Wird der VfB am Samstag gegen die Bayern einfach weggemüllert? Seit dem 13. September 1989 ist die „13“ die Glückszahl von Thomas Müller. Und der hat am Samstag zu allem Übel für den VfB auch noch Geburtstag, findet StZ-Kolumnist Oskar Beck.

Stuttgart - Dass wir neuerdings Weltmeister sind, ist von Vorteil: Man sieht die deutschen Länderspiele jetzt sogar in Amerika. Live hat Fox dieser Tage das 2:1 gegen die Schotten übertragen und uns auch noch mit einem alten Bekannten verwöhnt. Eric Wynalda war in der Bundesliga als vogelwilder US-Boy einst Kult, dank waghalsiger Dribblings und lockerer Sprüche – und als Fox-Experte hat er uns jetzt Thomas Müller erklärt. Aus Platzgründen können wir seine Lobeshymnen und Begeisterungsausbrüche nicht wiederholen, aber zusammengefasst sagte Wynalda ungefähr: „Wenn ich nur halb so gut wie Müller gewesen wäre, hätte man mich Weltklasse nennen dürfen.“

 

Was kann man gegen Müller machen?

Nix, sagt auch der schottische Trainer Gordon Strachan. Nur einpacken oder ehrfürchtig zuschauen wie seine Dudelsackpfeifer oder wie früher Miroslav Klose. Eigentlich war das ja selbst einer, dem vor dem gegnerischen Tor nicht panisch der Angstschweiß ausbrach – aber manchmal ist der Altmeister da vorne im deutschen Sturm doch vor Neid erblasst, wenn er diese rotzfreche Kaltschnäuzigkeit neben sich sah.

„Das ist die Schule von Hermann Gerland“, hat Klose verraten, „einfach drauflos und keine Gedanken machen.“

Hermann („Tiger“) Gerland ist der Co-Trainer von Pep Guardiola beim FC Bayern, und sein vorheriger Chef Jupp Heynckes schildert oft und gerne mit Schmerzensmiene, wie es war, wenn er als Gladbacher Torjäger in einem früheren Leben auf den Bochumer Verteidiger Gerland traf: „Die offenen Wunden am Schienbein habe ich heute noch.“ So einer ist der Tiger, er fackelt nicht lang, auch nicht mit Worten („Ich bin nicht tätowiert, nicht gepierct, die Haare nicht gefärbt, also fast ein Aussätziger“) – und weil Gerland früher die Bayern-Amateure trainiert hat, darunter den jungen Müller, ist der jetzt wie er.

Schlagfertig. Unerschrocken. Furztrocken.

Er müllert sie alle um und weg

Bei der WM, nach seinem 1:0 gegen die USA, wurde er gefragt, ob an seiner Stelle nicht auch Bastian Schweinsteiger den Ritterschlag zum „Man of the Match“ verdient gehabt hätte, worauf Müller sich kurz kratzte und entgegnete: „Ich finde, dafür muss man schon ein Tor schießen.“ Oder drei wie zuvor gegen die Portugiesen, jedenfalls macht Müller an guten Tagen mindestens zwei wie jetzt gegen die Schotten, was auf der Insel prompt wieder zu der Schreckensschlagzeile führte: „Mullered!“ Umgemüllert hat er sie, weggemüllert – so wie er schon vor vier Jahren die Engländer von der WM in Südafrika heimgemüllert hat. Zwanzig war Müller damals, und unvergessen bleibt der Moment, als er gefragt wurde, ob ihn sein atemberaubender Senkrechtstart in die Heldengalerie nicht umhaut, worauf er antwortete: „Nein, dafür habe ich ja gar keine Zeit. Schauen Sie, im Moment bin ich hier bei der Pressekonferenz, nachher ist Training, dann Abendessen.“

Gegrinst hat Müller kurz, ist aufgestanden – und weg war er. So einem raubt nichts den Schlaf.

Nicht einmal die 13.

Wie er zu dieser vom Rest der Welt so verfluchten Nummer kam? Schon als Grünschnabel. Die Älteren hatten die Vorauswahl, und als er dran war, erinnert er sich gerne, „waren die 14, die 13 und die 4 noch übrig“. Neun von zehn Fußballern hätten sich aus Sicherheitsgründen blitzschnell die 14 oder die 4 geschnappt, doch dem jungen Müller schoss stattdessen ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf: Trug nicht der alte Müller die 13? Dieser andere Münchner Müller, der weltberühmte „Bomber der Nation“, Vorname Gerd? „Da konnte ich“, sagt der junge Müller, „nicht widerstehen.“

Müllers mühlen mahlen

Seither wiederholt sich nun die Geschichte: Müllers Mühlen mahlen. Der neue Müller ist so weltberühmt wie der alte, weil er trifft und tickt wie der große Namensvetter, der gesagt hat: „Vor dem Tor derfst net das Studieren anfangen.“ Auch Müller zwei grübelt nicht. Er hat sich die kreuzgefährliche Rückennummer einfach geschnappt. Andere hätten sich damit nicht aufs Spielfeld getraut – denn Fußballer sind abergläubisch, sie stecken sich Hasenpfoten in die Schienbeinschützer oder einen Glücksklee in den Schuh, träufeln sich Weihwasser auf den Stiefel, zählen die Schritte von der Kabine aufs Spielfeld oder laufen in den Unterhosen ihrer Frau aufs Feld.

Jedenfalls nicht mit der 13.

Das Schreckgespenst heißt im Fachjargon Triskaidekaphobie und kann Fußballer derart lähmen, dass es ihnen ergeht wie Michael Ballack, der mit der 13 auf dem Buckel 2002 das WM-Endspiel wegen einer Gelben Karte verpasste oder 2010 kurz vor der WM ins Gipskorsett getreten wurde. In vielen Flugzeugen fehlt Reihe 13, in Hotels das Stockwerk 13, in Krankenhäusern das Zimmer 13 und bei Autorennen die Startnummer 13. Nur im Fußball wird erwartet, dass sich ein Dummer findet.

Oder ein Müller.

Jetzt schlägt’s dreizehn, sagt Thomas Müller ohne Rücksicht auf das Kopfschütteln der Kirchturmglocke, die nur zwölf Schläge draufhat, und seine Memoiren kann er zweifellos einmal nach dem Bestseller von Max Morlock, dem WM-Helden von anno 54 in Bern, benennen: „13 – meine Glückszahl.“ Vom ersten Tag seines Lebens an hat Müller diese Zahl kein bisschen gejuckt, sonst hätte er sich nicht ausgerechnet am 13. September 1989 auf die Welt bringen lassen.

An der Stelle wird der VfB jetzt kreidebleich in den Kalender starren, mit den Beinen zu schlottern beginnen und sich fragen: Was schenkt sich Thomas Müller am Samstag wohl zum Geburtstag?