Der Hemdenhersteller Olymp aus Bietigheim-Bissingen leidet unter der Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar und der Abwertung des russischen Rubel. „Da hat sich die Welt in den vergangenen zwölf Monaten massiv zu unserem Nachteil verändert“, sagt der Firmenchef Mark Bezner im Interview mit der Stuttgarter Zeitung

Stuttgart – - Der Hemdenhersteller Olymp sieht sich mit seinen langfristigen Produktionspartnerschaften in Asien als Vorreiter in der Bekleidungsbranche. Im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung erläutert Olymp-Chef Mark Bezner, wieso das Familienunternehmen aus Bietigheim nach Myanmar zurückgekehrt ist und den Standort Vietnam bald aufgeben könnte.

 
Herr Bezner, die Europäische Union hat ihre Sanktionen gegen Russland gerade um sechs weitere Monate bis ins Jahr 2016 hinein verlängert. Was halten Sie davon?
Die Sanktionen der EU sind nachvollziehbar. Ich bin nicht prinzipiell dagegen, nur weil die Folgen mich als nach Russland exportierenden Familienunternehmer der Bekleidungsbranche persönlich treffen. Die wirtschaftliche Entwicklung dort ist durch die Sanktionen deutlich gebremst worden. Das belastet uns erheblich.
Welche Bedeutung hat der russische Markt für Olymp und wie sind Sie konkret von den Sanktionen betroffen?
Wir haben unseren russischen Markt über viele Jahre hinweg aufgebaut. Die Marke Olymp ist vielen Russen ein Begriff, den sie mit Qualität und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis verbinden. Durch die Abwertung des Rubels sind unsere Hemden, Krawatten und Strickwaren für den russischen Kunden teurer geworden. Wir spüren eine deutliche Kaufzurückhaltung.
Können Sie das in Zahlen ausdrücken?
Russland war 2014 der zweitgrößte Absatzmarkt nach Deutschland, wo wir immer noch zwei Drittel unseres Umsatzes machen. Im vergangenen Jahr haben wir in Russland etwa acht Millionen Euro erwirtschaftet. Gleichzeitig ist der Anteil unserer Exporte an den Fachhandelsumsätzen, die auf Russland und seine Nachbarstaaten entfielen, von rund 19 auf 16 Prozent gesunken. Mittlerweile spüren wir die Entwicklung noch deutlicher: Beim Auftragseingang für die kommende Herbst-/Winter-Kollektion haben wir Einbußen von 26 Prozent auf dem russischen Markt gehabt. Das klingt viel, doch andere Wettbewerber, die den Markt nicht so konsequent und professionell bearbeiten, hat es noch schwerer getroffen. Für die kommende Frühjahr/Sommer-Kollektion 2016 rechne ich noch einmal mit einem Einbruch um etwa ein Viertel der Orders. Zum Glück können wir diesen Rückgang mit überproportionalen Zuwächsen in anderen Absatzregionen ausgleichen. Wir verzeichnen beispielsweise Steigerungen in den wichtigen westeuropäischen Märkten Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und Frankreich.
Wie hat sich Ihr Geschäft im ersten Halbjahr entwickelt und was erwarten Sie für das Gesamtjahr?
Nach dem dynamischen Wachstum des Vorjahres, in dem wir den Umsatz um elf Prozent auf 225 Millionen Euro ausbauen konnten, sind wir auch in diesem Jahr gut unterwegs. Wir rechnen für das erste Halbjahr 2015 (30. Juni) mit einem Umsatz von knapp 112 Millionen Euro. Das wäre ein Anstieg um etwa sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr erwarte ich ebenfalls ein Wachstum im hohen einstelligen Prozentbereich. Zu einem erneut zweistelligen Wachstum wird es, zumindest prozentual betrachtet, wohl nicht wieder reichen. Das liegt nicht nur an Russland, auch in Deutschland entwickelt sich der Markt nur schleppend. Der Ausbau des Exports bleibt daher für uns ein wichtiges strategisches Ziel.
Dabei könnte das Konsumklima kaum besser sein.
Das geht leider weitgehend an der Bekleidungsbranche vorbei. Die hat im ersten Quartal 2015 fünf Prozent weniger Umsatz gemacht. Die Konsumenten geben ihr Geld lieber für Smartphones oder Kurzreisen aus als für ein neues Hemd. Trotzdem legt Olymp zu.
Nicht nur der Rubelkurs, auch die heimische Währung bereitet Ihnen Sorgen.
Der schwache Euro, der auf der einen Seite gut für die deutsche Exportwirtschaft ist, belastet uns als Importeur von Rohstoffen und Konfektionswaren vor allem aus asiatischen Ländern erheblich auf der Beschaffungsseite. Wir beziehen die meisten unserer Stoffe aus China und lassen zu mehr als 80 Prozent in Asien verarbeiten. Unsere Rechnungen bei den Lieferanten dort müssen wir in US-Dollar bezahlen; doch für die fertigen Waren erhalten wir später einen vergleichsweise schwachen Euro. Da hat sich die Welt in den vergangenen zwölf Monaten massiv zu unserem Nachteil verändert.
In welchen Ländern lassen Sie Ihre Hemden fertigen?
Wir haben langfristige Partnerschaften mit sieben Fabriken: zwei in Mazedonien und jeweils eine in Kroatien, Indonesien, Vietnam, China und Bangladesch. Mit der kroatischen Fabrik sind wir seit 40 Jahren verbunden, mit der indonesischen seit 25 Jahren. Außerdem bauen wir seit wenigen Wochen ein achtes Werk in Myanmar auf.
Wie muss man sich das vorstellen?
Wir richten eine Produktionslinie nach der anderen ein und schulen die Mitarbeiter parallel dazu. Unser Ziel sind acht Produktionslinien, in denen später einmal 1200 Beschäftigte zwei Millionen Hemden im Jahr herstellen sollen.
Gehen Sie nach Myanmar, weil dort die Löhne noch geringer sind als in Bangladesch?
Der Hintergrund ist ein anderer. Es fällt uns immer schwerer, noch Arbeitskräfte in den Ländern zu finden, in denen wir sind. Speziell in Vietnam wird das zum Problem, da schon jetzt viele Produktionen aus China in dieses im Verhältnis dazu kleine Land verlagert werden. Da bauen koreanische Konzerne neue Fabriken, in denen 100 000 Menschen beschäftigt sein sollen – und gleichzeitig laufen uns die Mitarbeiter weg. Wenn das so weitergeht, werden wir uns irgendwann wieder aus Vietnam zurückziehen müssen, wie wir und praktisch die gesamte Textilbranche es in Hongkong und Taiwan längst getan haben. Dort finden sie heute keine Näherei mehr.
Sie waren bereits einmal in Myanmar. Wieso sind sie damals dort weg?
Das stimmt, wir sind zu Beginn des Jahrtausends ins Land gegangen, aber nur fünf Jahre geblieben. Weggegangen sind wir nicht aus qualitativen Gründen. Aber damals waren weder wir noch unser Partnerbetrieb vor Ort in der Lage, die logistischen Herausforderungen zu lösen. Es gab zum Beispiel immer wieder Produktionsverzögerungen, weil die Rohware im Zoll stecken geblieben ist. Wenn die Ware nicht pünktlich verschifft werden kann, weil die Knöpfe nicht rechtzeitig in die Fabrik gekommen sind, nützt ihnen der beste Betrieb nichts. Heute ist die Infrastruktur viel besser, außerdem sind die politischen und wirtschaftlichen Risiken nach der Öffnung des Landes in den vergangenen Jahren erheblich gesunken. Wir sind überzeugt, dass es diesmal eine beständigere Kooperation werden wird. Sonst würden wir nicht unser ganzes Know-how an den neuen Standort transferieren. Wir bringen den Mitarbeitern von Grund auf bei, wie man ein hochwertiges Olymp-Herrenhemd produziert.
Sie legen großen Wert darauf, nur wenige und vor allem langfristige Partnerschaften einzugehen. Wie gewährleisten sie dabei nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch die Einhaltung der sozialen und ökologischen Standards?
Wir haben beispielsweise immer eigene Mitarbeiter vor Ort, die beides überwachen. Außerdem lassen wir die Betriebe im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens von unabhängigen Prüfinstituten wie der Social Accountability International (SAI) oder der Business Social Compliance Intitiative (BSCI) kontrollieren und auditieren. Wir sind als mittelständisches Unternehmen in dieser Hinsicht bereits gut aufgestellt und sehen uns durchaus als Vorreiter in der Branche. Wir wissen aber auch, dass wir uns kontinuierlich weiter verbessern müssen.
Welche Schritte unternehmen Sie dazu?
Wir sind beispielsweise als eines der ersten Unternehmen dem vom Bundesentwicklungsminister Gerd Müller initiierten Textilbündnis beigetreten. Darin verpflichten sich Hersteller zur Einhaltung von umfassenden Transparenzpflichten, etwa zur Offenlegung der kompletten Lieferkette. Wir setzen schon heute auf direkte, enge und dauerhafte Beziehungen zu sorgfältig ausgesuchten Produktionspartnern. Die Untervergabe von Aufträgen schließen wir grundsätzlich aus, während viele Konkurrenten am Markt nach wie vor auf Strukturen mit Subunternehmern setzen, die die Tür für Missbrauch und die Ausbeutung von Arbeitskräften öffnen.
Verfahren andere europäische oder amerikanische Hersteller nicht auch ungefähr nach diesen Prinzipien. Wodurch heben sich Sie dann noch ab?
Wir betreiben eben keine Auftragsfertigung, bei welcher die Aufträge in einer Art Internetauktion an den preisaggressivsten Anbieter vergeben werden. Stattdessen kaufen wir unsere Stoffe selbst ein, wir stellen alle Zutaten bis hin zum Nähgarn bereit und unterstützen die Fabrikanten bei der Anschaffung der Maschinen. Außerdem planen wir die Produktion bis ins letzte Detail hier vor Ort in Bietigheim. Und wir sind überzeugt, dass nur gut ausgebildete, zufriedene und gesunde Mitarbeiter dauerhaft eine hohe Qualität fertigen können.
Sie sind offensichtlich sehr eng mit den Fabriken verflochten. Wieso eröffnen Sie nicht gleich eigene Werke in den Zulieferländern?
Das haben wir schon getan, zum Beispiel mit Olymp of Manila, die bis Mitte der achtziger Jahre existierte. Wachsende politische Spannungen auf den Philippinen haben dann allerdings dazu geführt, dass wir keine Ware mehr pünktlich produzieren und ausliefern konnten. Am Ende waren wir zum Notverkauf der Fabrik gezwungen. Dieses Risiko wollen wir heute nicht mehr eingehen. Ganz abgesehen von solchen Unsicherheiten ist es für ein ausländisches Unternehmen schon extrem schwer, eine eigene Fertigung aufzubauen. Etwa bei der Suche nach Fach- und Führungspersonal haben lokale Fabrikanten, die in der Region verwurzelt und mit den Gegebenheiten vertraut sind, einfach mehr Kompetenzen. Wir tun das, was wir am besten können – nämlich entwickeln, planen und verkaufen – mit inzwischen mehr als 700 Mitarbeitern hier in Deutschland und weiter steigender Belegschaft.