Kunstschnee gehört zum Wintersport wie die Bindung zum Ski. Fragen und Antworten rund um das umstrittene Thema Beschneiung.

Wie verbreitet ist der Kunstschnee?
Beschneiungsanlagen gehören zur Standardausstattung großer Skigebiete in den Alpen. In Ski amadé beispielsweise, Österreichs größtem Skipassverbund, verfügen 80 Prozent der Pisten über die notwendige Infrastruktur. In einzelnen Regionen geht noch mehr: „Wir können 95 Prozent unserer Pisten beschneien“, sagt Christoph Baumann, Vorstand der Bergbahnen Wagrain. Die Schneelanzen sind unübersehbar: Wie Straßenlaternen säumen die stangenartigen Geräte die 3,5 Kilometer lange Abfahrt vom Grafenberg nach Wagrain hinunter. Die erste Schneekanone ging hier 1989 in Betrieb, seit 2004 sind die Baumaßnahmen abgeschlossen. Rund 350 Anschlussstellen für Wasser und Strom durchziehen das Gebiet, 100 Schneekanonen und 160 Lanzen feuern den Kunstschnee auf die Hänge.

 

Aus was besteht diese Masse?
„Wasser und Luft“ so lautet das Reinheitsgebot der österreichischen Schneemacher. „Das verwendete Wasser hat Trinkwasserqualität“, versichert Baumann. Chemische Zusätze wie Bakterien, welche die Ausbeute erhöhen, sind in Österreich verboten. Der Wasserbedarf ist hoch: 350 Millionen Liter Wasser fließen in Wagrain pro Saison durch die Kanonen und Lanzen, das entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 2000 Haushalten.

Wann geht’s los?
Sobald es kalt wird, sprich die Quecksilbersäule unter null Grad rutscht, in der Regel im November, beginnt im Skigebiet Wagrain die künstliche Beschneiung. Optimale Bedingungen herrschen bei minus vier Grad, weniger als 80 Prozent Luftfeuchtigkeit und einer Wassertemperatur von maximal zwei Grad. Generell gilt: Je trockener die Luft, je kälter das Wasser, umso besser wird der Kunstschnee. Ein sechsseitiger Wetterbericht hilft den Wagrainer Schneemachern, den idealen Zeitpunkt zu erwischen. Innerhalb von fünf Tagen sind die Pisten gerichtet. Rund 40 Zentimeter hoch ist die Schneedecke zum Saisonstart - dieser Schneeteppich wird dann gehätschelt und gepflegt. „Nur äußerst selten setzen wir die Maschinen dann noch mal ein“, sagt Baumann. Nach Saisonschluss werden die Kanonen abgebaut.

Wie viel Energie ist dazu nötig?
Sehr viel. Allein in Wagrain verbraucht die Anlage jährlich 2,8 Millionen Kilowattstunden. Das entspricht dem Energieverbrauch einer Boeing 747 mit 500 Personen an Bord auf dem Flug von Wien nach Hawaii. Alle Beschneiungsanlagen in den Alpen zusammen benötigen so viel Energie wie die Stadt Nürnberg mit rund 500 000 Einwohnern, rechnet Stefan Witty, Geschäftsführer der Alpenschutzkonvention Deutschland, vor. Ein ökologischer Irrsinn, findet der Naturschützer. „Man bekämpft den Klimawandel, indem man noch mehr Energie verbraucht.“

Und was kostet der Spaß?
Rund drei Euro pro Kubikmeter kostet der Maschinenschnee, in Wagrain summiert sich das auf rund drei Millionen Euro pro Saison. Kein Wunder, dass Skipässe so teuer sind (44 Euro kostet das Tagesticket in Wagrain). Vor allem für Familien fast unbezahlbar. „Das werden sich immer weniger leisten können“, befürchtet Witty.

Ist Kunstschnee schlechter als Naturschnee?
Kommt darauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Jeder Wintersportler wedelt lieber über Kunstschnee-Hänge als gar nicht. Auch Touristiker und Bergbahn-Betreiber schätzen die Unabhängigkeit von Frau Holle. Naturschützer sehen darin jedoch mehr Fluch als Segen. An die Qualität des Originals kommt die synthetische Masse jedoch nicht heran. Naturschnee ist locker und flockig, so wie es Pulverschnee-Liebhaber bevorzugen. Kunstschnee ist dagegen kompakter und luftundurchlässiger. Wenn der künstliche Schnee jedoch mal zwei Wochen lang liegt und jede Nacht von Pistenraupen bearbeitet wurde, unterscheide ihn, so Christoph Baumann, nichts mehr vom Naturschnee.

Ginge es auch ohne Kunstschnee? Nein, sagen die Bergbahnen-Betreiber und Touristiker. Der Wettbewerbsdruck unter den Skigebieten ist immens und die Qualitätsansprüche der Gäste hoch. Kein Stein oder kein Erdklumpen darf den Skispaß trüben.

Welche ökologischen Gefahren gibt es?
Damit genügend Wasser für die Produktion zur Verfügung steht, werden in den Skigebieten große Becken gebaut - oft auf Kosten der Natur. Im Fellhorngebiet richtete man vor fünf Jahren einen Teich in einem Gebiet ein, in dem eine auf der Roten Liste stehende Pflanze vorkam. Danach verschwand dieses Gewächs ganz. Auch in Wagrain sind drei künstliche Seen angelegt worden, die, so Baumann, „sehr schön in die Umgebung integriert sind“. Ob das tatsächlich so ist, kann jetzt im Winter, wenn eh alles weiß ist, nicht beurteilt werden. In jedem Fall bedeutet der Bau einen erheblichen Eingriff in Flora und Fauna der empfindlichen Bergwelt. Damit nicht genug: Meist werden die Pisten im Sommer mit Planierraupen hergerichtet, damit im Winter keine Mulden und Hügel stören. „Bis wieder die natürliche Flora wächst, dauert es Jahrzehnte“, warnt Witty.