Beschäftigte des Verkehrsbetriebs Württemberg von DB Regio demonstrieren am 2. September für einen fairen Wettbewerb bei der Neuvergabe im Nahverkehr. In der Kritik steht dabei Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Stuttgart - Die Mitarbeiter des zur DB Regio gehörenden Verkehrsbetriebs (VB) Baden-Württemberg tragen am Dienstag symbolisch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen im Hauptbahnhof zu Grabe. Um 14 Uhr soll die vom Betriebsrat der 750 Beschäftigten organisierte „Trauerzeremonie“ am Gleis 1 beginnen. Adressat der Aktion, die sich gegen den drohenden Verlust heimatnaher Arbeitsplätze als Zugbegleiter oder Arbeiter im Wartungsbahnhof sowie den Abbau von Sozialstandards wendet, ist Winfried Hermann. Der grüne Landesverkehrsminister bereitet die Ausschreibung von Verkehrsleistungen im schienengebundenen Nahverkehr (SPNV) im Stuttgarter Netz vor. Einen Konkurrenten bekommt DB Regio auf jeden Fall, da sie mindestens einen Bereich des nun in drei Tranchen unterteilten Netzes abgeben muss. Hermann betont: „Für die Landesregierung ist wichtig, dass der Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.“

 

Erstmals werden also im Stuttgarter Netz private Anbieter zum Zug kommen. Seitens des Landes erhofft man sich, dass sie billiger fahren als die DB Regio. Kritiker monieren, der bis 2016 laufende Große Verkehrsvertrag, der laut dem Minister von der Vorgängerregierung gewährte versteckte Subventionen für S 21 enthält, komme den Steuerzahler nicht nur teuer zu stehen; er ermögliche es der Bahn auch, mit uralten Zügen zu fahren. Das bekämen die Fahrgäste, aber auch die Wartungsteams zu spüren: Um für die alten Waggons an Ersatzteile zu kommen, müssten Schrottfahrzeuge ausgebeint werden.

Betriebsratsvorsitzender sieht DB Regio im Nachteil

Der VB-Betriebsratsvorsitzende Guido Pontone fordert, der Wettbewerb dürfe nicht über Lohn- und Sozialdumping erfolgen. Bei der Ausschreibung müssten alle Bieter dieselben Voraussetzungen haben. Träfe das nicht zu, wäre die DB Regio mit ihrem hohen Sozialstandard im Nachteil, da Private oft weniger Lohn für schlecht ausgebildetes Personal bezahlten. Minister Hermann müsse „eine generelle Übernahmegarantie der VB-Belegschaft bei einem Betreiberwechsel unter Beibehaltung der aktuellen Sozialstandards“ vorschreiben. Sonst drohten ältere Beschäftigte auf der Strecke zu bleiben. Diese Option böten die Gesetze. Für Karl-Heinz Zimmermann von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sieht es aber eher so aus, „dass der Wettbewerb allein auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden soll“.

Nicht etwa innovative Betriebskonzepte, Serviceleistungen oder ein guter Fuhrpark seien Entscheidungskriterien für die Vergabe, sondern allein der Bruttopreis. Das ärgert ihn, habe es doch in anderen Bundesländern Ausschreibungen gegeben, in denen Schutzvorschriften akzeptiert worden seien – und dennoch private Unternehmen den Zuschlag erhalten hätten.

Der Verkehrsminister ist verwundert

Der Verkehrsminister wundert sich über die Kritik; die Gewerkschaften hätten sich bisher nicht beschwert. Er erweist auf das Tariftreuegesetz, das freilich durch Verträge der Betreiber mit Subunternehmern ausgehebelt werden kann. Das Gesetz sichere zwar nicht unternehmensinterne zusätzliche Vergünstigungen, schließe aber Sozialdumping aus. Da in der Branche Arbeitskräftemangel herrsche, lägen alle Tarifverträge nahe beieinander. Es sei nicht im Sinne der Tarifautonomie, als Land den Unternehmen Einzelheiten vorzuschreiben. Die Privaten legten eben Wert darauf, ihre Beschäftigten selbst auszuwählen. Weil Personal gesucht würde, erscheine das Instrument, eine Übernahme der Belegschaft vorzuschreiben, nicht notwendig. Es stehe den Gewerkschaften aber frei, Betreiberwechsel-Tarifverträge abzuschließen.

Der Minister sagt, er werde ein Konzept einfordern, das die Gewinnung sowie Aus- und Weiterbildung des Personal sicherstelle. Von festen Ausbildungsquoten im Instandhaltungsbereich sehe er hingegen ab, da Bewerber an eine Fremdvergabe dieser Leistungen denken könnten. Es werde aber eine Ausbildungsquote im Triebfahrzeugführerbereich vorgeben. Der Betriebsrat warnt vor dem Verzicht auf feste Quoten – was nicht gefordert sei, werde von den Bewerbern auch nicht kalkuliert. Langfristig drohe deshalb ein Personalkollaps bei Fachkräften. „Dabei ist das Ziel, die Ausbildung zu stärken, im Koalitionsvertrag verankert“, sagt Gewerkschaftssekretär Zimmermann, Vorsitzender der SPD-Betriebsgruppe Eisenbahn, in Richtung seines Parteifreunds Claus Schmiedel. Der Fraktionschef im Landtag habe in der Sache Unterstützung zugesagt.

Petition im Internet

Bis zum 22. September, dem Tag, an dem die Unternehmen ihre Angebote abgeben haben müssen, läuft eine Online-Petition. Im Forum wird die Aktion kontrovers diskutiert. Teilnehmern, die Hermann vorwerfen, Lohndumping zu fördern, wird entgegnet, die Grünen hätten wenigstens ein Gesetz verabschiedet, das Mindestlöhne garantiert. Das hätten CDU und FDP nicht hinbekommen. Die „fetten Jahre“, als die Bahn Monopolist gewesen sei, seien vorbei.

Betriebsrat listet drohende Verschlechterung auf

Kritisch wird angemerkt, dass sich eine schlechtere Bezahlung vor allem auf die Qualität des Personals, auf den Service für die Fahrgäste sowie auf die Sicherheit auswirken könnte. Schon heute würden Lokführer in nur sechs Monaten ausgebildet – bei DB Regio seien es zwei Jahre – und teils als 500-Euro-Kräfte angeheuert. Für Karl-Heinz Zimmermann ist das eine „gefährliche Entwicklung“ im Personen- und im Güterverkehr. Schlecht ausgebildetes Personal in große Bahnhöfe zu schicken, sei unverantwortlich. Hermann sagt, Kontrollen seien nun wirklich Sache des Bundes.

In einem Flugblatt hat der Betriebsrat aufgelistet, was der Belegschaft beim privaten Betreiber drohen könnte, der nicht die tarifvertraglichen Pflichten hat wie der bisherige Monopolist im Südwesten, DB Regio. So gebe es neben geringem Gehalt keine Gewähr für Sozialräume, keine Beschäftigungssicherung, keine Betriebswohnungen und keine kostenloses Bahntickets. Auf den Roten Karten an den Minister, die die Belegschaft in den Regionalzügen verteilt, steht, dass in der Ausschreibung gar keine Zugbegleiter gefordert würden. Es bestehe also die Gefahr, dass sich „nicht zu jeder Tageszeit ein Mitarbeiter im Zug“ aufhalte. Hermanns Sprecher widerspricht dieser Behauptung. Es steht Aussage gegen Aussage. Was helfen könnte, wäre ein Gespräch zwischen Minister und Belegschaftsvertretern. Das soll nun tatsächlich noch vor Ablauf der Abgabefrist stattfinden.