Tarnnamen und neue Legenden gelten als bewährte Mittel, um gefährdete Zeugen zu schützen. Seit Jahresbeginn wendet die Polizei diese Instrumente nun auch bei Opfern von Gewalt an.

Stuttgart - Opfer von schwerer Beziehungsgewalt, von Menschenhandel oder sogenannten Stalkern haben seit Jahresbeginn die Chance, unter einen erweiterten Schutz der Polizei zu gelangen. „Wir haben erkannt, dass diese Opfer häufig mit einer höheren Gefährdung leben müssen als so mancher Zeuge im Zeugenschutzprogramm“, sagte der zuständige Abteilungsleiter des Landeskriminalamts, Robert Ullrich, unserer Zeitung. Wenn klassische Mittel wie Platzverweise oder Frauenhäuser nicht wirksam genug seien, müssten die Instrumente des Zeugenschutzes greifen – auch wenn dieser Personenkreis keine schwer wiegenden Aussagen als Zeugen machen könnten.

 

Ullrich zufolge hat das Land deshalb ein zweijähriges Pilotprojekt für den sogenannten Operativen Opferschutz eingerichtet: „Bei dem wenden wir, falls notwendig, dasselbe Instrumentarium an wie beim Zeugenschutz.“ Dazu gehören auch die Vermittlung neuer Papiere und andere Tarnmaßnahmen. Mittlerweile gebe es eine bundeseinheitliche Definition und Richtlinien für den Operativen Opferschutz, sagte der Kriminalbeamte. Das LKA bearbeite im Land zentral die Fälle, die unter die Definition fallen.

Wie viele dafür in Frage kommen, ist derzeit noch unklar. Aufgrund langjähriger Erfahrung rechnet Ullrich für den Südwesten mit vier bis sieben pro Jahr. Die Dunkelziffer sei aber erheblich: „Es wäre hilfreich, wenn hoch gefährdete Opfer von unseren Hilfsmöglichkeiten wüssten.“ Auch Mitglieder von Familien mit einem archaischen Ehrenkodex, denen Tod oder Zwangsverheiratung drohen, seien potenziell betroffen, sagte Ullrich. Viele Opfer hätten ein langjähriges Martyrium durchlebt und seien in größter Gefahr: „Da hilft nur eine neue Identität und ein neues Leben.“