Drei Olympische Winterspiele und zwei Nordische Ski-Weltmeisterschaften: Seefeld ist eine Wintersport-Hochburg. Doch die zunehmend wärmeren Winter erfordern besondere Maßnahmen, damit die Athleten auch künftig im Tiroler Langlaufzentrum die Bretter anschnallen.

Seefeld - An Wunder glauben sie in Seefeld gern. Denn seit Ende des 14. Jahrhunderts ist die Kirche zum Heiligen Oswald ein Wallfahrtsort. In der gotischen Kirche soll sich 1384 der Sage nach Unglaubliches zugetragen haben. Der größenwahnsinnig gewordene Ritter Oswald Milser bedrohte den Pfarrer bei einer Messe mit dem Schwert und forderte ihn auf, ihn mit einer großen Hostie zu speisen. Doch das große Gebäck ist eigentlich dem Priester vorbehalten. Als der um sein Leben fürchtende Pfarrer ihm die Riesenhostie in den Mund steckte, tat sich angeblich der Boden unter dem Ritter auf, und er drohte in den weich wie Wachs gewordenen Steinplatten zu versinken. Erst als der Priester die große Hostie, die sich blutrot gefärbt hatte, wieder zurückzog, verfestigte sich der Boden und Oswald überlebte. Reumütig kam er zur Besinnung und wurde fortan ein besserer Mensch.

 

Alois Seyrling, der Chef des an die Kirche angrenzenden Hotels Klosterbräu, führt seine Gäste gerne zum heutigen Pfarrer Egon Pfeiffer und lässt diesen das Hostienwunder noch einmal im Angesicht der Reliquienmonstranz erzählen. Doch wenn es um die Gegenwart geht, will sich Seyrling – in Personalunion auch Obmann der Olympiaregion Seefeld – nicht alleine auf Wunder verlassen. Denn die Gemeinde hat ein ganz irdisches Problem. Wie viele unterhalb von 2000 Meter liegenden Wintersportorte kämpfen auch die Tiroler seit Jahren mit Schneemangel.

Dabei hat Seefeld eine große Tradition. Hier raste schon in den 1930er Jahren der legendäre Toni Seelos die Hänge hinunter. Das Slalomgenie gilt als Erfinder des Parallelschwungs und hatte eine Skischule in Seefeld gegründet. Doch erst der Langlauf verhalf den Tirolern zum Aufstieg in die Champions League des Wintertourismus. 1964 und 1976 wurden in Seefeld die nordischen Wettbewerbe der Olympischen Winterspiele von Innsbruck ausgetragen. 2012 folgten die Olympischen Jugend-Winterspiele. 2019 wird die Region zudem nach 1985 zum zweiten Mal Austragungsort der Nordischen Ski-WM. Kein Wunder, dass Seefeld in aller Welt zum Begriff wurde. Schon 1970 übernachteten mehr als eine Million Menschen in der kleinen Gemeinde, die heute knapp 3400 Einwohner hat. Und wie in Cortina d’Ampezzo, Chamonix und Sankt Moritz schaut auch hier gerne mal der Jetset vorbei. Zuletzt erst Barbara Becker beim 500-Jahr-Jubiläum des Hotels Klosterbräu, in dem auch schon früher mit Josephine Baker und Udo Jürgens die Stars ein und aus gingen.

Doch die selbst ernannte Olympiaregion Seefeld, am Hochplateau auf 1200 Meter gelegen, muss um ihr nordisches Zentrum kämpfen. Zu viel wurde hier schon investiert: 279 Kilometer Loipen gibt es in der näheren Umgebung, eine der modernsten Biathlonanlagen Europas, zwei neue Sprungschanzen und eine Rollerskistrecke für das Sommertraining. Nur der Schnee macht sich zunehmend rar. Deshalb baute Seefeld 2015 erstmals eine Schneefarm, im Fachjargon Snowfarming-Projekt genannt. Seither werden in jeder Wintersaison rund 6000 Kubikmeter Kunstschnee produziert und im März dann ohne Einsatz von Chemie am Hang der Sprungschanze konserviert. Bei dieser Methode wird der Schnee unter eine riesigen Schicht Holzschnitzel gelagert, um ihn vor Sonne und Regen zu schützen.

Ein neues Verkehrskonzept zur WM 2019

Bürgermeister Werner Frieser betont: „Das Ziel ist es, Seefeld auch künftig jedes Jahr von November an schneesicher mit optimalen Wettkampfbedingungen zu machen.“ Der Schnee, der in der Snowfarm über den Sommer gerettet wird, reicht, um auf einer 1,5 Kilometer langen und sechs Meter breiten Kunstschnee-Loipe trainieren zu können – sowohl im Skating als auch im Klassik-Stil. Zwei Wendepunkte ermöglichen zudem das Langlaufen im Gegenverkehr.

Seyrling weiß, wie wichtig der Hochleistungssport für Seefeld ist. Ohne die Olympischen Spiele hätte der Ort nicht eine für seine Größe fulminante Fußgängerzone und wohl auch kein Casino. Die sportlichen Großereignisse, so der Obmann, seien „der Grundstein gewesen für die ausgezeichnete Sport- und Urlaubsinfrastruktur“. Und es geht weiter: Zur WM 2019 gibt es ein neues Verkehrskonzept, einen neuen Bahnhof, 360 Kilometer auch im Winter präparierte Wanderwege und weitere Beschneiungsanlagen. Denn trotz schneearmer Winter braucht Seefeld den Ganzjahrestourismus, um im Konzert der erfolgreichen Destinationen weiter mitspielen zu können.