Es gibt Chancen, dass der Rohbau am Rande von Ohmden (Kreis Esslingen) nicht abgerissen wird. Eine Gesetzesnovelle könnte eine neue Rechtslage schaffen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Ohmden - Margarete Rösch darf weiter hoffen. Denn eine für das erste Quartal angekündigte Novelle des Baugesetzbuches des Bundes könnte verhindern, dass die Ohmdenerin ihren nach der aktuellen Gesetzeslage illegal errichteten Rohbau am östlichen Ortsrand im Außenbereich der Gemeinde abreißen muss. Gestern hat die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz des Präsidenten des Verwaltungsgerichts, Stefan Kuntze, den Parteien einen Vergleich vorgeschlagen, der der unendlichen Geschichte um den vom Land genehmigten Weiterbau und von der Gemeinde Ohmden geforderten Abriss des Gebäudes eine weitere Episode hinzufügt.

 

Jetzt, so der gestern von der Anwältin des Landes und von der Bauherrin akzeptierte Vergleich, sollen alle Beteiligten zunächst abwarten, ob der Paragraf 35, Absatz 4, des Baugesetzbuches, der das Bauen im Außenbereich einer Gemeinde regelt, tatsächlich so abgeändert wird, wie es der Gesetzesentwurf vorsieht. Ist das der Fall, hat Rösch zwei Monate Zeit, um einen neuen Bauantrag zu stellen. Erst wenn dieser alle Prüfungen überstanden hat und die Gerichte dann abschließend zu dem Ergebnis kämen, das der Bau immer noch der aktuellen Rechtslage widerspreche, darf das Esslinger Landratsamt als zuständige Behörde die bestehende gerichtliche Abrissverfügung umsetzen.

Neubau statt eines Umbaus

Es geht um den im Jahr 2002 geplanten und zunächst genehmigten Umbau einer Feldscheune zum Wohnhaus im Talhof. Weil sich bei den Arbeiten herausstellte, dass die Bausubstanz so schlecht war, dass die Mauern nicht als Grundlage für das Wohnhaus dienen konnten, entschieden sich die Verantwortlichen für einen Neubau – in gleicher Größe und an gleicher Stelle. Doch damit verletzten sie die geltenden gesetzlichen Vorgaben. Ein langjähriger Rechtsstreit begann.

Getroffen haben sich alle Beteiligten gestern wieder einmal vor Gericht, weil jetzt Ohmden gegen das Land geklagt hatte: Gisela Splett, Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, hatte im vergangenen April auf Drängen des Petitionsausschusses des Landtags die Baufreigabe verfügt und sich damit – so die Ohmdener Klage – über geltendes Recht und die Planungshoheit der Gemeinde hinweggesetzt. Bereits in einer Eilentscheidung am 18. Juni 2012 hatte das Verwaltungsgericht deutlich gemacht, dass es die Ohmdener Einschätzung teile – und hatte bis zur Hauptverhandlung den Baustopp verfügt.

Novelle des Baugesetzbuches ist angekündigt

Gestern nun machte der Richter Stefan Kuntze deutlich, dass das Verwaltungsgericht zwar grundsätzlich bei seiner Beurteilung bleibe. Angesichts dessen, dass es bereits in wenigen Monaten – voraussichtlich sogar noch im ersten Quartal dieses Jahres – eine Novelle des Baugesetzbuches geben soll und es sich andeute, dass dann auch im Außenbereich einer Kommune Neubauten anstelle von alten Scheunen genehmigungsfähig sein könnten, solle man diese Gesetzesänderung abwarten. Schließlich sei es der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, jetzt den Abriss für ein Haus zu verfügen, das wenige Monate später möglicherweise hätte erhalten bleiben können. Dabei, so Kuntzes Appell an den Ohmdener Bürgermeister Martin Funk, müsse man auch berücksichtigen, welche Folgen der Abriss für Margarete Rösch haben würde.

Funk jedoch zeigte sich unversöhnlich. Nach einer Beratung mit seinem Anwalt lehnte er den Vergleich ab. Daraufhin einigten sich auf Vorschlag Kuntzes die Rechtsanwältin des Landes und Margarete Rösch auf einen anderen Weg: Zunächst zog das Land seine Baugenehmigung zurück. Damit war die Klage der Gemeinde Ohmden erledigt. Dann schlossen die Juristin des Landes und Rösch den Vergleich.

Appell an die Kompromissbereitschaft

Ende Februar geht Stefan Kuntze in den Ruhestand. Es sei spannend, so sein Fazit am Ende des Prozesses, zu sehen, wie sich ein Gesetz im Lauf der Jahrzehnte verändere. Mit der nun gefundenen Lösung habe man sich „nichts verbaut“. Er appellierte vor allem an Martin Funk, sich kompromissbereit zu zeigen und den Weg für eine sinnvolle Lösung zu suchen. Kuntze wörtlich: „Ich wünsche Ihnen bei den weiteren Verhandlungen viel Erfolg.“

Kommentar: Engstirnig

Ohmden - Was ist bloß in Martin Funk gefahren? Mag ja sein, dass sich der Ohmdener Bürgermeister seinem Gemeinderat verpflichtet fühlt und meinte, vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht die ganz harte Linie gegen das Land und gegen die Bauherrin im Talhof, Margarete Rösch, fahren zu müssen. Doch klug beraten war er mit seinem Nein zum Vergleichsvorschlag nicht. Das engstirnige Beharren auf alten Positionen ist nicht nur beim Vorsitzenden des Gerichts, sondern auch bei den Beobachtern auf Unverständnis gestoßen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Rechtslage für Bauten im Außenbereich von Gemeinden in den nächsten Monaten ändern könnte, wäre es unverantwortlich, jetzt alles daran zu setzen, mit einem Abriss Tatsachen zu schaffen.

Rein rechtlich ist Funk momentan auf der sicheren Seite. Das hat ihm das Verwaltungsgericht bestätigt. Das politische Fingerspitzengefühl, das man von Bürgermeistern aber zu Recht erwartet, lässt er vermissen. Für die weiteren Gespräche über das Projekt ist das keine gute Basis.