Das Oktoberfest Nummer 182 wird anders: Am Hauptbahnhof kreuzen die Besucherströme die Wege der Flüchtlingsströme, und neben den Erstaufnahmestellen werden Buden errichtet, die Billig-Dirndl verkaufen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Wolfgang Fiereks neues Album heißt „Sweet Home Bavaria“. Der Teilzeitmusiker und Schauspieler Fierek war einmal der Tierpark-Toni in Helmut Dietls unsterblicher Serie „Monaco Franze“: ein schlitzohriger, goscherter Ganove, der bei Bedarf zur Gaudi oder zum Erschrecken der Leute rings um ihn eine sehr lebendige weiße Maus namens Mimi aus der Manschette rausschauen ließ. Nun ist der Dietl auch schon tot, Ende März ist er gestorben, aber der amerikaaffine Harley-Fahrer Fierek macht weiterhin sein Ding. Schon am Wiesn-Vorabend lässt er’s im Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz in München krachen. Süße Heimat, Bayern, wie gesagt, Westcoast goes Zugspitze, in der Art. Und das Oktoberfest, Nummer 182 in der Historie, kann kommen. Muss ja, irgendwie. Aber halt wirklich nicht: wie immer.

 

Grad ein paar Hundert Meter Luftlinie vom Stiglmaierplatz entfernt liegt der Hauptbahnhof, wo seit Wochen Zelte stehen, in denen nicht gezecht, sondern manchmal ganz profan ums Überleben gekämpft wird. Bekanntermaßen langen hier, wenn auch in geringerer Zahl in den letzten Tagen, Menschen an, die haben keinen Schädel oder partiellen Kreislaufschaden vom Saufen, sondern kollabieren, weil sie’s mit letzter Kraft hierhin gepackt haben. Mittlerweile mögen die Flüchtlinge eine leise Vorahnung haben, was zeitgleich in den nächsten zweieinhalb Wochen stattfindet, wiederum nur einen Kilometer vom Bahnhof entfernt: Am Samstag beginnt auf der Theresienwiese der Welt größtes Volksfest, das sich an 16 Tagen schon mal auf sechs Millionen Besucher mindestens einstellen darf. Gerade erst aufgestellte Buden neben den Erstaufnahme- und Versorgungsstellen garantieren einen Gewandwechsel in letzter Minute: Billigdirndl und lottrige Lederhosen sind im Angebot. Erst der Ramsch, dann der Rausch, in vielen Fällen jedenfalls läuft es so.

Bayerische Bierruhe bei den Behörden

Gleichwohl schauen die zuständigen Münchner Behörden mit einer gewissen nüchternen bayerischen Bierruhe den Dingen ums Oktoberfest entgegen, was sollen sie auch anders tun? Von einer „Krisen-Wiesn“, sagt der zuständige Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle, sei München meilenweit entfernt. Das Flüchtlingsaufkommen führe lediglich zu einer „kleinen Besonderheit“: die Wege der Festbesucher und der Asylsuchenden würden getrennt, soweit es eben möglich sei.

Das ist, wie ein Blick auf den Starnberger Bahnhof zeigt, wo das halbe Oberland von nun an zum Feiern eintrifft, wahrscheinlich leichter gesagt als getan, und Blume-Beyerle ist sich auch darüber im Klaren, dass die Steuerung einer Menge von, euphemistisch gesagt, „gut gelaunten Gästen“ schwieriger werde als die von „lauter Liegenschaftsbeamten“. Zusätzlich 500 Züge, wo immer sie noch herkommen in diesen Zeiten, erreichen den Hauptbahnhof während der Wiesn. Zwei Millionen Menschen benutzten dieses Transportmittel. Sie wollen ja was trinken. Vorsichtig, aber dringlich formuliert der Staatskanzleichef Marcel Huber von der CSU seine Botschaft. Mit „Folklore“ allein und gutem Willen sei es wohl nicht getan. Münchner und bayerische Polizei sowie die Bundespolizei werden ihr Möglichstes tun müssen. Wieder mal.

Geld ist auf dem Oktoberfest ein entscheidender Faktor

Dass es die Flüchtlinge auf die Wiesn drängen könne, findet Blume-Beyerle als Annahme absolut „lebensfremd“. Zumal auf dem Oktoberfest Geld wahrlich ein entscheidender Faktor ist. Eine Maß Bier kostet mehr als zehn Euro, eine Brezn üppige fünf Euro, 500 Euro pro Person verlangt derzeit auf dem Schwarzmarkt die Gaunergilde für eine feste Reservierung, deren Weiterverkauf auf diesem Weg selbstverständlich strafbar ist.

Immerhin hat, wie schon mal gemeldet, der gemeine Münchner unterdessen die Chance erhalten, nach Vorlage seines Personalausweises, der ihn als Hiesigen ausweist, ein Platzrecht in der Früh und bis in den Nachmittag hinein geltend zu machen. Das könnte, ja müsste zu einer relativen Entspanntheit unter den örtlichen Oktoberfest-Gästen führen, von denen nicht wenige in der letzten Zeit unter Beweis gestellt haben, dass sie so sind, wie sich alle immer das Oktoberfest wünschen: offen, friedliebend und großzügig. Mithin,  und um schon einmal das frühere Mantra des ehemaligen Oberbürgermeisters Christian Ude beim Anstich zu beschwören: „Auf eine friedliche Wiesn!“