Ski, Handschuhe, Helm - was braucht man noch zum Skifahren? Wenn es nach dem Verbund Ski amadé geht: eine Datenskibrille.

Eine Schussfahrt im Schnee. Der Wind pfeift über die Backen, die Oberschenkel sind angespannt, das Auge scannt das Gelände: Bodenwellen, Eisplatten, die Ideallinie am Hang. Und dann blickt das Auge nach unten, zur Nasenwurzel. Ein Tachoscheibenkreis leuchtet auf, darin blinken Zahlen: 25, 30, 35. Das Auge schaut wieder nach vorne, richtet die Ski in Falllinie aus. Jetzt geht’s dahin, wie der Österreicher so sagt. 40, 45, 50 sagt der Tacho. Tacho? Im Skifahren? Gibt’s nicht. Gibt’s doch - europaweit erstmalig im Skiverbund Amade´, einem Zusammenschluss von 25 Skiorten vom Salzburger Land bis hin zur Steiermark.

 

Und die Macher dieses Skiverbundes haben das neueste Tool, Gadget (oder wie immer man im Neudeutsch 2.0 für Angebot sagen soll) entwickelt: eine Daten-Skibrille.Das ist erst einmal eine ganz normale Skibrille von den gängigen Anbietern - alledings mit diversen Einbauten bestückt. Links eine kleine Akku-Einheit, ein Kabel rechts rüber, und dort untern am Brillenrand eine nicht mal daumengroße Einheit mit einem nicht mal fingernagelgroßen Bildschirm. Weil der direkt unter dem Auge sitzt, kann man überraschend gut sehen, was sich auf Knopfdruck aufblättert - Menü um Menü. Hat die Skifahrer-Welt darauf gewartet? Christoph Eisinger, Geschäftsführer des Skiverbundes, antwortet mit einem Zitat von Oscar Wilde: „Die Zukunft gehört denen, die die Möglichkeiten erkennen, bevor sie offensichtlich werden.“

Der Verdrängungswettbewerb im Skigeschäft ist brutal

Er steht einem Skiverbund vor, dessen 270 Lifte und Seilbahnen 365 000 Personen pro Stunde transportieren können und pro Jahr mehr als 75 Millionen Fahrten pro Jahr machen, in dem 4500 Schneekanonen oder Schneelanzen Kunstschnee auf 90 Prozent der 760 Pistenkilometer feuern, der 1400 Mitarbeiter hat und über 1,5 Millionen Skifahrer pro Saison. Also ein Riesenbetrieb, einer der größten alpenweit. Dem es gut geht und dem es auch in Zukunft gut gehen sollte: Allein in den letzten acht Jahren hat der Verbund 549 Millionen Euro investiert. Der Laden muss also weiter brummen - und das ist im Skigeschäft, das insgesamt stagniert, nicht selbstverständlich. Deshalb handeln die großen Skigesellschaften wie in der Landwirtschaft nach der Devise: wachsen oder weichen. Der Verdrängungswettbewerb im Skigeschäft ist brutal. Ganz entscheidend ist: Wer bekommt die junge Kundschaft, die Stammgäste von morgen? Eine kostbare Ressource - schwindet sie doch aus demographischen Gründen.

Aber eine lohnende Zielgruppe: Studien machen den Liftbetreibern Hoffnung - das Interesse der Jugend am Skisport steige wieder. Der Amade´-Verband setzt deshalb auf den vernetzten Lebensstil der Digital Natives - und das offenbar zurecht. Die Smartphone-App „Ski Amade`Guide“ ist allein in der letzten Saison 870 000 Mal abgerufen worden. Die hat einen Hotspotfinder (Wo ist die nächste Toilette?), bündelt Informationen vom Wetter bis zum Hüttenevent, führt ein Skitagebuch und errechnet die verbrauchten Kalorien. Wer das der Welt mitteilen will - kein Problem: Fast flächendeckend bieten über 400 Stellen das größte kostenlose WLAN-Netz der Alpen. 250 000 Anwendersitzungen an Spitzentagen und über 19 Millionen Online-Sesions in der letzten Saison beweisen, dass man in einem Skigebiet noch anderes machen kann als durch den Schnee carven. Auf jeden Fall haben diese Zahlen die Amade´-Verantwortlichen auf der Suche nach weiteren Neuerungen befeuert.

„Wir wollen unseren Gästen immer neue, herausragende Erlebnisse bieten“, sagt Christoph Eisinger. „Mit der Datenskibrille ist uns diesmal ein wahrer Coup gelungen.“ Fündig geworden dafür sind sie in Kanada. Die Firma Recon aus Vancouver hat den Mini-Computer entwickelt - und daheim schon 50 000 Mal verkauft. Billig ist so ein Gerät übrigens nicht - so um die 700 Euro muß man schon hinlegen. Für die Amade´gibt es jetzt eine Leihversion: für 19 Euro kann man die Brille einen Tag benutzen. Was man zu sehen bekommt, hat die österreichische Firma Evolaris programmiert - in enger Abstimmung mit den Tourismusverantwortlichen von Schladming, die vor allem seit der Ski-WM im Jahr 2013 am Innovationsdrücker sind, und mit Manuel Schnell, dem IT-Mann der Amade´. Wer jetzt die Brille aufsetzt, muss auch ein Armband mit Menüpfeilen überstreifen. Dann kann er sich zum Beispiel am Bildschirm zeigen lassen, welches Wetter gerade herrscht.

„Wir haben uns bewusst gegen eine Navi-Funktion entschieden“

Mit einem Blick in den Himmel kann man ja immer noch überprüfen, ob das Gerät schummelt. Und weil Skifahrer sich im Gelände bewegen, sind etliche Ziele abgespeichert. So kann man sich zum Beispiel zu einer Hütte durchscrollen - und schon weist ein Pfeil die Richtung und gibt die Entfernung an. Allerdings wäre es blöd, stur dem Pfeil nachzufahren - der weist nämlich die Luftlinie. „Wir haben uns bewusst gegen eine Navi-Funktion entschieden“, sagt Manuell Schnell. Ein Skifahrer, der einen Abbiegebefehl mit Reaktionsverzögerumg ausführt und dann im Graben landet - das könnte juristischen Ärger bringen. Diskutiert worden ist auch die Frage der Ablenkung. Immerhin schicken die Kanadier ja beim Systemstart erstmal einen Warnhinweis über den Schirm: „Der Gebrauch kann Verletzung oder Tod verursachen.“

Deshalb haben sich die Projekt-Macher gegen eine Google-Glass-Lösung entschieden, bei der die Infos direkt ins Blickfeld projeziert werden. Der Blick nach vorne bleibt frei - allerdings fehlt der auch, wenn man nach unten zum Bildschirm blickt. Um zum Beispiel die Geschwindigkeit abzulesen. Das dürfte für etliche Nutzer die attraktivste Info sein. „Da kann man schön gegeneinander batteln“, hat Marietta Weißofner aus dem Amade´-PR-Team schon im Freundeskreis ausprobiert. Das könnte aber auch die Meinungen zur Brille spalten. In gewisser Weise findet das Matthias Schattleitner gar nicht so schlimm.

Der Geschäftsführer des Tourismusmarketings Schladming-Dachstein, der früher bei Amade´gearbeitet hat, ist ein umtriebiger Pusher Schladmings, ein Ort, der in den letzten Jahren ordentliche Zuwächse verzeichnet. Und auch die Datenskibrille soll ihren Teil dazu beitragen: „Manchmal muss man auch polarisieren. Jedes Projekt, das uns hilft, mehr Skifahrer auf die Berge zu bringen, ist eine gute Sache.“

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Infos zu Österreich

Anreise
Autobahn über Salzburg bis nach Radstadt, dann noch etwas Bundesstraße. Mit der Bahn direkt von Stuttgart nach Schladming, www.bahn.de

Datenskibrillen
Zum Ausleihen für 19 Euro am Tag. Verleihstationen sind insgesamt 25 Intersport-Rent-Standorte an den Talstationen. Skiverbund amadé: detaillierte Infos zu Pistenplänen, Tarifen, Betriebszeiten unter www.skiamade.com

Skigebiet
Schladming: Das Herz ist eine Vier- Berge-Skischaukel vom Hauser Kaibling bis zur Reiteralm mit 123 Pistenkilometern. Mit dabei die berühmte Abfahrtsstrecke Planai. Infos unter: www.schladming-dachstein.at

Unterkunft
Hotel Mitterhofer, familiärer Vier-Sterne-Betrieb der Familie Walcher (mit sehr erfolgreichen Skifahrern). Direkt am Skigebiet gelegen - und auch zum Bahnhof nur drei Minuten. Salzburger Straße 371, Schladming, Tel. 00 43 / 36 87 / 2 22 29, www.mitterhofer.at

Holzhackerstube: Am Berg direkt neben der Planai-Abfahrt, neun Zimmer und ein Apartment, und in der Küche waltet Peter Pichler, der unter anderem bei den Starköchen Eckhart Witzigmann und Paul Bocuse gearbeitet hat. Fastenberg ob Schladming, Harreiterweg 59, Tel. 00 43 / 36 87 / 2 34 63, www.holzhacker.net

Was man tun und lassen sollte
Auf jeden Fall fleißig die Hütten besuchen - das sind keine Pommesbuden, sondern oft ambitionierte Betriebe mit einer lohnenden Speisekarte. Und dann vom Langlauf bis zum Winterwandern das Angebot jenseits der Pisten nutzen: Die Landschaft um Schladming ist eine der attraktivsten in den Alpen.

Auf keinen Fall permanent auf den Alpin-Brettern stehen. Dafür ist das Angebot jenseits der Pisten in dieser Gegend zu vielfältig.