Die Gewerkschaften lassen in der kommenden Woche eine Warnstreikwelle durch die Republik rollen. Besonders betroffen ist die Region Stuttgart.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Um die Tarifauseinandersetzung mit dem Bund und den Kommunen zu beschleunigen, betreiben die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine frühere Zuspitzung als in der Vergangenheit. Von Anfang der kommenden Woche an – also schon kurz nach der ersten Verhandlungsrunde – wird die Republik mit ganztägigen Warnstreiks überzogen. Auch in vielen Städten Baden-Württembergs wird es zu Behinderungen kommen.

 

Die Region Stuttgart ist vor allem am Mittwoch davon betroffen. Nach Einschätzung von Verdi-Bezirksgeschäftsführer Bernd Riexinger werden sich 5000 bis 7000 Streikende an den Aktionen beteiligen. Aufgerufen sind alle Bereiche des öffentlichen Dienstes: die kommunalen Kliniken wie die Kindertagesstätten, die Müllabfuhr wie die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sowie Angestellte der Verwaltung, der Stadtwerke und des Flughafens. „Wir sind nicht streikgeil“, sagte die Verdi-Landeschefin Leni Breymaier. „Aber wir wollen zügig fertig werden.“ Man werde „nicht lange zappeln“, sondern zeigen, „wofür der öffentliche Dienst steht und wer in diesem Land wirklich dafür sorgt, dass der Laden läuft“. Die Stimmung sei zu diesem frühen Zeitpunkt schon „richtig gut“. Nun würden die Beschäftigten ein erstes Zeichen setzen, dass sie sich die ablehnende Behandlung durch die Arbeitgeber nicht bieten ließen.

Die Arbeitgeber geben nichts

Die Vertreter von Bund und Kommunen hatten am Donnerstag in Potsdam noch kein Angebot präsentiert. „Mehr als zwei Stunden lang haben sie uns erklärt, warum es aus ihrer Sicht nichts gibt“, schilderte die Landesvorsitzende. Die Arbeitgeber gestehen den rund zwei Millionen Beschäftigten zwar, wie sie betonen, eine „angemessene Entgelterhöhung“ zu, wollen aber die gleiche prozentuale Erhöhung für alle Beschäftigten zahlen. Nun fordern Verdi und die Tarifunion im Beamtenbund neben den 6,5 Prozent jedoch eine Mindesterhöhung von 200 Euro – und diese ist den kommunalen Verhandlungsführern ein Dorn im Auge.

Der Sockelbetrag käme insbesondere im Erziehungs- und Pflegebereich zum Tragen, wo Verdi eine günstige Mitgliederstruktur – und sogenannte Streiktruppen – hat. Vor allem Frauen würden davon profitieren. Ihnen brächten die 200 Euro eine noch höhere Lohnsteigerung als 6,5 Prozent. Breymaier zufolge soll der Verteilungsspielraum dazu genutzt werden, „um denen zu helfen, die am wenigsten haben“. Der Mindestbetrag sei nicht verhandelbar. Allerdings treibt er auch die Lohnforderung auf deutlich mehr als sieben Prozent. Im Versorgungsbereich zum Beispiel verzichtet Verdi auf die 200 Euro, strebt aber einen Aufschlag von 7,9 Prozent an.

„Jetzt ist der öffentliche Dienst mal dran“

Ziel ist eine deutliche Reallohnsteigerung. Riexinger argumentierte mit Blick auf die Rekordboni für die Beschäftigten von Audi, Daimler und Porsche, dass in der Krise Milliarden Euro an Staatsgeldern für das Kurzarbeitergeld und die Abwrackprämie ausgegeben worden seien, um der Autoindustrie zu helfen. Er gönne den Kollegen die hohen Boni, doch sei es auch an der Zeit dem öffentlichen Dienst etwas zurückzuzahlen.

Dass es bei der ersten Warnstreikwelle nicht bleiben soll, kann nicht überraschen. Offen wird darüber nicht geredet. „Fährlässig“ nennt es aber ein Gewerkschafter, würde man die Planungen nicht vorantreiben. Da man sich erfahrungsgemäß von der zweiten Verhandlungsrunde am 12. und 13. März keinen Durchbruch, allenfalls ein erstes Angebot der Arbeitgeber verspricht, gehen die Blicke voraus. Demzufolge wird ein weiterer großer Warnstreiktag kurz vor dem dritten Verhandlungstermin am 28./29. März vorbereitet.

Gibt es Ende März noch keine Einigung, folgt über Ostern eine Schlichtung. Stimmberechtigter Schlichter wäre der frühere Bürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg. Ihm zur Seite stünde erneut Ex-Ministerpräsident Lothar Späth. Bleiben auch sie erfolglos, stünde Ende April/Anfang Mai der Arbeitskampf an.