Im Kunst und Kurkuma-Projekt kochen Schulkinder aus Integrationsklassen gemeinsam Speisen ihrer Heimatländer und lernen beim Basteln ihre unterschiedlichen kulturellen Wurzeln kennen.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Kochen und Kunst – ob das wohl zusammenpassen kann? Das fragte sich die Grundschullehrerin Ulrike Finkbeiner, bevor sie mit ihrer vierten Klasse in das Projekt der Ökostation Wartberg der Volkshochschule eingestiegen ist. Nach nur zwei Tagen war sie überzeugt von dem Konzept: „Kunst und Essen, das passt. Die Kinder haben viel Spaß und wir machen täglich eine Reise durch ein anderes Land“, sagt sie. Die Kochbuchautorin und Inhaberin einer Kochschule, Birgit Neußer („Die Landfrau“) sowie die Initiatorin von Kunstprojekten für Kinder, Andrea Liebe, hatten gemeinsam die Idee für „Kunst, Kurkuma und Co.“ – wie sie ihr Projekt betitelt haben. Es soll ökologisches Bewusstsein schaffen und interkulturelles Verständnis wecken. Dementsprechend haben an der ersten Phase vier Integrationsklassen der Pragschule teilgenommen. Kinder aus 30 Ländern besuchen die Brennpunktschule.

 

Kulturelle Unterschiede sinnlich begreifen

Jeder Tag hat ein Land oder eine Region zum Thema, zum Beispiel Nordafrika. Birgit Neußer lässt die Kinder zum Auftakt an den typischen Gewürzen dieser Region schnuppern. Thymian, Rosmarin und Wacholder. Andrea Liebe erklärt den Schülern den typischen Glücksbringer von dort: Die Hand der Fatima. Dann teilen Köchin und Künstlerin die Klasse in zwei Gruppen. Während die Kroatin Letita Kartoffeln schält und Zitronen auspresst, Edi aus Albanien Hähnchenfleisch schneidet und alle anderen Kinder aus vieler Herren Länder in der Wartberg-Küche werkeln, bastelt die andere Gruppe die Glücksbringer aus dünnem Blech. „So können sie die jeweiligen kulturellen Hintergründe ihrer Mitschüler sinnlich begreifen“, erklärt Andrea Liebe. Essen und Kunst sind auf der ganzen Erde eine wichtige Säule der Kommunikation und damit ein wesentlicher Bestandteil der Kultur, betonen die beiden Projektleiterinnen.

Träuble aus dem Ökogarten

Nach der Pause wird gewechselt und die marokkanische Hähnchenpfanne mit Backpflaumen, eingelegten Zitronen, Kartoffeln sowie der aromatischen nordafrikanischen Gewürzmischung Ras el Hanut beginnt allmählich im Ofen zu duften. Auf dem Herd schmort im landestypischen Topf, der Tajine, der Gemüseeintopf mit Kichererbsen und zur Abrundung hat die Köchin die Kinder ein Bananen-Chutney mixen lassen. In der Pause wird im Freien getobt und danach wandert Birgit Neußer zusammen mit ihrer Gruppe in den üppig blühenden Wartberg-Ökogarten, um dort Träuble zu ernten. „Morgen kochen wir daraus Marmelade“, kündigt sie an.

Essen verliert seine sozialen Aspekte

„Aufwendiges Kochen wird heutzutage nicht mehr vermittelt“, stellt die Leiterin der Ökostation Karin Haupt fest. Fast Food und „To go“-Produkte machen Essen zu einer Nebentätigkeit. Die sozialen und geselligen Aspekte gehen verloren, fügt Hanna Burgert von der Ökostation hinzu. Das Projekt, das von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird, soll neben den kulturellen Aspekten der Herkunftsländer der Kinder sowie der Vermittlung unterschiedlicher Kochtechniken auch ein Bewusstsein schaffen für den verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln und der Natur. „20 Prozent der Treibhausgase entstehen durch unsere Nahrung“, rechnet Karin Haupt vor. Deshalb sei es nicht nur für den Körper wichtig, was wir essen, sondern auch für die Umwelt. Und noch etwas kann Kunst, Kurkuma und Co.: „Die Lehrerinnen erfahren die Schüler hier anders. Sie entdecken Talente, die im Klassenzimmer nicht zum Vorschein kommen“, berichtet die Leiterin der Ökostation. Nach den Ferien wollen Köchin und Künstlerin eine weitere Projektphase organisieren.