Bei der „Opernwelt“-Umfrage teilen sich Frankfurt und Mannheim den Titel „Opernhaus des Jahres“. Stuttgart punktet mit drei ersten Plätzen, darunter der „Aufführung des Jahres“.

Stuttgart - Das hat es erst einmal, 2007, gegeben bei der Jahresumfrage der Fachzeitschrift „Opernwelt“: zwei Städte teilen sich den Titel „Opernhaus des Jahres“. Nun haben es die Voten von fünfzig Kritikern zur Spielzeit 2014/15 wieder ergeben – und das Ergebnis hat eine gewisse Logik, denn beide Häuser, die Frankfurter Oper und die Opernsparte des Nationaltheaters Mannheims, stehen für ein ähnliches Modell: starke Intendanten, erfolgreiche Ensemblepolitik und ein farbiger Spielplan mit Novitäten und Uraufführungen. Und da die schwer herzustellende Balance von szenischem Anspruch und musikalischer Gründlichkeit oft gelingt, sind dort bemerkenswerte Produktionen zu erleben. Zuletzt in Mannheim etwa Franz Schrekers „Ferner Klang“ in einer fesselnden Inszenierung von Tatjana Gürbaca und opulent dirigiert vom Chefdirigenten Dan Ettinger.

 

Die Auszeichnung stellt den Intendanten, die beide einen langen Lauf an ihren Häusern haben, ein exzellentes Profil aus. Bernd Loebe amtiert seit 2002 in Frankfurt, Klaus-Peter Kehr seit 2005 in Mannheim. Offene Reibereien wie anderswo mit den Generalmusikdirektoren gibt es bei ihnen nicht – und die zwei Bühnen sind mit ihren Spielplänen fest in der Stadtgesellschaft verwurzelt.

Gleich drei erste Plätze für Stuttgart

Der Erfolg des Hauses im Norden Baden-Württembergs kommt nicht von ungefähr: schon bei der Umfrage 2013 lag Mannheim knapp auf dem zweiten Platz. Ein feines Zeugnis auch für die gemeinsame Kulturpolitik von Stadt und Land – beim Vierspartenhaus gibt allerdings die Kommune bei der Finanzierung gut das zweieinhalbfache des Landesanteils.

Der Erfolg der Umfrage setzt sich in Stuttgart fort. Die Staatsoper kann gleich drei erste Platzierungen auf sich vereinen, von denen die „Aufführung des Jahres“ heraussticht. Wolfgang Rihms Kammeroper „Jakob Lenz“ zum Auftakt der Stuttgarter Spielzeit hat in der beklemmenden Übersetzung von Andrea Breth auf die große Bühne offenkundig nicht nur die hiesigen Operngeher begeistert als eine dieser Aufführungen, bei der alles ideal zusammenfiel: die genaue szenische Arbeit der Regie, Martin Zehetgrubers ins Surreale ausgreifendes Bühnenbild, die musikalische Umsetzung. Die elf Mitglieder des Staatsorchesters unter der Leitung von Franck Ollu realisierten Rihms Werk wie auf dem Sprung, treibend, mit körniger Schwärze und unterstrichen so die eminente Qualität der Partitur und damit des Theaterwerks, das seit seiner Uraufführung 1979 in Hamburg fester Bestandteil der Spielpläne ist.

Im Mittelpunkt der Aufführung stand Georg Nigl mit seiner überragenden Darstellung der Titelfigur. Kein Wunder, dass er bei der Umfrage die meisten Stimmen erhielt und zum „Sänger des Jahres“ gekürt wurde. Nigl hat sich in den vergangenen Jahren als Schmerzensmann der Oper profiliert, als eindringlicher Wozzeck- und Orfeo-Darsteller, als Dionysos in Rihms’ jüngster Oper. Auch im „Jakob Lenz“ hat er wieder mit unbedingter Entäußerung und dem Mut zum Extremen eine außergewöhnliche Leistung in einem Opernbetrieb gezeigt, in dem viele Sänger sich auf oftmals routinierte Ausdrucksparameter beschränken, szenisch lieber auf Nummer sicher fahren. Wenn er auch nicht fest zum Stuttgarter Haus gehört, ein wenig hat er sich an die Stadt gebunden: Seit dem Wintersemester 2014 hat er eine Professur für Gesang an der Hochschule Musik und Darstellenden Kunst inne.

Nach 250 Jahren wieder auf der Bühne

Die dritte Auszeichnung schließlich fällt an Stuttgart für die „Entdeckung des Jahres“. Im Februar hatte Niccolò Jommellis „Berenike, Königin von Armenien“ Premiere, inszeniert vom Hausherrn Jossi Wieler mit dem bewährten Partner Sergio Morabito. Nach 250 Jahren fand „Il Vologeso“, so der Originaltitel des vom württembergischen Herzog Carl Eugen beauftragten Werks, wieder auf eine Theaterbühne. Auch wenn es nicht unbedingt eine der bestrickendsten Regietaten des Regieteams war, auch Gabriele Ferros musikalische Einstudierung eher redlich und engagiert als historisch informiert ausfiel: die Auszeichnung ist berechtigt, denn so viel Substanz hat staubige Archivware nicht oft aufzuweisen.

Gute Bekannte finden sich dagegen bei den Titeln „Regisseur, Dirigent und Orchester des Jahres“: Zum dritten Mal nach 2005 und 2008 geht die Auszeichnung an Hans Neuenfels, zum vierten Mal nach 2007, 2009 und 2014 an den Münchner Musikchef Kirill Petrenko sowie an sein Bayerisches Staatsorchester. Von den Qualitäten der „Sängerin des Jahres“ konnte man sich jüngst in Stuttgart bei einem „Idomeneo“ überzeugen: Marlis Petersens singdarstellerische Klasse bewies sie bei einer konzertanten Aufführung des Musikfests mit Furor.