Die Wirtschaftslage ist gut, und viele junge Leute sind hierzulande in Ausbildung. Trotzdem bleibt jeder zehnte Jugendliche auf der Strecke, zeigt eine OECD-Studie. Dazu kommt: Der Anteil an Geringqualifizierten stagniert seit Jahren.

Berlin - Ein hoher Schulabschluss oder eine Berufsausbildung bringt in Deutschland gute Chancen auf einen gut dotierten Job. Die Wirtschaftslage ist gut, und der Übergang von der Ausbildung in den Beruf funktioniert wie in kaum einem anderen Industrieland. Trotzdem bleibt jeder zehnte Jugendliche hierzulande auf der Strecke: Der Anteil derjenigen, die weder Abitur noch eine abgeschlossene Ausbildung haben, stagniert seit Jahren.

 

Denn: 13 Prozent der jungen Menschen zwischen 25 und 34 Jahren haben heute keine Grundqualifikation, zeigt eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bei den heute 55- bis 64-Jährigen sind es mit 14 Prozent nahezu gleich viele Menschen. Dabei sei das „kein unlösbares Problem“, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher bei der Vorstellung des Bildungsberichts in Berlin – und verwies auf Österreich, die Schweiz oder Korea. In diesen Ländern konnte der Anteil von gering Qualifizierten in den vergangenen 30 Jahren jeweils um mindestens die Hälfte verringert werden.

Entscheidend für Bildungsabschluss sei nach wie vor soziale Herkunft

Die OECD bezieht sich in ihrem Bericht allerdings nicht auf Schulabgänger generell: Der Anteil derer selbst ohne Hauptschulabschluss habe sich laut Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) in den vergangenen Jahren immerhin um ein Drittel verringert, auf nun 5,8 Prozent. Auch Marlies Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte allerdings, dass in Deutschland nach wie vor zu viele junge Menschen die Schule ohne einen Abschluss verließen. Bildungserfolg und soziale Herkunft würden in Deutschland so eng zusammenhängen wie in kaum einem anderen Staat. „Bildung wird weiterhin vererbt“, sagte Tepe – und forderte mehr personelle und materielle Ressourcen für die Schulen.

Entscheidend sei bei Abbrechern und Geringqualifizierten der soziale Hintergrund, sagte auch OECD-Experte Schleicher. Nur in sechs anderen Ländern haben Kinder von Eltern mit schlechter Bildung noch weniger Chancen, selbst einen Uniabschluss zu schaffen. Gerade bei Migranten gelänge der Bildungsaufstieg in Deutschland nur schwer. „In Ländern wie Österreich oder der Schweiz werden Kinder aus bildungsfernen Schichten vor allem in den ersten Jahren verstärkt gefördert“, sagte Schleicher – ein Grund dafür, dass hier der Anteil an Geringqualifizierten in den vergangenen Jahren sank.

In kaum einen Land sind so viele junge Leute in Ausbildung oder Arbeit

Dabei sind die Chancen für junge Menschen in Deutschland vergleichsweise gut, zeigt der Bericht „Bildung auf einen Blick“: In kaum einem anderen Land sind so viele junge Leute in Ausbildung oder erwerbstätig. Bei den 15- bis 29-Jährigen gehen lediglich 8,6 Prozent weder zur Schule, noch sind sie in Ausbildung oder in Arbeit – nur Island, Holland, die Schweiz und Luxemburg schneiden besser ab. OECD-Durchschnitt sind 14,6 Prozent. Das läge zum Teil an der wirtschaftlichen Lage, aber auch an der beruflichen Bildung, „die international als vorbildlich gilt“, wie Schleicher sagte. „Dem dualen System ist es auch zu verdanken, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung über einen mittleren Bildungsabschluss verfügt.“ Insbesondere der „reibungslose Übergang“ von der Ausbildung in den Beruf sei eine Stärke des hiesigen Bildungssystems, sagte Schleicher.

Zudem geht der Trend zu höheren beruflichen oder akademischen Abschlüssen weiter: Der Anteil von jungen Erwachsenen mit einem solchen Abschluss stieg in Deutschland zwischen 2005 und 2015 von 22 auf 30 Prozent an. Der Bericht zeige, dass sich gute Ausbildung lohne, sagte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Wer einen hohen Bildungsabschluss oder eine Ausbildung hat, so die Studie, hat nicht nur Einkommensvorteile, sondern auch ein im internationalen Vergleich sehr niedriges Risiko, arbeitslos zu werden.

Deutschland investiert im Vergleich weniger in Bildung als andere OECD-Länder

Der OECD-Vergleich zeige auch, dass Deutschland gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt weniger Geld in das Bildungssystem investiere als andere Staaten, kritisierte Schleicher: 4,2 Prozent des BIP fließen hierzulande in die Bildung, im OECD-Durchschnitt sind es 4,8 Prozent. Der Anteil sei in den vergangenen Jahren sogar gesunken, weil die Wirtschaft stärker wuchs als die Bildungsausgaben.

Während Deutschland zwar inzwischen mehr in Lehre und Ausbildung investiert, liegen die Ausgaben im frühkindlichen Bereich niedrig. „Während die meisten Staaten von den gut verdienenden Bildungsgewinnern erwarten, dass sie sich an den Kosten ihres Studiums beteiligen, bittet man in Deutschland die Jüngsten zur Kasse“, so Schleicher im Hinblick auf die privaten Kosten, die etwa für Kindertagesstätten anfallen. Gerade hier könne man Nachteile eines bildungsfernen Elternhauses ausgleichen. Im frühkindlichen Bereich, sagte Wanka, habe sich in den vergangenen Jahren aber viel getan: 94 Prozent aller Dreijährigen gehen in eine Kita oder in den Kindergarten, im OECD-Durchschnitt sind es nur 71 Prozent.