Die künftigen Polizeipräsidenten des Landes stehen fest. Für die entmachteten bisherigen Behördenchefs werden jetzt Aufgaben gesucht.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Die notwendigen Grausamkeiten, besagt eine politische Regel, muss man am Anfang begehen. Dass die tiefgreifendste Polizeireform, die Baden-Württemberg je erlebt hat, kurz nach der Landtagswahl vorbereitet und nur ein Jahr später präsentiert wurde, ist deshalb kein Zufall. Das Projekt, das die Abtrennung der Polizeiorganisation des Landes von den kommunalen Strukturen bedeutet, hätte wohl keinen nächsten Landtagswahlkampf überlebt, weil es gegen den Willen vieler Rathauschefs, Landräte und Abgeordneten umgesetzt wird. Auch gegen den Willen mehrerer Führungsbeamter aus der Polizei übrigens. Von den 37 Leitern der Polizeidirektionen werden nur acht in den Rang eines Polizeipräsidenten erhoben. Der Rest darf sich als entmachtet betrachten.

 

Wer die unmittelbaren Gewinner der Reform sein würden, zeichnete sich ab, seit die Liste der Projektverantwortlichen für den Aufbau der regionalen Polizeipräsidien heraus war. Alle dort Genannten werden nun auch die künftigen Präsidenten.

Thomas Züfle ist schon Präsident

Ein Mann aus dieser Riege ist es bereits: Thomas Züfle, 56, alter und neuer Leiter des Polizeipräsidiums Stuttgart. Chef in Mannheim wird Detlef Werner, 52, bis jetzt Referatsleiter bei der Landespolizeidirektion Karlsruhe. Präsident in Karlsruhe wiederum wird Reinhard Renter, 54, derzeit Leiter der Polizeidirektion Offenburg. Freiburg übernimmt Bernhard Rotzinger, 55, bis jetzt Abteilungsleiter bei der Freiburger Landespolizeidirektion. An die Spitze in Offenburg tritt Michael Gehri, 54, derzeit Leiter der Polizeidirektion Lörrach.

Das neue Präsidium Konstanz übernimmt Ekkehard Falk, 52, derzeit Referatsleiter bei der Landespolizeidirektion Tübingen. Der bisherige Leiter der Konstanzer Behörde, Ulrich Schwarz, 57, rückt an die Spitze des Präsidiums Tuttlingen. Präsident in Aalen wird Ralf Michelfelder, 51, derzeit Leiter der Polizeidirektion Waiblingen. Christian Nill, 55, bis jetzt Abteilungschef der Landespolizeidirektion Stuttgart, kehrt nach Ulm zurück. Nill war dort schon mehrere Jahre lang Polizeichef gewesen, bis er nach Stuttgart ging, um zunächst das Landesprojekt zur Einführung des Digitalfunks zu leiten.

Drei Sonderpräsidien

Präsident in Reutlingen wird Franz Lutz, 54, schon jetzt Leiter der dortigen Polizeidirektion. Auch in Ludwigsburg bleibt der Statthalter: Frank Rebholz, 55, steigt im Rang auf. In Heilbronn wird Hartmut Grasmück, 56, neuer Chef. Grasmück ist bis jetzt Landeskriminaldirektor im Innenministerium. Ihm folgt auf diesen Platz Martin Schatz aus dem Innenministerium nach, wesentlicher Autor des sogenannten Eckpunktepapiers zur Polizeireform (intern „Schatzpapier“ genannt).

Das neue Polizeipräsidium Einsatz wird schließlich Thomas Mürder leiten, 54 und derzeit Leiter des Bereitschaftspolizeipräsidiums. Das Präsidium Technik, Logistik und Service übernimmt Udo Vogel, 47, bislang Technikreferatsleiter im Innenministerium. Und dem Präsidium Bildung und Personalgewinnung steht bald Alexander Pick vor, 52 und derzeit Rektor der Hochschule für Polizei Villingen-Schwenningen.

Besoldungsfragen bleiben offen

Mit den in Aussicht gestellten Beförderungen hat die Landesregierung den leichtesten Part ihrer Personalrochaden bewältigt. Komplikationen drohen erst jetzt, und sie haben mit Geld zu tun. So ist offiziell bisher ungeklärt, wie die fünfzehn neuen Polizeipräsidenten besoldet werden sollen. Eine Orientierung am Stuttgarter Thomas Züfle dürfte für manchen hohen Beamten nicht genügen. Züfle wird nach der Tarifgruppe B 3 besoldet, das entspricht einem Grundgehalt von gut 7000 Euro, ohne Familien- oder Erschwerniszulagen. Gemessen an Züfles Verantwortung im Zusammenhang mit Stuttgart 21 sei das ein Witz, heißt es sogar im Innenministerium. Im Bundesland Hessen, weiß man in hiesigen Polizeikreisen, werden Polizeipräsidenten nach B 4 entlohnt (Grundgehalt rund 7500 Euro), in Bayern sogar bis B 5. In Hessen allerdings gelten Polizeipräsidenten als politische Beamte, so wie die Regierungspräsidenten in Baden-Württemberg; in ihr Gehalt ist also das Risiko der Demission bei einem politischen Wechsel eingepreist.

Das zweite Problem sind die 29 Leiter der baden-württembergischen Polizeidirektionen, die bald überflüssig werden. Zwölf Polizeidirektoren sind Anfang 2009 durch die schwarz-gelbe Landesregierung auf einen Schlag in den Genuss einer Höherbesoldung gekommen. Seitdem verdienen die Leiter kleinerer Polizeidirektionen nach Tarif A 15 (Grundgehalt gut 5700 Euro), die Chefs größerer Einheiten nach A 16 (Grundgehalt knapp 6400 Euro).

Eine Hintertür für überzähliges Personal

Jetzt wird nach Verwendungen für die Behördenleiter gesucht. Dass das schwierig werden würde, haben die Macher des Eckpunktepapiers offenbar schon frühzeitig erahnt – und eine erstaunliche Hintertür geöffnet. Auf Seite 42 der Ausführungen zur Polizeireform steht, es sei zu prüfen, „inwieweit im Einzelfall eine vorzeitige Zurruhesetzung auf Antrag der Beamtinnen und Beamten und mit Zustimmung des Dienstherrn ohne Versorgungsabschläge erfolgen könnte“.

Der Passus lässt sich so lesen, als ob überflüssige Polizeichefs notfalls aus dem Dienst herausgekauft werden sollen. Gerhard Klotter, Inspekteur der Polizei, bemüht sich, diesen Eindruck zu zerstreuen. Es handle sich lediglich um „das Ergebnis einer Empfehlung, die die Projektgruppe zur Polizeireform gemacht hat“, sagt er. Das Beamtenrecht lasse eine vorzeitige Zurruhesetzung bei weiterhin vollen Bezügen aber gar nicht zu.

Fragt sich, ob das die von der Versetzung bedrohten Spitzenbeamten ebenso sehen. Zeit zum Streiten bleibt noch genug. Ende dieses Jahres soll der Entwurf eines Polizeistruktur-Reformgesetzes abstimmungsreif sein. Möglichst von Mitte nächsten Jahres an will das Innenministerium dann in den neuen Strukturen arbeiten.