OEW-Chef Heinz Seiffert hat bei der EnBW ein Wort mitzureden. Er verlangt von der Landesregierung, den Energiekonzern EnBW endlich aus den Schlagzeilen zu nehmen.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)
Stuttgart – Heinz Seiffert ist Landrat des Alb-Donau-Kreises und außerdem Chef der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke OEW. Deshalb nimmt er beim Energieriesen EnBW und damit auch in der baden-württembergischen Energiepolitik eine Schlüsselrolle ein.
Herr Seiffert , in zwei Wochen tritt Frank Mastiaux seinen Posten als Vorstandschef der EnBW an. Welche Erwartungen knüpfen Sie an den neuen Mann an der Spitze?
Herr Mastiaux wird neue Ideen ins Unternehmen tragen. Und er wird die EnBW noch stärker als Dienstleister profilieren.

Noch besser, noch stärker, noch mehr: Solche Formulierungen werden gerne gewählt, um Probleme zu kaschieren. Dabei laufen in den nächsten Jahren viele Konzessionsverträge aus, in denen sich Ihr Unternehmen die Stromversorgung an die Kommunen gesichert hatte.
Ich darf daran erinnern, dass bereits mehrere Hundert Verträge verlängert wurden, was möglicherweise auf eine gewisse Zufriedenheit mit der EnBW hindeutet. Wo es Diskussionen um eine Vertragsverlängerung gibt, stecken oft atmosphärische Probleme dahinter.

„Gegen Naturgewalten ist man nie gefeit“

 

Der EnBW wird in kommunalen Kreisen immer wieder Arroganz vorgehalten.
Das habe ich auch schon gehört. Umso mehr schmerzt mich, dass solche Gründe ins Feld geführt werden und nicht etwa tatsächliche Mängel. Ich darf doch feststellen – gerade auch für Stuttgart –, dass die Dienstleistung, insbesondere die Versorgungssicherheit mit Strom und Wasser, immer auf hohem Niveau gewährleistet war.

Der Geröllabgang infolge eines Wasserrohrbruchs deutet eher auf das Gegenteil hin. Mehrere Häuser wurden schwer beschädigt.
Gegen Naturgewalten ist man nie gefeit. Das kann jedem anderen Netzbetreiber auch passieren. Entscheidend ist doch, dass man schnell reagiert. Dies kann ich für die EnBW behaupten.

Die Stadt Stuttgart ist bestrebt, die Daseinsvorsorge wieder selbst in die zu Hand bekommen. Das gilt für den Strom wie für das Wasser. Was bedeutet dies für die EnBW?
Es wäre bitter für uns, weil niemand der EnBW ernsthaft den Vorwurf machen konnte, dass die Leistung, die wir abliefern, schlecht ist. Wir würden es schon sehr bedauern, wenn man uns ohne Not vor die Tür setzte. Wir sind ein großer und zuverlässiger Arbeitgeber, der viele Arbeitsplätze in Stuttgart zur Verfügung stellt. Das sollte bei einer solchen Entscheidung nicht ganz außer Acht gelassen werden.

„Wir haben die Windkraftparks Baltic 1 und 2“


Zurück zum Wechsel an der Unternehmensspitze. Das Land hat ihn herbeigeführt. Frank Mastiaux gilt als Fachmann für erneuerbare Energien. Wird aus der EnBW ein Vorzeigekonzern für die Energiewende?
EnBW ist schon seit über zehn Jahren dabei, Ersatzkapazitäten im erneuerbaren Bereich für die auslaufenden Kernkraftwerke zu schaffen. Ich nenne nur die Wasserkraftwerke Iffezheim und Rheinfelden, und wir haben die Windkraftparks Baltic 1 und 2. Das muss Herr Mastiaux nicht alles neu erfinden. Aber er wird seine Vorschläge machen, und der Aufsichtsrat befindet darüber. So ist die Aufgabenteilung.

Jedem Anfang wohnen neue Chancen inne. Was muss Herr Mastiaux anders machen als sein Vorgänger Hans-Peter Villis?
Zunächst einmal müssen die Anteilseigner einige Dinge anders machen als bisher.

Sie richten Appelle an sich selbst? Schließlich sind Sie – in Vertretung der in der OEW organisierten oberschwäbischen Landkreise – Anteilseigner der EnBW.
Ich denke da eher an das Land. Was aufhören muss, das sind die fast täglich negativen Schlagzeilen, zu denen die OEW nichts beigetragen hat. Wir erzeugen keinen Lärm, das ist nicht unser Stil.

Was halten Sie der grün-roten Landesregierung vor?

„Die EnBW ist nicht nur das Unternehmen des Landes“

Ich will nicht einen Gegensatz zwischen schwarzen Landräten und grün-roter Landesregierung kultivieren. Zumal unsere Zusammenarbeit intern sehr ordentlich und geschäftsmäßig verläuft. Im Aufsichtsrat ist Verlässlichkeit gegeben. Aber dass der Wert des Unternehmens von einem Anteilseigner ständig unter die Lupe genommen wird – ich formuliere ganz vorsichtig – das hat uns schon berührt. Die EnBW ist nicht nur das Unternehmen des Landes, sondern auch das Unternehmen der OEW. Wenn das Land den Kaufpreis vom Herbst 2010 als zu hoch bezeichnet, dann mindert dies auch den Wert unserer Beteiligung. Allerdings muss ich dem Land sehr zugutehalten, dass es mit der kürzlich abgeschlossenen Kauf-Option auf die OEW zugegangen ist.

Der Streit zwischen dem Land und der EdF kann sich hinziehen. Das Schiedsverfahren vor der Internationalen Handelskammer läuft ja erst an. Der nächste Verhandlungstermin ist Anfang 2014.
Bis dahin werden Sie nicht jeden Tag berichten wollen. Insofern hege ich die Hoffnung, dass jetzt allmählich wieder Ruhe im Unternehmen einkehrt. Der Landesregierung aber rate ich dringend, einfach einmal die Rückspiegel abzuschrauben und nach vorne zu schauen – nicht zuletzt, um Herrn Mastiaux einen unbelasteten Anfang bei der EnBW zu ermöglichen.

Der Untersuchungsausschuss und die Schiedsklage bieten Grün-Rot die Gelegenheit, die eher unangenehme Erinnerung an die Ära des Ministerpräsidenten Mappus wach und die CDU am Boden zu halten.
Solche Untersuchungsausschüsse sind in aller Regel politisch motiviert – sowohl auch in diesem Fall. Ich habe immer gesagt: Wir haben am 17. Januar 2011 im Aufsichtsrat nach eingehender interner und externer Prüfung einen Preis von 40 Euro pro Aktie plus Dividende für angemessen gehalten. Es gibt keinen Grund, von diesem damals gefundenen Urteil heute abzuweichen. Die juristische Konstruktion, es gehe bei dem Aktienrückkauf um einen Missbrauchsfall nach dem EU-Beihilferecht, mutet doch recht abenteuerlich an.

„Die Zusammenarbeit mit der EdF war interessant.“


Fehlt Ihnen nicht der industrielle Sachverstand ihres früheren Partners, der EdF?
Die Zusammenarbeit mit der EdF war interessant und hilfreich für die EnBW, wobei es unsere Aufgabe als OEW immer war, darauf zu achten, dass die EdF nicht zu Lasten der EnBW eigene Interessen verfolgt. Zuletzt wurde jedoch deutlich, dass die Franzosen danach strebten, eine wesentliche Änderung der Aktionärsstruktur herbeizuführen. Das heißt: entweder die Mehrheit bei der EnBW beziehungsweise bei Teilen der EnBW zu erringen – oder aber die Aktien ganz oder teilweise abzustoßen.

Stehen Sie zu Aufsichtsratschef Claus Dieter Hoffmann?
Voll und ganz. Er ist für das Unternehmen gerade in dieser schwierigen Situation unverzichtbar.

Gefährdet der Atomausstieg die Versorgungssicherheit?
Wir stehen vor gewaltigen Problemen, weil die Energiewende zu forciert, vielleicht sogar überhastet eingeleitet wurde. Ich bin gespannt, was aus dem gesellschaftlichen Konsens über die Energiewende wird, wenn sich irgendwann einmal eine größere Versorgungspanne einstellt.

Unsere Hoffnungen ruhen auf der EnBW.
Aber was sollen die Energieunternehmen tun, wenn sie keine ausreichenden Leitungen bauen können, weil an jeder Ecke geklagt wird? Was sollen sie tun, wenn wir keine neuen grundlastsichernden Kraftwerke mehr bauen können, weil sie sich aufgrund der Privilegierung der erneuerbaren Energien bei der Stromeinspeisung ins Netz nicht mehr rentieren?

„Mir ist unwohl dabei.“


Die Frage geben wir zurück.
Nun, wir können natürlich aus der grundlastsichernden Stromproduktion aussteigen und die Grundlast über die Strombörse in Leipzig und den Spotmarkt abdecken. Das ist vorstellbar, aber dann muss man auch einräumen, dass die Industrienation Deutschland darauf verzichtet, die Stromversorgung aus eigener Kraft zu gewährleisten. Das sagt niemand deutlich genug, deshalb sage ich es. Das ist eine Alternative, aber mir ist unwohl dabei.

Werden Ihre neuen Kohlekraftwerke Mannheim und Karlsruhe wirtschaftlich sein?
Sie werden mit jedem Windrad, das ans Netz geht, weniger wirtschaftlich.

Umweltminister Franz Untersteller schlägt vor, Kapazitätsmärkte zu schaffen. Damit werden jene Unternehmen belohnt, die Stromersatzkapazitäten bereitstellen.
Damit toppt er die eine Subvention mit einer anderen. Das ist in meinen Augen Planwirtschaft pur. Wir müssen uns eher Gedanken darüber machen, ob wir auf Dauer den Vorrang der erneuerbaren Energien bei der Stromeinspeisung halten können. Oder ob wir diesen Strom noch abnehmen müssen, wenn er uns schon zu den Ohren herauskommt. Wir brauchen eher mehr Marktwirtschaft in der Energiebranche als weniger. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. Denn all diejenigen, die Windräder und Solaranlagen bauen, machen das ja nicht als Wohltäter der Ökologie; sie handeln als kalkulierende Kapitalanleger.