Usain Bolt ist Olympiasieger. Wieder. Der Jamaikaner hat am Sonntagabend seinen Titel über 100 Meter in London souverän verteidigt und damit die alte Hackordnung in der Welt der schnellen Männer wieder hergestellt.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

London - Usain Bolt läuft einfach weiter. Immer weiter. Die Zielgerade liegt schon einige Meter hinter ihm. Er nimmt die Kurve und lässt es auslaufen. Dann, angekommen auf der Gegengeraden des Olympiastadions, ist es soweit: seine Geste. Er macht den Bolt, sein Markenzeichen. „Usain, Usain“, skandieren die Zuschauer begeistert. Sie huldigen dem schnellsten Menschen der Erde, dem Superstar der Leichtathletik.

 

Usain Bolt ist Olympiasieger. Wieder. Der Jamaikaner hat am Sonntagabend seinen Titel über 100 Meter in London souverän verteidigt. Der Weltrekordler gewann in 9,63 Sekunden vor seinem Landsmann Yohan Blake (9,75) und dem Amerikaner Justin Gatlin (9,79). „Wenn es um Titel geht, bin ich da“, sagt Bolt. Er hat die alte Hackordnung in der Welt der schnellen Männer wieder hergestellt, nachdem er bei den jamaikanischen Trials von Blake über 100 und 200 Meter geschlagen worden war. Insgesamt blieben in dem mit Spannung erwarteten Finale sieben der acht Sprinter unter zehn Sekunden. Rekord.

Zu kühl für Fabelzeiten

Weltrekord? Kaum eine Frage ist öfter gestellt worden als diese in den Tagen vor dem Finale. Die klimatischen Bedingungen galten als nicht optimal, zu kühl für Fabelzeiten. 18 Grad hatte es gestern, zumindest war es trocken. Vielleicht 9,7 Sekunden, sagte der Amerikaner Tyson Gay. Doch als die ersten Sprinter ihre 100 Meter hinter sich gebracht hatten, klang das anders. Alle schwärmten von der schnellen Bahn im Olympiastadion. Geschaffen für Rekorde.

Im Halbfinale lief Gatlin locker 9,82 Sekunden. Blake sprintete 9,85 Sekunden. Bolt joggte in 9,87 Sekunden. Eine Zeit von 9,4 Sekunden halten manche für möglich. Nahe an dem Bereich, den Wissenschaftler als das Ende der Entwicklung sehen. Wobei sich auch da die Wissenschaft uneins ist. Die einen sitzen im Labor und rechnen, die anderen sind draußen und rennen und halten sich nicht immer an Statistiken, verschieben die Grenzen. Bolt hatte gemutmaßt: „Es wird das schnellste Rennen der Geschichte.“ Er hat Recht behalten.

Stille herrscht

Das Ballyhoo endet. Die Gladiatoren betreten die Arena. Die Rivalen der Rennbahn. Es ist 21.47 Uhr in London. Wehe, wenn sie losgelassen werden. Blitzlichtgewitter. Das Publikum johlt bei der Vorstellung. Alle erwarten Großes. Und Schnelles. Zwei Millionen Menschen wollten Tickets für diesen Abend haben. All die Worte, all das Gerede – vorbei. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem all das nichtig ist. Jetzt zählen nur noch die Beine. Die einzige Sprache, die wirklich zählt in der Formel 1 auf Füßen. Das Bohei verdichtet sich in diesen Augenblicken auf wenige Sekunden. Das schnellste Feld der Leichtathletik-Geschichte steht bereit zum Showdown.

Stille. „Quiet for the start, please“, steht auf der Anzeigetafel im Olympiastadion. 21.51 Uhr. Ein Schuss. Die Masse explodiert. 80 000 Zuschauer grölen. Ein Trommelfeuer der Schritte. Blake auf Bahn fünf. Bolt auf Bahn sieben. Sie liegen dicht beisammen. Dann kommt Bolt. Er zieht davon. Der Vorsprung wird größer. Er ist im Ziel. 9,63 Sekunden. Gold. Olympiasieger. Er hat es allen gezeigt.

Auf dem Weg zur Legende

Am Nachmittag hatte derweil im Londoner Regen Irina Mikitenko im Marathon den 14. Platz belegt. „Ich bin einfach nur enttäuscht“, sagte die 39-Jährige, die 2008 und 2009 den London-Marathon gewonnen hatte. Es siegte Tiki Gelana aus Äthiopien in 2:23,07 Stunden, Mikitenko kam 3:37 Minuten später ins Ziel. Der unterschenkelamputierte Oscar Pistorius (Südafrika), um dessen 400-Meter-Start es weiterhin große Diskussionen gibt, schied im Halbfinale als Letzter seines Laufes aus. Carsten Schlangen verpasste über 1500 Meter den Endlauf.

Im Stabhochsprung der Frauen sind heute in Silke Spiegelburg, Martina Strutz und Lisa Ryzih drei Deutsche dabei. Über 3000 Meter Hindernis starten Gesa Felicitas Krause und Antje Möldner-Schmitt. Seinen ersten Auftritt hat heute zudem der Diskuswerfer Robert Harting in der Qualifikation. Auch im Kugelstoßen der Frauen mit Nadine Kleinert steht der Vorkampf an.

Usain Bolt ist derweil auf dem Weg zur Legende. So, wie er es immer wollte.