Am Zweiten Weihnachtstag 1999 fegte Orkan Lothar mit bis zu 200 Kilometern in der Stunde durch den Südwesten. 13 Menschen kamen ums Leben, auf einer Fläche von etwa 56.000 Fußballfeldern war der Wald zerstört. Aber heute steht er im Südwesten gesünder da als vor dem Orkan.

Karlsruhe - Vor 15 Jahren, am 26. Dezember 1999, zog der Orkan Lothar über Südwestdeutschland und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. In Baden-Württemberg kamen 13 Menschen ums Leben, die Sachschäden beliefen sich auf mehr als eine Milliarde Euro. „Die Spuren des Sturms werden auch in 100 Jahren noch sichtbar sein“, heißt es im Ministerium für Ländlichen Raum. Inzwischen aber rücken zunehmend die positiven Auswirkungen in den Blick.

 

Das Orkantief entstand am Ersten Weihnachtstag über dem Nordatlantik und zog dann über Nordfrankreich nach Deutschland. Innerhalb weniger Stunden kam es zu einem rapiden Druckabfall, der Luftdruck sank auf 975 Hektopascal. Auf der Südseite des Orkantiefs war der Wind am stärksten: Mehr als 200 Stundenkilometer in den Gipfellagen im Schwarzwald und auch noch 150 Stundenkilometer in Karlsruhe.

Kahlschlag auf einer Fläche von 56.000 Fußballfeldern

In den baden-württembergischen Wäldern knickten reihenweise die Bäume um, vor allem in reinen Fichtenwäldern. Auf einer Fläche von 40.000 Hektar - das sind etwa 56.000 Fußballfelder - kam es zu völligem Kahlschlag. 30 Millionen Festmeter Holz wurden zerstört, so viel wie sonst in drei Jahren in der Forstwirtschaft geschlagen werden. Am stärksten betroffen waren die Forstämter Lahr, Gengenbach, Baiersbronn und Pfalzgrafenweiler. Aber auch im Naturpark Schönbuch südwestlich von Stuttgart und im Osten der Schwäbischen Alb wurden schwere Verwüstungen angerichtet.

Die direkten Schäden waren schon nach etwa zwei Jahren bewältigt. Auch die große Herausforderung der Wiederbewaldung sei abgeschlossen, sagt ein Sprecher des Ministeriums für Ländlichen Raum. Dabei sei mehr als zuvor darauf geachtet worden, Wälder mit Mischbeständen anzulegen. Vor dem Orkan bestanden die baden-württembergischen Wälder zu 45 Prozent aus der Fichte. Der Laubbaumbestand beschränkte sich auf 35 Prozent. Vier Jahre später lag der Fichtenanteil nur noch bei 27 Prozent, und Laubbäume (vor allem Buche, Ahorn und Esche sowie Eiche) hatten mit 52 Prozent die Mehrheit übernommen. Die jetzt im Vordergrund stehende Pflege der öffentlichen Wälder sei eine Aufgabe, die uns noch auf Jahre hinaus beschäftigen werde, erklärt der Ministeriumssprecher.

Die schnelle Veränderung der Wälder sei auch eine Herausforderung für die Forstwirtschaft, sagt Jerg Hilt, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg, in der sich die privaten und kommunalen Waldbesitzer zusammengeschlossen haben. „Wir können wunderschöne Stühle aus Buche bauen, aber die Häuser sind immer noch aus Fichte.“ Für den wirtschaftlichen Erfolg der Holzbetriebe spiele der Nadelbaum eine zentrale Rolle. So werde in anderen Bundesländern wie Bayern inzwischen wieder darauf geachtet, dass der Nadelholzanteil nicht unter ein kritisches Minimum falle.

Mehr Mischwald, naturnahe Forstwirtschaft

Der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), Andre Baumann, sieht einen Vorteil in dem damaligen Katastrophenereignis darin, dass sich die Gesellschaft intensiver mit den Besonderheiten des Waldes beschäftigt habe.

Mit Lothar habe es einen Paradigmenwechsel hin zu einer naturnahen Forstwirtschaft gegeben, hin zu kleinflächiger Bewirtschaftung und Mischwald. Für seltene Arten wie das Auerhuhn sei der Holzeinschlag durch Lothar vorteilhaft gewesen: Das Auerhuhn brauche lichte Wälder, und die gebe es auf Lothar-Flächen. Inzwischen seien die Wälder verjüngt und in einer besseren Struktur. „Aber für das Auerhuhn wäre Lothar 2, also ein neuer Sturm, gar nicht so schlecht.“