Der Alpe-Adria-Trail führt durch Österreich, Slowenien und Italien. Unterwegs begegnen den Wanderern verfressene Murmeltiere, singende Frösche und eine angelnde Rocklegende.

Heiligenblut - Das Paradies! Nichts weniger wird Wanderern am Großglockner versprochen. Der höchste Berg Österreichs markiert die erste von 43 Etappen des Alpe-Adria-Trails, der vor rund einem Jahr eröffnet wurde. Motto: „Wandern im Garten Eden“. Ausgangspunkt ins Alpen-Eldorado ist das Parkhaus an der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe, Teil der Großglockner-Hochalpenstraße. Nicht schön, aber praktisch. Und vermutlich eine der wenigen Gelegenheiten, auf den nächsten 750 Kilometern Murmeltiere aus nächster Nähe zu sehen. Eine Kolonie der pfeifenden Fellknäuel hat sich in der Nähe des Besucherzentrums gemütlich eingerichtet.

 

Ein vermeintlich fürstliches Leben, wenn auch nicht gerade artgerecht. Ganz kaiserlich lief’s für Franz Josef I. und seine Sisi. Das Regentenpaar ließ sich anno 1856 mit einer Sänfte durch die Gegend tragen. Seitdem ist dort gefühlt jeder zweite Stein nach den beiden benannt. Grund der Visite: Der Kaiser wollte die Pasterze sehen, den größten Gletscher Österreichs. Das möchten auch heutzutage immer noch viele Besucher. Wer sich den Alpe-Adria-Trail vorknöpft, für den liegt der beeindruckende Eisriese ohnehin auf dem Weg. Er zieht sich allerdings seit 150 Jahren stetig zurück. Nicht gerade sänftengleich geht’s für die Wanderer durchs Gelände. Auf dem gesamten Fernwanderweg sind Zigtausende Höhenmeter zu bewältigen. Kaum zu glauben, dass die steilen Pässe und Straßen im Bundesland Kärnten einst wichtige Transitverbindungen gen Süden waren. Sehnsuchtsziele: Italien, Adria, Pizza und Gelato. Damals qualmten die Bremsen und schnauften die Motoren, heute schnaufen die Wanderer.

Pasterze - für Weideland geeignet

Da braucht es mitunter Antrieb und verlockende Bilder im Kopf. Die liefern die sogenannten Begleiter. Je drei Infosäulen, stellvertretend für die drei Nationen, informieren an markanten Punkten über den Alpe-Adria-Trail. Und machen mit schönen Fotos Lust auf die kommenden Kilometer - Mohrrübe-Esel-Prinzip. Immerhin, die beeindruckenden Landschaften sind nicht unerreichbar, sondern liegen mitten in Europa. „Ich habe Touren auf der ganzen Welt gemacht, ich war mehrfach im Himalaja“, sagt Günter Mussnig, Tourismusexperte aus Heiligenblut am Großglockner, „und dann entdeckst du, dass in der Umgebung umwerfende Landschaften auf dich warten.“ Er schwärmt von einem türkisblauen Flusstal in Slowenien und einem wildromantischen Karstgebiet unweit der italienischen Hafenstadt Triest. Auf dem Weg dorthin begegnet einem der kulturelle Mischmasch im Dreiländereck auf Schritt und Tritt. Der Name Pasterze etwa ist slowenischen Ursprungs. Er bedeutet „für Weideland geeignet“.

Zum Baden sehr geeignet sind Millstätter, Ossiacher und Wörthersee. Der Alpe-Adria-Trail bringt die Wanderer auch an diese beliebten Badeseen. Wasser spielt in Kärnten ohnehin eine große Rolle. Im Städtchen Gmünd bringt es sogar Frösche zum Singen. Der Froschchor, eine interaktive Kunstinstallation, befindet sich im Haus des Staunens, dem Pankratium. Ziel: Naturphänomene sinnlich erfahren. Klingt nach trockener Pädagogik, ist aber eine reichlich spannende Erfahrung. Wo sonst gibt es begehbare Geigen, Wasserorgeln oder tanzende Wasserschüsseln? „Nach diesen Erfahrungen schauen sich die Wanderer die Qualitäten in der Natur wieder genauer an“, ist sich Manfred Tischitz, Leiter des Pankratiums, sicher. Von Gmünd aus, das sich erfolgreich als Künstlerstadt mit zahlreichen Ateliers und Galerien neu erfunden und so den Gebäudeverfall gestoppt hat, geht es schnurstracks in Richtung Kärntner Seenlandschaft. Oberhalb des Millstätter Sees hat Bauer Franz Glabischnig ein Idyll für Freunde regionaler Produkte geschaffen.

Auf der Alexanderhütte mit dazugehöriger Alm werden frischer Käse, Buttermilch und Milch serviert, die „wie früher“ schmeckt. „Wir schaffen unsere Milch nicht ins Tal, wo sie mit der anderen zusammengeschüttet wird“, sagt Glabischnig, „unsere Milch ist eine andere Liga“. Die Almwiesen wurden aufwendig zu Bioweideland umfunktioniert - mittlerweile wachsen unzählige Blumen, die andernorts der intensiven Bewirtschaftung zum Opfer gefallen sind: Kohlrösl, Knabenkraut, Prachtnelke. Eine Pracht fürs Auge. Prachtvolle Eindrücke gibt es massenhaft entlang des Trails. Viele Teilstücke der Strecke wurden innerhalb eines Jahres zu populären Wanderrevieren. So beliebt, dass mancher Wanderer die Wegweiser als Souvenir abmontiert. „Wir müssen uns da etwas einfallen lassen“, sagt der österreichische Tourismusexperte Günter Mussnig.

Roger Waters gibt Nachhilfe im Angeln

Ein Problem, das in Slowenien und Italien mancherorts gar nicht erst auftreten kann - wegen lückenhafter Ausschilderung. „Die Kollegen dort haben noch etwas Nachholbedarf“, so Mussnig diplomatisch. Da einige Etappen auf bereits bestehenden Wegen verlaufen, orientieren sich die Wanderer an den alten Markierungen. Im slowenischen Soca-Tal ist Verlaufen außerdem kaum möglich: Immer dem leuchtend türkisblauen Fluss nach, vier Tagesetappen lang. Über wacklige Hängebrücken, vorbei an rauschenden Wasserfällen und unwirklich sattgrünen Almen, die ohne weiteres als Kulisse für die „Hobbit“-Fantasy-Trilogie dienen könnten.

Nicht in Fantasialand, sondern im Flussbett der Soca fand die Begegnung eines österreichischen Angeltouristen mit einer Rocklegende statt: Ersterer dilettierte beim Versuch, eine Forelle zu fangen. Letzterer, ein freundlicher älterer Herr mit britischem Akzent, gab Tipps. Derart erfolgreich, dass der Österreicher zum Dank 20 Euro im Hotel des Briten hinterlegen wollte. Worauf der Rezeptionist trocken meinte, dass der Begünstigte das Trinkgeld kaum brauchen würde: „Das war Roger Waters von Pink Floyd.“ Der Musiker verbringt regelmäßig seine Urlaube im Westen Sloweniens. Verständlich, denn der Tourismus kommt in vielen Regionen noch unverbraucht und unverstellt daher. Etwa in der Brda. Einer fruchtbaren Hügellandschaft, die architektonisch, landschaftlich und kulinarisch stark an die Toskana erinnert. „2009 gab es in der ganzen Brda nur 46 Gästebetten“, sagt Touristenguide Peter Marinic bei einem Glas Brda-Wein. Immerhin, seine Dienste werden dank des Alpe-Adria-Trails immer häufiger gebucht.

Außerdem zählte die Region in diesem Jahr schon 500 Gästebetten. Von Šmartno aus, einem mittelalterlich anmutenden Juwel mit engen Gassen und kleinen Geschäften in historischen Gemäuern, erspähen die Wanderer endlich das Meer: Am Horizont funkelt die italienische Adria. Es locken Pizza und Gelato. Kurz vorm Ziel im Hafen von Muggia wartet noch ein Höhepunkt auf die Wanderer: das Rosandra-Tal. Jenes wildromantische Karstgebiet, von dem der österreichische Wanderführer am Fuße des Pasterze-Gletschers geschwärmt hatte. Zwischen Gletschereis und Himbeereis liegen rund sechs Wochen Wanderschaft. Vorausgesetzt, man lässt keine der 43 Etappen aus.

Infos zum Alpe-Adria-Trail

Anreise
Zur ersten Streckenetappe an der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe von Stuttgart über die A 8 Richtung München/Salzburg bis zum Inntaldreieck, dort auf die A 93 bis Ausfahrt Oberaudorf, dort auf die B 172 bis Höhe Kössen, dort auf die B 178, Beschilderung Richtung Großglockner folgen. Das Europa-Spezial-Ticket der Deutschen Bahn, www.bahn.de , bringt Reisende ab 39 Euro nach Österreich. Busshuttle vom Bahnhof Mallnitz nach Heiligenblut, buchbar unter www.alpe-adria-trail.com oder www.nationalpark-hohetauern.at .

Unterkunft
Bergidyll in der rustikalen Alexanderhütte (Etappe 12) oberhalb des Millstätter Sees, Bauer Franz Glabischnig veranstaltet Sennereiführungen, traumhafter Blick, ab 28 Euro pro Person inkl. Almfrühstück, www.alexanderhuette.at .

Im mittelalterlich anmutenden Stadtzentrum von Gmünd (Etappe 10) steht der traditionsbewusste Gasthof Kohlmayr, regionale und saisonale Spezialitäten, leckere Kaspressknödel, in der Nähe kann eine der bedeutendsten Porsche-Sammlungen außerhalb Stuttgarts besichtigt werden, DZ ab 36 Euro pro Person inkl. Frühstück, www.gasthof-kohlmayr.at .

Eines der Highlights im italienischen Teil des Trails ist Cividale del Friuli (Etappe 29), die Locanda Al Castello ist in einem ehemaligen Kloster untergebracht und liegt idyllisch in den Hügeln der geschichtsträchtigen Stadt, DZ ab 130 Euro für zwei Personen inkl. Frühstück, www.alcastello.net .

Neues Leben in alten Mauern bietet das Design-Hotel San Martin im slowenischen Šmartno (Etappe 30), ab 40 Euro inkl. Frühstück, www.sanmartin.si .

Allgemeine Informationen
Im Internet www.alpe-adria-trail.com , Links zu den am Trail beteiligten Regionen: www.kaernten.at , www.slovenia.info , www.turismofvg.it .

Alle Routen in der Regel von Mai bis Oktober begehbar.