunkt gesetzt.