Die heimischen Obstbauern und Weingärtner rechnen mit erheblichen Verlusten durch den Kälteeinbruch in dieser Woche. Das Ausmaß der Auswirkungen wird sich aber wohl erst in den nächsten Tagen zeigen.

Rems-Murr-Kreis - Es ist die ungute Wetterlaunen-Kombination der vergangenen Tage und Wochen, die den Weingärtnern und Obstbauern im Rems-Murr-Kreis zurzeit tiefe Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Dass es im April noch mal Nachtfrost geben kann, ist ganz normal, sagt Ursula Coppola, die Obstbauberaterin im Waiblinger Landratsamt. Fatal sei heuer indes gewesen, dass die Natur bereits so fortgeschritten in voller Blüte gestanden habe. „Der März hat uns verschaukelt, da war es viel zu warm“, berichtet Coppola aus Pflanzensicht. Die Natur habe plötzlich beim Wachstumsrennen zehn Tage Vorsprung gehabt. „Es hat fast alles gleichzeitig geblüht“, sagt Coppola. Hinzu kam die Trockenheit. Der Boden habe kaum Wärme abgeben können, als dann der heftige Frost einsetzte.

 

Parafinkerzen als heizung für die Reben

In einigen Weinbergen im Remstal haben die Wengerter in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, dem bisher kältesten Tag dieses Frühjahrs, Kerzen angezündet. Weniger als Symbole der Hoffnung denn zur konkreten Kälteabwehr: Parafinkerzen, die etwa bei Ellwangers in Winterbach zu Hunderten entflammt wurden, sollten dafür sorgen, dass die Reben ein wenig warm gehalten wurden, als das Thermometer immer weiter nach unten sank. Von einem Hubschraubereinsatz wie in der Region Heilbronn-Franken, wo die Rotoren der kalten Luft etwas wärmere Winde zufächeln sollten, hat man im Remstal hingegen abgesehen.

Eines ist klar: Väterchen Frosts Revival hat Spuren in den Weinbergen hinterlassen. Viele Triebe hängen welk an den Reben, was sich bereits grün gefärbt hatte, ist braun geworden. „Die Schäden sind groß, wie groß wissen wir erst nächste Woche“, sagt Joachim Hess vom Vorstand der Fellbacher Weingärtner. Man werde abwarten müssen, wie viele Triebe abfallen und ob aus den sogenannten Beiaugen neue wachsen. Relativ sicher sei indes, dass die Trauben weniger und kleiner ausfallen würden.

Auch im Obstbereich werden erst die nächsten Wochen zeigen, wie gravierend sich die Frostnacht tatsächlich auswirkt. Ursula Coppola will am Montag zwar einige Stichproben machen und schauen, in wie vielen Knospen sich Stempel und Co. schwarz gefärbt haben, aber das tatsächliche Ausmaß werde man erst erkennen können, wenn sich die ersten Früchte bilden, sagt sie.

Apfelfrühsorten wohl hinüber

Vor allem die Apfelfrühsorten, deren Bäume bereits in der Vollblüte standen, wird man indes zu großen Teilen abschreiben müssen. Auch in Sachen Birnen sehe es schlecht aus. Bei Steinobst wie Kirschen und Zwetschgen rechnet die Fachfrau mit Ernteausfällen um die 50 Prozent, beim Beerenobst, Erdbeeren oder Johannisbeeren, gar mit 60 Prozent.

Besonders hart habe es auch die Walnuss erwischt. Die sei gerade im Austrieb gewesen, rund 80 Prozent könnte hinüber sein. Exoten wie Kiwis, die bereits fünf bis zehn Zentimeter große Triebe gebildet hatten, könnten fruchttechnisch für dieses Jahr ein Komplettausfall sein.

Das alles freilich sei „worst case“, sagt die Expertin, sie gehe erst einmal vom schlimmsten Fall aus und lasse sich gerne von einer anderen Entwicklung überraschen. Diese sei vor allem im „Profi-Bereich“ noch nicht absehbar, denn zum einen gebe es lokale Unterschiede, zum anderen hätten einige Erwerbsobstbauern Vorkehrungen getroffen. So seien beispielsweise ganze Plantagen mit Hagelnetzen eingepackt worden, viele Erdbeerpflänzchen wurden unter wärmendes Vlies gepackt. Zudem seien vielfach auch ohne konkrete Frostvorahnung langfristige Maßnahmen zur Stärkung der Pflanzen ergriffen worden.

Nebelkerzen haben nichts genutzt

Manfred Hess vom Sonnenbühlhof im Fellbacher Lindle hat es in der Frostnacht gar mit Nebelkerzen versucht, die er zwischen seinen Aprikosen, Pfirsichen oder Tafeltrauben zündete. Viel genutzt habe die Maßnahme bei Minus fünf Grad aber wohl nicht. „Es sieht gar nicht gut aus“, sagt Hess und befürchtet, dass er die Hälfte des Ertrags abschreiben muss.

„Wir werden abwarten müssen“, sagt Ursula Coppola noch einmal. Nachträglich entscheidend beeinflussen könne man das Gedeihen der Pflanzen nicht. Dennoch ist sie optimistisch: „Die Natur hat sich bisher irgendwie immer selbst geholfen. Sie wird’s auch diesmal richten.“