Man kann heutzutage nur noch Interviews glauben, die erstunken und erlogen sind. Auch das folgende Exklusivtelefonat hat nie stattgefunden, doch umso schonungsloser packt der Ball des VfB Stuttgart darin aus, lässt Luft ab über seinen Frust.

Stuttgart - Man kann heutzutage nur noch Interviews glauben, die erstunken und erlogen sind. Auch das folgende Exklusivtelefonat hat nie stattgefunden, doch umso schonungsloser packt der Ball des VfB Stuttgart darin aus, lässt Luft ab über seinen Frust.

 
Grüß Gott, wo erreichen wir Sie gerade an?
Ball: Bei der Kur in Bad Buchau am Federsee. Ich sitze im Schlammbad, in einem Streckverband, die Blase schwächelt, das Ventil pfeift, und mit meinem hässlichen Stollenabdruck würde ich mich im Moment nicht unter die Leute trauen.
Was ist passiert?
Ball: Fragen Sie das besser Schorsch Niedermeier. Im Abschlusstraining wollte er einen seiner gefürchteten Pässe über drei Meter spielen, hat dabei die Beine verwechselt und mich bei seinem verzweifelten Befreiungsschlag anschließend derart entstellt, dass ich mit zwölf Stichen genäht werden musste.
Reicht es fürs Dortmundspiel?
Ball: Der Doc gibt mir grünes Licht, aber auf eigenes Risiko. Für alle Fälle lasse ich mich vor dem Spiel örtlich betäuben.
Wovor haben Sie Angst?
Ball: Na, vor was wohl? Die Null muss stehen, predigt der VfB-Trainer schon wieder, und ich bin wieder der Depp und kriege das volle Programm ab: gestreckte Beine, Kopfstöße, Pressschläge. „Spiel gegen den Ball“, nennt der Huub das, und wenn der VfB mich erobert hat, geht es wieder so: Niedermeier zu Schwaab, Schwaab zu Niedermeier, sie schieben mich hin und her und zurück zu Ulreich – und der drischt mich dann auf die Tribüne und brüllt „Flatterball“, „Plastikball“ oder „Scheißball“. Das ist kein Leben.
Was wäre ein Leben?
Ball: Dass dich mal einer mit dem Außenrist streichelt – dafür bin ich VfB-Ball geworden. Aber keiner tätschelt mich mit der Sohle, keiner schnibbelt mich ins Dreieck, keiner dribbelt sexy mit mir – und keiner schießt mich jetzt dem Weidenfeller um die Ohren wie früher dem Teddy de Beer.
Sie meinen den BVB-Torwarttrainer?
Ball: Damals war er noch Torwart. Mein Vater war der Ball, als der VfB damals 7:0 gegen Dortmund gewonnen hat, Anfang der 90er, mit Karl Allgöwer. Pass auf, hat Knallgöwer beim Anlauf zu Papa gesagt, dem Teddy brechen wir jetzt die Finger.
War Ihr Vater nicht VfB-Meisterball?
Ball: Doppelmeister, 1984 und 1992. Ich sage nur Flanke Wiggerl Kögl, Kopfball Buchwald. Papa machte als Flankenball einen traumhaften Rundflug, er schwebte auf Wolke sieben. Auch mein Opa, der legendäre Titelball von 1950, 1952, 1954 und 1958, schwelgt noch von den alten Zeiten.
Der alte Lederstrumpf lebt noch?
Ball: Opa ist zäh, noch echtes Rindsleder, handgenäht. Und er ist noch geschont und verwöhnt worden. Ich besuche ihn jeden Abend im Pflegeheim des VfB-Museums, und wir blättern im Album mit den Bildern von früher. Auf einem macht Kapitän Robert Schlienz, der ja einarmig war, einen angeschnitten Einwurf mit Opa, da kommen einem die Tränen. Spieler und Ball verstanden sich blind. Manchmal sagt Opa: Bub, so wie die mit Dir umspringen – da hätte ich mir früher die Luft rausgelassen.
So sensibel?
Ball: Auch ein Ball ist nur ein Mensch. Ich bin keine Billardkugel aus Elfenbein oder ein knallharter Golfball, ich habe nicht die dicke Haut eines Medizinballs – die stecken sowas eiskalt weg, den Stress, die Strapazen, die Schmähungen.
Aber hatten Sie nicht auch tolle Zeiten?
Ball: Sie meinen die rauschenden Nächte mit Balakov und Elber oder Gomez und Khedira, als ich als Pokalsieger- und Meisterball 1998 und 2007 jede Frau haben konnte? Vorbei. Heute baggern mich nichtmal mehr die Zahnlosen an, und die Spieler lassen mich links liegen. Ich biete ihnen alles, Aerodynamik, perfekte Flugbahn, High Tech – und die mit ihrer hohen Technik? Ich lande im Gipskorsett, wenn ich Huubs Haudegen nicht sofort vom Fuß springe.
Robin Dutt hält den Kader für gut genug.
Ball: Ich frage Sie: Wer ist auf Ballhöhe, er oder ich? Das ist doch Blabla und Ballaballa, so hat schon Bobic seine Billigheimer verteidigt. Mit den Scheinen, die er bündelweise verpulvert hat, hätte er besser den Himmel über Cannstatt weiß-rot lackiert.
Wann ist alles schiefgelaufen?
Ball: Ich kann Ihnen den Tag genau sagen. Wir ließen in der Meisternacht 2007 die Puppen tanzen, da höre ich hinter meinem Rücken den Finanzchef Ruf, diesen Pfennigfuchser, plötzlich zum Präsidenten Staudt sagen: Warum wird so ein Ball eigentlich täglich eingefettet – können wir uns das Geld und das Fett nicht sparen?
Chefball bei Bayern – wären Sie hier sofort weg, wenn Guardiola ruft?
Ball: Vorher gebe ich mir die Kugel. Kennen Sie den Bayern-Ball? Das ist ein aufgeblasener Wichtigtuer, der den Schicki-Micki raushängt, und hoffentlich schrumpft er gegen Real wieder zur jämmerlichen Mottenkugel oder zum Tennisball, den man über die Anhängerkupplung stülpt. Aber andererseits: klar, ich bin neidisch – mir bläst keiner den Puderzucker hinein, ich stehe höllisch unter Druck.
Der VfB geht Ihnen auf die Blase?
Ball: Die Blase ist die Seele des Balles, aber wen juckt das hier schon? Gestern habe ich Post bekommen von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft – sie wollen mich wegen Hochstapelei drankriegen und wissen, warum ich mich Torfabrik nenne. Soll ich jetzt auch noch ins Gefängnis für diese Luschen? Ich schreie immer: Dann haut mich doch einfach hoch in den Strafraum! Aber stattdessen hauen sie mich im Seichbogen hinters Tor, und die Ultras vom „Commando Uhlbach“ brüllen „Schleuderball“ und „Designball“ und machen mir den Prozess.
Wer tröstet Sie?
Ball: Ich habe einen Psychologen, der mich immer wieder aufpumpt. Und Papa und Opa. Wir flüchten bei Kaffee und Kuchen in die Vergangenheit, aber am nächsten Morgen gibt es im Training dann wieder voll auf die Kuhhaut, und ich muss Angst haben, als Pflegeball im Rollstuhl zu landen.
Ist der VfB noch zu retten?
Ball: Falls es hilft: Ich bin rund. Aber jetzt muss ich Schluss machen, da kommt die Schwester mit den kalten Umschlägen.
Gute Besserung – und danke fürs Gespräch.