Am Rosenmontag beginnen die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder. Die Gewerkschaften fordern 5,5 Prozent. Die Staatsdiener sollen an „wie verrückt sprudelnden“ Steuereinnahmen teilhaben, fordert Beamtenbund-Vize Willi Russ.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart – - Am Rosenmontag beginnt die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder. Beamtenbund-Vize Willi Russ verhandelt gemeinsam mit Verdi-Chef Frank Bsirske. Durchsetzen wollen sie eine Forderung von 5,5 Prozent.

 
Herr Russ, der Marburger Bund hat gerade in einer völlig geräuschlosen Tarifrunde mit den Kommunen 4,1 Prozent mehr Gehalt erreicht für 21 Monate. Könnte dies in Form und Inhalt die Richtung für Sie vorgeben?
Wir orientieren uns sehr stark an unserem guten Abschluss mit Bund und Kommunen im Vorjahr. Diese 5,4 Prozent sind unser Leuchtturm. Unsere Mitglieder bei den Ländern stellen fest, dass sie jetzt zum 1. März einen Nachholbedarf in den Entgelten von im Schnitt 3,9 Prozent gegenüber den Arbeitnehmern in Bund und Kommunen haben. Eine geräuschlose Tarifrunde kann ich in keinster Weise versprechen.
Die geforderte Mindestanhebung von 175 Euro zielt eher auf die Verdi-Klientel?
Wir haben auch in unseren Bereichen Kollegen, die davon sehr stark tangiert sind – wenn ich an die große Truppe der Straßenwärter denke, für die 175 Euro eine erhebliche Verbesserung wären. Auch für die Arbeitnehmer in Kliniken, bei der Steuerverwaltung und der Polizei ist diese soziale Komponente hochattraktiv.
Den Ländern bringt eine Mindestanhebung hohe Ausgaben. In den unteren Einkommensgruppen würden die Löhne dadurch sogar um bis zu elf Prozent wachsen?
Das kann die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) fast aus der Portokasse bezahlen. Eine starke soziale Komponente ist für die Länder viel eher schulterbar als für die Kommunen. Und da haben wir im Vorjahr einen Mindestbetrag von 90 Euro durchgesetzt. Der ist nun Benchmark.
Die Inflationsrate beträgt gerade minus 0,4 Prozent – sie dürfte, wenn es um Reallohnsteigerungen geht, ein Faktor sein?
Ich kann die Inflation nicht wegdiskutieren. Aber wir schauen auch darauf, dass der öffentliche Dienst weiterhin attraktiv ist für den Nachwuchs – und auf die Steuereinnahmen, die wie verrückt sprudeln. Daran wollen wir partizipieren. Das heißt, es muss einen Schluck aus der Pulle geben.
Hängt die Schuldenbremse nicht wieder wie ein Damoklesschwert über der Tarifrunde?
Das Argument ist inzwischen ein wenig abgewetzt. Die Schuldenbremse gilt nicht nur für Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, weil es eine gesamtwirtschaftliche Verantwortung aller Bürger gibt. Da kann nicht in erster Hinsicht der öffentliche Dienst zur Kasse gebeten werden.