Vom nächsten Jahr an sollte der Strom in Europa frei fließen. 2014, so beschloss ein EU-Gipfel 2011, müsse der Energiebinnenmarkt vollendet sein. „Es wäre schön, wenn das so wäre“, sagt die DIW-Expertin Kemfert, „aber da sind wir noch lang nicht.“ Deshalb macht die EU-Kommission auch hier Druck. Nicht nur, dass sie nächste Woche eine Liste mit Vorrangprojekten veröffentlicht. Zudem soll der Bieterwettbewerb für Erneuerbare nach ihren Vorstellungen europaweit stattfinden. Das kommt Oettingers Mantra, wonach Windenergie im Norden und Solarkraft vorrangig in Südeuropa gefördert werden soll, sehr nahe. Deutschland könnte in letzter Konsequenz Solarparks in Spanien subventionieren. „Damit in anderen Mitgliedstaaten produzierte Energie auf das nationale Erneuerbaren-Ziel angerechnet werden kann“, heißt es im Entwurf, „müssen Kooperationsabkommen geschlossen werden.“

 

Die Reserve stellt das Ausland zur Verfügung

Das europäische Ausland soll bei einem zweiten Punkt ins Spiel kommen – den sogenannten Kapazitätsmärkten. Da der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, schwankt beim Ökostrom die Produktion stark. Um eine gewisse Grundlast zur Verfügung zu stellen, sind somit konventionelle Kraftwerke als Reserve notwendig, in die zu investieren derzeit aber nicht attraktiv ist. „Das Problem haben wir, weil die Erneuerbaren so hoch subventioniert sind“, heißt es in der EU-Kommission: „Wir sind nicht der Meinung, dass man jetzt unbedingt Kohle und Gas subventionieren muss.“ In solche „Kapazitäten“ Steuergeld zu stecken, soll nach Ansicht der Brüsseler Behörde nur noch dann beihilferechtlich in Ordnung sein, wenn die nötigen Megawatt nicht aus dem Ausland beschafft werden können.

„Ich halte es gerade im Sinne der Systemstabilität für wichtig, dass Deutschland künftig stärker auf Kapazitäten im EU-Ausland zugreift und umgekehrt“, sagt auch Claudia Kemfert vom DIW. Von einer Ausschreibungspflicht und einer europaweiten Neuverteilung der Subventionen über den Umweg des Wettbewerbsrechts hält sie dagegen wenig: „Energiepolitik ist Sache der Mitgliedstaaten – Europa kann sie ihnen nicht aus der Hand nehmen.“ Die Bundesregierung teilt dagegen, so ein EU-Diplomat, „die Endvorstellung, dass dort produziert wird, wo es am günstigsten ist. Für den Grünen Turmes wiederum übersteigen die Kosten eines Netzausbaus, der den Strom etwa von Griechenland nach Deutschland fließen lassen würde, den Nutzen: „Es geht darum, dass EEG zu begraben, während gleichzeitig die Atomenergie neu belebt werden soll.“

Tatsächlich taucht deren Subventionierung, nach Brüsseler Schätzungen rund 35 Milliarden Euro jährlich, erstmals in den Leitlinien auf. Während die Kommission argumentiert, damit würden deren Kosten im Vergleich zu denen für erneuerbare Energien transparenter, befürchtet Turmes, dass der Atomstrom neu legitimiert wird. Heißt es doch im Entwurfspapier zu den Kernkraftsubventionen, dass „die EU-Kommission nicht bezweifelt, dass sie einem gemeinsamen Ziel der EU dienen“.

Eine Verbraucherorganisation sowie mehrere kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland haben sich darüber nach Angaben der EU-Kommission bei ihr beschwert. Und nach Angaben aus der Behörde gilt es als sehr wahrscheinlich, dass der entsprechende Artikel 40 des EEG als nicht mit EU-Recht vereinbar gerügt werden wird. „Wenn man so viele Ausnahmen erlaubt“, sagt auch die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), „stellt sich schon die Frage, ob das nicht eine Wettbewerbsverzerrung darstellt.“ Sollte der Prüfung ein offizielles Beihilfeverfahren folgen, könnten die deutschen Unternehmen rückwirkend die eingesparten Millionenbeträge nachzahlen müssen.

Bieterwettbewerb bei Ökostrom?

Noch mehr Sprengkraft dürfte ein weiteres Papier aus dem Hause Almunia entfalten, das auf den ersten Blick harmlos klingt. „Wir planen eine öffentliche Konsultation zu neuen Energie- und Umweltschutzleitlinien“, teilt Almunias Sprecher mit. Dahinter verbirgt sich eine Art Gebrauchsanweisung dafür, wie die Behörde das Wettbewerbsrecht auslegt. Es geht somit um die knallharte Frage, welche Energieformen künftig unter welchen Bedingungen staatlich gefördert werden dürfen.

Sie müssen nach Ansicht der EU-Kommission strenger werden, wie aus dem der Stuttgarter Zeitung vorliegenden Entwurf hervorgeht. Anders als in der Einführungsphase, so die Brüsseler Argumentation, sind die Erneuerbaren Energien längst nicht mehr so teuer zu produzieren. Nicht zuletzt wegen chinesischer Dumpingpreise für Solarpanele gab es in diesem Fall gar einen regelrechten Preisverfall. Die Kommission erachtet die insgesamt 30 Milliarden Euro, mit denen die EU-Staaten im Jahr 2011 die Erneuerbaren förderten, daher als deutlich zu hoch: „Jede öffentliche Unterstützung muss zeitlich begrenzt sein“, heißt es in dem Papier: „Wo sie noch nötig ist, sollte sie auf ein Minimum beschränkt sein und den Marktpreis ergänzen und nicht ersetzen.“ Für den festen Einspeisetarif des deutschen EEG käme spätestens mit dieser Vorgabe das Aus. Höchstens ein Aufschlag auf den Börsenpreis, käme dann noch in Betracht.

Wie die Ökostromförderung generell billiger werden kann, dazu hat die EU-Behörde weitreichende Vorstellungen entwickelt. In Artikel 122 des Leitlinienentwurfs ist als Voraussetzung für eine Subventionierung beispielsweise von einem „technologieneutralen Bieterverfahren“ die Rede. Was bedeutet das? In diesem Fall würden nur jene Betreiber von Solar-, Wind- oder Biomasseanlage vom Staat finanziell unterstützt, die eine gewisse Energiemenge zum besten Preis produzieren. Das wäre nichts weniger als ein Paradigmenwechsel.

Gegen diese Pläne läuft der Luxemburger Europaabgeordnete Claude Turmes von den Grünen Sturm. Er sieht darin den Versuch von Oettinger, den großen Energiekonzernen Profit zuzuschanzen. Bisher wird in Deutschland jeder gefördert, der sich beispielsweise Solarzellen aufs Dach bauen lässt. Privatpersonen halten daher auch 39,7 Prozent aller erneuerbaren Kapazitäten in Deutschland, Landwirte 10,8 Prozent, während die vier großen Energieversorger RWE, Eon, Vattenfall und EnBW nur auf 6,5 Prozent kommen (siehe Grafik). „Brüssel bedroht diese Bürgerenergie“, kritisiert Turmes: „Einzelne Bürger oder auch kleine kommunale Erzeuger sind bei solchen Ausschreibungen de facto chancenlos und könnten höchstens als ,Unterzulieferer’ an RWE oder die EnBW liefern.“

In Oettingers Umfeld wiederum will man den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, die Bürger nicht im Blick zu haben. Im bestehenden System „finanzieren die Mieter über den Strompreis die Fotovoltaik der Hausbesitzer“, heißt es dort: „Sozial gerecht ist das schon einmal gar nicht.“

Geld aus Deutschland für spanische Solarparks

Vom nächsten Jahr an sollte der Strom in Europa frei fließen. 2014, so beschloss ein EU-Gipfel 2011, müsse der Energiebinnenmarkt vollendet sein. „Es wäre schön, wenn das so wäre“, sagt die DIW-Expertin Kemfert, „aber da sind wir noch lang nicht.“ Deshalb macht die EU-Kommission auch hier Druck. Nicht nur, dass sie nächste Woche eine Liste mit Vorrangprojekten veröffentlicht. Zudem soll der Bieterwettbewerb für Erneuerbare nach ihren Vorstellungen europaweit stattfinden. Das kommt Oettingers Mantra, wonach Windenergie im Norden und Solarkraft vorrangig in Südeuropa gefördert werden soll, sehr nahe. Deutschland könnte in letzter Konsequenz Solarparks in Spanien subventionieren. „Damit in anderen Mitgliedstaaten produzierte Energie auf das nationale Erneuerbaren-Ziel angerechnet werden kann“, heißt es im Entwurf, „müssen Kooperationsabkommen geschlossen werden.“

Die Reserve stellt das Ausland zur Verfügung

Das europäische Ausland soll bei einem zweiten Punkt ins Spiel kommen – den sogenannten Kapazitätsmärkten. Da der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, schwankt beim Ökostrom die Produktion stark. Um eine gewisse Grundlast zur Verfügung zu stellen, sind somit konventionelle Kraftwerke als Reserve notwendig, in die zu investieren derzeit aber nicht attraktiv ist. „Das Problem haben wir, weil die Erneuerbaren so hoch subventioniert sind“, heißt es in der EU-Kommission: „Wir sind nicht der Meinung, dass man jetzt unbedingt Kohle und Gas subventionieren muss.“ In solche „Kapazitäten“ Steuergeld zu stecken, soll nach Ansicht der Brüsseler Behörde nur noch dann beihilferechtlich in Ordnung sein, wenn die nötigen Megawatt nicht aus dem Ausland beschafft werden können.

„Ich halte es gerade im Sinne der Systemstabilität für wichtig, dass Deutschland künftig stärker auf Kapazitäten im EU-Ausland zugreift und umgekehrt“, sagt auch Claudia Kemfert vom DIW. Von einer Ausschreibungspflicht und einer europaweiten Neuverteilung der Subventionen über den Umweg des Wettbewerbsrechts hält sie dagegen wenig: „Energiepolitik ist Sache der Mitgliedstaaten – Europa kann sie ihnen nicht aus der Hand nehmen.“ Die Bundesregierung teilt dagegen, so ein EU-Diplomat, „die Endvorstellung, dass dort produziert wird, wo es am günstigsten ist. Für den Grünen Turmes wiederum übersteigen die Kosten eines Netzausbaus, der den Strom etwa von Griechenland nach Deutschland fließen lassen würde, den Nutzen: „Es geht darum, dass EEG zu begraben, während gleichzeitig die Atomenergie neu belebt werden soll.“

Tatsächlich taucht deren Subventionierung, nach Brüsseler Schätzungen rund 35 Milliarden Euro jährlich, erstmals in den Leitlinien auf. Während die Kommission argumentiert, damit würden deren Kosten im Vergleich zu denen für erneuerbare Energien transparenter, befürchtet Turmes, dass der Atomstrom neu legitimiert wird. Heißt es doch im Entwurfspapier zu den Kernkraftsubventionen, dass „die EU-Kommission nicht bezweifelt, dass sie einem gemeinsamen Ziel der EU dienen“.

Briten und Franzosen setzen auf Atomenergie

Als CO2-neutrale Alternative zu Wind und Sonne spielt die Nuklearenergie auch in der Debatte über die EU-Klimapolitik für das Jahr 2030 eine Rolle; noch im Herbst wollen Oettinger und Klimakommissarin Connie Hedegaard einen ersten Vorschlag vorlegen. In den ersten Diskussionen mit den Mitgliedstaaten hat sich bereits gezeigt, dass Großbritannien und Frankreich nur noch eine Vorgabe befürworten – nämlich zur Reduktion der Treibhausgase von rund 40 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990. Ohne Zielmarke für den Anteil der Erneuerbaren könnten London und Paris ihr Klimaziel mit der Atomkraft erreichen. Berlin hat sich dazu noch nicht positioniert – auch weil eine weitere Vorgabe in Sachen Ökostrom direkte Auswirkungen auf eine EEG-Reform hat: „Das“, sagt ein EU-Diplomat, „wird eine der vornehmsten Aufgaben der neuen Bundesregierung sein.“

Brüssel -