Die Amerikaner wollen uns im Fußball – und das bereits bei der Weltmeisterschaft – mit deutschen Tugenden besiegen. Jürgen Klinsmann und Berti Vogts hecken gemeinsam was aus. Unser Kolumnist Oskar Beck weiß mehr darüber.

Miami - Thomas Helmer ist vor ein paar Tagen die Spucke weggeblieben. Er war früher ein heldenhafter Vaterlandsverteidiger in einer mit Verdienstorden, Ritterkreuzen und Zweikampfspangen behängten Nationalmannschaft, die uns irgendwann im vergangenen Jahrtausend den letzten Titel gewonnen hat – und als er nun neulich hörte, dass sein damaliger Kapitän Jürgen Klinsmann und sein damaliger Bundestrainer Berti Vogts dem deutschen Fußball plötzlich den Krieg erklären, war Helmer fix und foxi und sagte: „Das ist schon ein Ding, dass die beiden unsere Mannschaft ausspionieren.“

 

Brisant sind jedenfalls die Fotos, die uns seit vergangener Woche erschüttern und auf denen Berti in einem frisch gebügelten Trainingsanzug des US-Teams zu sehen ist – die Nachricht zu seinem Überlaufen hat eingeschlagen wie einst die Bekanntgabe des Freiherrn Karl-Theodor von und zu Guttenberg, dass er nach Connecticut übersiedelt.

Was läuft da in Amerika? Was führen der US-Trainer Klinsmann und sein Spion Vogts im Schilde? Wie späht Berti die deutsche Mannschaft aus?

Um diese heiklen Fragen zu Klinsmanns neuem „Sonderberater“ zu klären, bin ich als Sonderberichterstatter geschwind hinübergeflogen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und eines hiermit gleich mal brühwarm vorweg: Als Spion muss sich Vogts nur irgendwo in Amerika stundenlang vor einen Fernseher setzen und kriegt die Bundesliga und Jogi Löws WM-Stars frei Haus. Letztes Wochenende ist meine lückenlose Beobachtung des deutschen Fußballs in einer strandnahen TV-Sportsbar in Miami jedenfalls so verlaufen: Freitag HSV – Leverkusen, Samstag Augsburg – Bayern und Dortmund – Wolfsburg, Sonntag Hertha – Hoffenheim – alles live, alles in „Gol TV“.

Was haben Berti und Klinsi mit Jogi vor?

So macht es jetzt, wenn er clever ist, auch Berti: Er setzt sich mit Kugelschreiber, Notizblock und einem Milchgetränk hin, verfolgt akribisch alle Spiele und hält jeden neuen Trick und Übersteiger der deutschen WM-Kandidaten penibel in Skizzen und Stichworten fest. Wenn Marco Reus beim Dribbling plötzlich lieber zuerst mal links rum als rechts rum geht, schreibt Berti sofort mit, und zwei Minuten später weiß es US-Coach Klinsmann per SMS.

Was hecken die beiden aus? Wollen sie Jogi Löw psychologisch und seine Mannschaft spieltaktisch unterwandern? Müssen wir uns vor dem WM-Duell gegen die USA im Juni in Recife Sorgen machen? Was ist Bertis Auftrag?

Auf jeden Fall wollen die Amerikaner uns mit unseren eigenen Waffen schlagen – der US-Fußballverband gibt es offen zu, er hat Berti Vogts mit den zackigen Worten vorgestellt: „Unter dem Spitznamen ,Der Terrier‘ hat er im WM-Finale 1974 auf berühmte Art die holländische Legende Johan Cruyff bewacht.“ Das ehrfürchtige Lob wurde von allen anständigen US-Zeitungen abgedruckt. Die Amerikaner sind ganz scharf auf unsere Tugenden, und angeblich sagt Klinsmann im Training gelegentlich zu seinem Sonderberater: „Komm, alter Sonderbewacher, zeig den Jungs mal die deutsche Grätsche.“

Unaufhaltsam krempelt Klinsmann den US-Fußball um auf deutsch. Er baut ja nicht nur auf Berti. Neben ihm auf der US-Trainerbank sitzt der Wiener Fußballmozart und frühere Deutsche Meister Andi Herzog, und der beste Trainer der US-Liga ist Klinsmanns bester schwäbischer Kumpel: Siegfried Schmidt vom FC Seattle Sounders. Als Bub ist Siggi mit den Eltern ausgewandert aus Tübingen, er war US-Co-Trainer bei der WM 1994, und als er bei der WM 2005 mit der amerikanischen U 20 auf Michael Skibbes Deutsche traf, sagte er: „Das fühlt sich großartig an.“

Im Alter kennt Vogts keine Verwandten mehr

Wie jetzt für Berti. Der will bei der WM aller Welt zeigen, wie es ist, wenn man die Deutschen auf die Deutschen loslässt. Er kennt mit wachsendem Alter keine Verwandten mehr und spielt inzwischen sogar schon gegen sich selbst: Als Nationaltrainer von Aserbaidschan trifft er Ende Mai in einem Test auf das US-Team und sitzt vermutlich auf der einen Bank als Berti und auf der anderen als Vogts. Ein echter Cowboy reitet mit einem Hintern zwei Pferde, in Amerika kommt so was gut an.

Die zugelaufenen Deutschen haben dort sowieso nie enttäuscht: Levi Strauss hat den Amerikanern die Jeans beschert, Albert Einstein hat ihnen das Denken beigebracht, und Wernher von Braun hat sie mit seinen Raketen auf den Mond geschossen. Und was Vogts als Sonderberater für Klinsmann ist, war der Fürther Henry Kissinger für Richard Nixon. Letzterer hatte übrigens mütterlicherseits deutsche Vorfahren, die von Barack Obama kamen 1750 aus dem schwäbischen Besigheim – auch in den Präsidenten George Washington, Herbert Hoover und Dwight D. Eisenhower floss allerhand deutsches Blut.

Machen wir es kurz: ohne uns wären die Amerikaner noch mit dem Üben des aufrechten Ganges beschäftigt und nicht die Weltmacht Nummer eins. Fast hätten wir jetzt Marlene Dietrich vergessen. Kaum ausgewandert nach Hollywood, betreute die deutsche Diva im Zweiten Weltkrieg mit ihrem Gesang die US-Truppen kriegspsychologisch. Besiegen uns die Amerikaner dank ihrer Deutschen als Nächstes nun auch noch bei der WM?

Man spricht Deutsch im US-Team. Der gebürtige Frankfurter Jermaine Jones ist mitunter sogar Kapitän, und damit die Hoffenheimer und Nürnberger Danny Williams, Fabian Johnson und Tim Chandler weiteren Zuwachs aus der Bundesliga bekommen, forscht Matthias Hamann, der Bruder des Münchner Ex-Nationalspielers Didi, als Scout unermüdlich nach deutschen Talenten mit US-Blut, die den Ball drei Meter quer spielen können, ohne sich etwas zu brechen. Letzte Woche ist auch Julian Green übergelaufen, der Torjäger der Münchner Bayern-Reserve. Ganz Amerika ist gerührt, weil der 18-jährige Greenschnabel in Interviews erzählt, dass er „auch ein Gespräch mit Hansi Flick hatte“. Dem DFB-Unterhändler habe er einen Korb verpasst. Steckt Berti dahinter? Gehört auch die Abwerbung zu seinem Job? Muss man womöglich Meldungen aus Moskau ernst nehmen, wonach die NSA auf Anordnung von Berti das Handy von Jogi Löw abhört? Warum haut unsere Fußballkanzlerin nicht endlich auf den Tisch?