Martin Luther ist die Hauptperson der ökumenischen Dorffreizeit. Das Ereignis hat Tradition.

Hemmingen - S ie sitzen auf dem Boden des Gemeindehauses, zwei Bühnen sind aufgebaut, eine Band begleitet die Lieder. Im Schauspiel muss ein Junge namens Martin vor dem Essen ein Tischgebet sprechen. „Sonst holt dich der Nachtkrabb’!“ droht die Mutter. 170 Kinder und Jugendliche von sechs bis 14 Jahren schauen gebannt zu, wie die Familie in ständiger Angst vor der vermeintlichen Strafe Gottes lebt.

 

Ein paar Minuten später sind etliche Jahre vergangen. Der jugendliche Martin Luther erlebt ein fürchterliches Gewitter. Der Jugendreferent Matthias Bauder stellt den Reformator dar. Hundertfaches Schenkelbatschen simuliert den Regen, Füßestampfen den Donner. In diesem Moment entscheidet sich Luther, ins Kloster zu gehen. Die Kinder erleben ihre erste Stunde der ökumenischen Dorffreizeit, die es seit nunmehr gut 35 Jahren gibt.

Diese steht unter dem Motto „Mit Martin auf Entdeckertour“. Anja Pfeiffer von der evangelischen und Lioba Stehmer von der katholischen Kirchengemeinde haben wieder rund 100 junge Menschen und Erwachsene um sich geschart, die dieses Ereignis erst möglich machen. Einer der ganz Jungen ist Julian, zum ersten Mal dabei. Er sei als Konfirmand dieses Jahres gespannt auf diese Woche, erzählt der Vierzehnjährige. „Ich möchte, dass es Kindern Spaß macht, dass sie nicht zuhause rumsitzen.“ Tanja Huber, von der neuapostolischen Kirche ist als Helferin zum sechsten Mal dabei. „Wir ziehen alle an einem Strang“, sagt sie; sie möchte den christlichen Gedanken weitertragen, hat deshalb hinter den Kulissen bei den Vorbereitungen mitgeholfen, auch beim Theaterstück. „Ich freue mich sehr auf diese Woche.“

Jeden Morgen ein Stück Luther

An jedem der fünf Vormittage gibt es morgens als erstes etwa 20 Minuten des Luther-Schauspiels. Am ersten Tag waren es die ersten beiden Lebensjahrzehnte Luthers mit der Erziehung zur Gottesfurcht mit allgegenwärtiger Strafe. „Luther hat davon befreit“ soll den Teilnehmern nahegebracht werden. Auch die Ablassbriefe stehen noch an – und damit einer der Auslöser für Luthers reformatorische Ideen.

Die Dorffreizeit ist zu Beginn der achtziger Jahre begründet worden, 1997 auf die Basis der ökumenischen Zusammenarbeit verlagert worden. Trotz eines vollen Saals „könnten wir noch mehr Kinder nehmen“, sagt Anja Pfeiffer. Eines der Motive, so Lioba Stehmer: „Die Kinder sollen das Gefühl bekommen, da ist jemand, der hat Zeit für mich.“ Die große Zahl der Mitarbeiter, auch der Männer, garantiert das. Ganze Familien machen mit; sind ihre Kinder noch klein, gehen sie in die eigens organisierte Betreuung. Und zum Schluss, da treffen sich alle zum Familiengottesdienst. Die Kinder wissen dann ganz genau, wer Martin Luther war – mehr als ein Mönch in brauner Kutte.

Angebote auch andernorts im Strohgäu

In Hemmingen finden nach der Dorffreizeit noch die Ferienspiele statt, deren einzelne Veranstaltungen von Vereinen angeboten werden. An diesem Montag hat auch die Sommerfreizeit in Gerlingen begonnen, und die Kinderspielstadt Ditziput in Heimerdingen hat ihren ebenfalls zwei Wochen dauernden Betrieb unter dem Motto „Von Einhörnern, Elfen und magischen Orten“ aufgenommen. Auch in Korntal-Münchingen gibt es ein Ferienangebot: mehr als 50 Veranstaltungen, die ersten waren an den ersten Ferientagen. Die meisten sind einen Nachmittag oder Tag, zwei Sportkurse gehen auch eine Woche lang.