Es ist eine unerwartete Wendung im Streit des Wasserverbands Murrtal mit Jürgen Küenzeln: Eine neue Variante des geplanten Rückhaltebeckens soll ermöglichen, dass die Rüflensmühle auch künftig Strom produzieren kann.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Oppenweiler - Die Pläne des Wasserverbands Murrtal hatten in Oppenweiler für ordentlich Wellenschlag gesorgt. Nun indes hat der Verband, dessen Vorsitzender der Schultes von Oppenweiler, Steffen Jäger ist, eine unerwartete Wende vollzogen und neue Pläne für das geplante Rückhaltebecken am Ortsrand vorgelegt. Anders als bis dato geplant, soll der Besitzer der Rüflensmühle, Jürgen Küenzlen, auch in Zukunft seine Wasserkraftanlage betreiben können. Jäger erklärt mit Blick auf den jetzt einstimmig gefassten Beschluss: Dem Wasserverband scheine gelungen zu sein, durch das eigene gewässerökologische Gutachten den bestehenden Streit aufzulösen und eine Kompromisslösung zu entwickeln. Die neue Variante des Regenrückhaltebeckens ermögliche Herrn Küenzlen sogar, wie von ihm beabsichtigt, seine Wasserkraftanlage auszubauen.

 

Zunächst hatte der Verband geplant, einen komplett neuen Murrarm anzulegen und das Wasser an der Mühle vorbei zu leiten. Küenzlen hätte für den Verlust des alten Wasserrechts finanziell entschädigt werden sollen, er hatte aber angekündigt dagegen bis in die letzte Instanz zu klagen. Nun will der Verband den Lauf der Murr so belassen, wie er ist. Eine Verlegung des Murrbetts wird nicht mehr angestrebt. Es ist geplant, eine sogenannte Flutmulde anzulegen, die nur bei Hochwasser überschwemmt werden soll. Das Rückhaltebecken soll nach wie vor rund sieben Millionen Euro kosten. Jäger spricht mit Blick auf die Umplanungen von „vertretbaren Mehrkosten“ – vermutlich weniger als ein Prozent der Gesamtsumme.

Eine öffentliche Schlammschlacht

Jürgen Küenzlen ist zunächst einmal sehr zufrieden, sagt indes auch: Er habe „die Grundzüge“ der heutigen Variante bereits 2011 vorgeschlagen. Der Wasserverband habe im März 2012 aber „mit großem Tamtam“ abgelehnt. Er und der Verband hätten sich anschließend „eine öffentliche Schlammschlacht“ geliefert (wir berichteten). „Das hätte vermieden werden können“. Rundum zufrieden scheint der Mühlenbesitzer aber noch nicht zu sein. Die Herrschaften vom Wasserverband hätten die Vision, „dass ich den gesamten Umbau im Altarm der Murr allein machen und bezahlen soll, was ich ganz sicher nicht tun werde“. Er habe eine finanzielle Beteiligung angeboten, „für mich sind 50 000 Euro richtig viel Geld“, die ganz großen Konzerne im Ort, deren Gebäude nah an der Murr stehen, bekämen den Hochwasserschutz dagegen gratis. Küenzlen: „Es wird also noch einige Diskussionen geben.“

Bürgermeister Jäger indes spricht von einer „sauberen Lösung“. Der Verband kümmere sich um den Bau des Rückhaltebeckens. Herr Küenzlen müsse alle Umbaumaßnahmen bezahlen, die für seine Wasserkraftanlage erforderlich seien.

Oppenweiler kauft das Haus der Familie Lind

Geeinigt hat sich die Gemeinde Oppenweiler auch mit der Familie Lind, die sich wegen der innerörtlichen Bauprojekte zum Hochwasserschutz ebenfalls heftig mit der Gemeinde gestritten hatte. Oppenweiler kauft nun das Haus der Familie, das auf einem akut gefährdeten Grundstück steht. Die Lindes waren beim Bau der Schutzwälle und -dämme nicht berücksichtigt worden, weil – so die Ansicht der Gemeinde – bereits beim Bau des Hauses in den 1950er-Jahren klar gewesen sei, dass es im Überflutungsgebiet stehe.

Auch die Linds hatten – wie berichtet – angekündigt zu klagen. Jäger spricht von einer „einvernehmlichen Lösung“, über alle Details sei auf Wunsch der Familie Stillschweigen vereinbart worden. Im Sommer hatte Dieter Lind, der Sohn der Besitzer, erklärt, die Gemeinde Oppenweiler hätte zunächst angeboten, für das frei stehende Haus 340 000 Euro bezahlen zu wollen, später sei dann nur noch von 275 000 Euro die Rede gewesen. Lind sagte damals, das Haus und das 3000 Quadratmeter große Grundstück seien aus seiner Sicht rund 400 000 Euro wert. Vermutlich haben sich die Kommune und die Familie nun irgendwo in der Mitte geeinigt.

Millionen für die Sicherheit

Wasserverband
Der Wasserverband Murrtal ist im Sommer 2008 von den Städten Murrhardt und Backnang sowie von den Gemeinden Sulzbach und Oppenweiler ins Leben gerufen worden. Der Verband will in den nächsten Jahren für viel Geld fünf Rückhaltebecken bauen. Die Partnerkommunen planen beziehungsweise bauen zudem innerörtliche Dämme und Mauern. Ein Experte hatte bei der Gründung des Wasserverbands Murrtal erklärt, dass allein für die fünf Becken rund 26 Millionen Euro erforderlich seien.

Wasserverband
Immer wieder hat Hochwasser massive Schäden im Murrtal angerichtet. Allein die Bilanz des verheerende Hochwasser im Januar 2011 im Landkreis ist gewaltig: Der Schaden wird auf 27 Millionen Euro geschätzt. Oppenweiler war damals besonders stark betroffen. Vor eineinhalb Jahren waren die Flüsse, insbesondere die Murr und die Wieslauftal, über die Ufer getreten. Die Ursache waren starker Regen und die Schneeschmelze im Schwäbischen Wald gewesen.

ein Kommentar von Martin Tschepe

Das hätten die Streithähne auch früher haben können. Fast zwei Jahre lang haben sich der Wasserverband Murrtal und die Gemeinde Oppenweiler auf der einen Seite sowie zwei Familien aus dem Flecken auf der anderen Seite eine regelrechte Schlammschlacht geliefert. Jetzt hat man sich weitgehend geeinigt.

Der Wasserverband hat eine Rolle rückwärts hingelegt. Bis dato hatte man bei fast allen öffentlichen Äußerungen des Verbandsvorsitzenden den Eindruck, der Bürgermeister von Oppenweiler, Steffen Jäger, wolle oder könne sich nicht einigen. Er sagt nun, dass er seit Monaten hinter den Kulissen an der Kompromisslösung gefeilt habe. Der Verband ist jedenfalls auf die Linie seiner Kontrahenten eingeschwenkt.

Der Mühlenbesitzer, der unerbittlich um sein altes Wasserrecht gekämpft hat, kann zufrieden sein – auch wenn offenbar noch nicht alle Details geklärt sind. Und die Familie, deren Haus von den lokalen Hochwasserschutzbauten ausgeschlossen werden sollte, dürfte auch erleichtert sein. Der Sohn der Hausbesitzer sagt, seine Familie hätte sich ohne die Unterstützung und Hilfe des Mühlenbesitzers wohl nicht getraut, in die Offensive zu gehen.

Widerstand lohnt sich – das ist die Lehre aus diesem kommunalen Streit, der auch in der Zeitung ausgetragen wurde. Wenn sich die Kritiker des Wasserverbands nicht geregt hätten, sie wären vermutlich leer ausgegangen. Die Gemeinde und der Wasserverband hatten schlicht Pech. Pech, dass die beiden Bürger, die nicht einverstanden waren mit den Planungen und Beschlüssen, beide Ingenieure sind und sich recht gut auskennen mit dem Wasserrecht.