Während andere Städte vor allem mit visuellen Genüssen um die Gunst der Touristen buhlen, setzt die Kulturmetropole Linz ganz auf Akustik.

Linz - Donauufer, nahe dem südlichen Kopf der Nibelungenbrücke. Der breite Strom wälzt sich träge in seinem Bett. Leises Geplätscher gegen die Pfeiler. Dann aber! Eine Tram rollt auf die Brücke, hartes Geratter oben, donnernder Hall unter dem Steg, dessen Eisenstreben als Resonanzkuppel wirken. Möwen stieben schreiend davon, vermutlich tauchen auch die Fische ein paar Meter tiefer. Dann hat der Querverkehr auf der Uferstraße freie Fahrt, und der Lärm verändert sich zu einem an- und abschwellenden Brausen. Wenige Schritte entfernt döst der Linzer Hauptplatz mit seinem barocken Fassadenensemble in der Sonne. Punkt 11, 14 und 17 Uhr erklingt das Glockenspiel. Die Passanten bleiben lauschend stehen.

 

Sollten sie aber nicht, meint der Linzer Komponist Peter Androsch. Den größten Zauber entfaltet das Carillon, wenn man langsam in die halb überdeckte Gasse zwischen den Häusern der Nummern 15 und 16 hineingeht. Jeder Meter der Passage moduliert die Töne, die Bogendecken werden zu Hallkammern. Der Hauptplatz der Stadt mit seinem „kinematografischen Klangpanorama“ ist eine der akustischen Lieblingsbühnen von Peter Androsch. Der riesige rechteckige Platz bietet den Stadtgeräuschen jede Menge Raum, um sich zu entfalten, zu vermischen und wieder zu verebben. Die leise Basismelodie dazu bildet das Plätschern des Neptunbrunnens.

Nachts, wenn es draußen ruhiger wird, scheint seine Wassermusik plötzlich anzuschwellen. Im Kulturhauptstadtjahr 2009 kümmerte sich Peter Androsch um den akustischen Auftritt der Stadt. „Hörstadt“ hieß das Projekt. Manches davon ist verebbt wie Donauwellen. Das Akustikon-Museum gibt es nicht mehr, es wurde aus Budgetgründen geschlossen. Aber in der Touristeninformation kann man gratis die Broschüre „Hörstadt“ erhalten. Zwei Dutzend „Hörenswürdigkeiten“ vor Ort sind darin abgehandelt. Städte buhlen vor allem um die Gunst des Auges. Schau mich an, scheinen sie zu rufen. Hör mir zu, wispert Linz. Schließ die Augen und sperr die Ohren auf! In der Passage zwischen Hauptplatz und Promenade tupft der Regen eine zarte Tropfenpercussion auf das Glasdach. Die Absätze der Passanten schlagen dazu einen lauteren Takt.

Rolltreppen mit mönchischen Bordunklang

Wer auf der Promenade angelangt ist, kann in einer Linzer Institution einkehren und dem sanft strömenden Gemurmel in den Sitzgrotten des Café Traxlmayr lauschen. Dazu die Kaffeemaschinen zischen hören und das leise Knirschen, wenn man in den Topfenstrudel beißt. Im nahen Shopping-Center Arkade will Peter Androsch sogar „Protosakrales“ ausgemacht haben: Die stetigen Hintergrundgeräusche von Klimaanlage, Lüftungsschächten und Rolltreppen schaffen einen tiefen, fast mönchischen Bordunklang, der wie eine schwache Betäubung die Betriebsamkeit konterkariert. Oder man steigt die Hofgasse zum Schloss hinauf, Schritt für Schritt die Stadtklänge schwächer, eingeebneter hinter sich zurücklassend. Der Walkürenritt der Straßenbahnen über die Nibelungenbrücke führt zum Ars Electronica Center.

Wer sich nicht nur auf den Hörsinn beschränken will, sollte mindestens einen halben Tag für dieses Zukunftsmuseum kalkulieren, in dem sich die eigene Stimme visualisieren lässt und man im „Soundlab“ allerlei akustische Wunder erleben kann. Zurück geht es am besten zu Fuß über die Donau. Wenn man auf der richtigen Brückenseite läuft, also im Wind steht, werden alle Geräusche verweht, die Stadt rauscht nur mehr unbestimmt im Hintergrund. Diese Ohrenkur braucht es, denn es wartet noch das neue Musiktheater, 2013 als modernstes Opernhaus Europas eröffnet. Das tönende Haus liegt direkt am Volksgarten, und auch die Preise sind demokratisch. Da passt es, dass „Carmen“ nicht im folkloristisch strapazierten Sevilla spielt, sondern eine besetzte Hochhaus-Bauruine in Caracas zum Ort der Handlung wird.

Die "Linzer Symphonie" als Dankeschön

Bevor die allabendliche Vorstellung beginnt, gibt es im Musiktheater drei Stunden lang gratis etwas auf die Ohren. In Kooperation mit dem Ars Electroncia Center wurde ein „Klangfoyer“ auf mehreren Stockwerken geschaffen, ein Parcours mit zig Installationen, die den Hörsinn spielerisch schärfen und die Schwellenangst vorm Opernbesuch in luftige Töne auflösen sollen. Zurück aus der Gegenwart zu den Renaissance- und Barockfassaden zwischen Altem Markt und Landhaus. Wie wäre es mit Mozart auf Knopfdruck, wortwörtlich, nämlich im Durchgang von der Gasse Altstadt zu einem der schönsten Renaissancehöfchen von Linz? 1783 weilte Mozart unter der hiesigen Adresse als Gast des Grafen Thun und komponierte als Dankeschön mal eben die „Linzer Symphonie“. „Im Gegensatz zu Mozart kam Bruckner aus bettelarmen Verhältnissen, und entsprechend ernst tönt seine Musik“, erklärt Austria-Guide Eva Hofer.

Das Brucknerhaus am Donauufer dient seit 40 Jahren als Konzerthaus mit grandioser Akustik. Fünf Jahre später entstanden die „Linzer Klangwolken“. Eine simple Idee zunächst. Man forderte die Linzer dazu auf, während der Übertragung von Brucknerkonzerten das Radio auf die Bank des geöffneten Fensters zu stellen und selbst zum Beschaller öffentlichen Raums zu werden. Bruckner als Gassenhauer sozusagen. Heute wabert die Klangwolke alljährlich im September während des Brucknerfestes als komplexes Licht-und-Ton-Spektakel über den Donauwiesen. Freimusik für alle und die Donau als Spiegel von Klängen und Illumination. Doppelt geschwelgt hält besser.

So bunt gibt sich Linz also, das bis zu den Kulturhauptstadtwürden nur als „graue, stinkende Arbeiterstadt“ bekannt war, wie Frau Hofer erklärt, während das Schiff „Linzerin“ gerade das Donauknie passiert, wo sich das riesige Werksgelände der Voest Alpine mit seinen Essen, Hochöfen und Werkhallen dehnt. Plötzlich steigt fauchend eine gigantische weiße Dampfwolke aus einem der Schlote in den Himmel. Finale furioso und Schlussakkord!

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Infos zu Linz

Anreise
Mit dem Auto auf der A 8 über München und Salzburg. In Österreich über die Westautobahn A 1, Abfahrt Linz/Zentrum. Alternativ mit der Bahn in ca. 6,5 Stunden, www.bahn.de . Nonstop-Flüge nach Linz gibt es ab Frankfurt und Zürich, z. B. mit Etihad ab ca. 165 Euro hin und zurück.

Unterkunft
Design Hotel Spitz, zeitgenössisches Wohnen auf 4-Sterne-Niveau im Stadtteil Urfahr nahe dem AEC-Center, Doppelzimmer mit Frühstück ab 142 Euro, www.spitzhotel.at

Hotel am Domplatz, ebenfalls 4 Sterne, modern, hell, klar und mit inspirierenden Kunstobjekten. Die Eckzimmer mit riesigen Glasfronten gewähren spektakuläre Stadtblicke, DZ mit Frühstück ab 129 Euro, ohne Frühstück ab 95 Euro, www.hotelamdomplatz.at

Hotel Wolfinger, 3-Sterne-Traditionshaus direkt am Hauptplatz, zentraler geht es nicht. DZ mit Frühstück ab 98 Euro, www.hotelwolfinger.at

Pauschalen Linz Wochenende 2014 = 2 Übernachtungen mit Frühstück in 3-4-Sterne-Hotels, 3-Tages-Linz-Card ab 99 Euro pro Person im DZ: die oben genannten Hotels sind ab 119 bzw. 144 Euro inkl. Linz-Card dabei, www.linztourismus.at/wochenende

Essen und Trinken
Bei Leberkas-Pepi gibt es 9 Sorten Leberkäse sowie saisonale Angebote, z. B. mit Bärlauch, dazu frisch gezapftes Bier. Bis 4 Uhr früh geöffnet! Rathausgasse 3 und im Hauptbahnhof, www.leberkaspepi.at

Café Traxlmayr, klassisches Kaffeehaus im Altwiener Stil, seit 1847 im Familienbesitz, gute Mehlspeisen sowie solide gutbürgerliche Küche, Promenade 16, www.cafe-traxlmayr.at

Das Anton, Restaurant & Bar im Musiktheater, klassische österreichische Küche mit Niveau, Am Volksgarten 1, www.dasanton.at

Linzer Klangwolken
Das Musikfestival Linzer Klangwolken im Donaupark findet am 6. sowie am 13. und 14. September 2014 statt. www.klangwolke.at

Brucknerfest im Brucknerhaus 13. 9. bis 5. 10. 2014 Ars Electronica Center, www.aec.at

Lentos Kunstmuseum www.lentos.net

Musiktheater, www.landestheater-linz.at