Trägt er einen Interessenkonflikt mit ins Amt?

 

Theoretisch ja. Aber theoretisch ist alles möglich in diesem Geschäft, in dem jeder nennenswerte Club mit der Wirtschaft verbandelt ist und nur noch Traumtänzer an die Unabhängigkeit ihrer Vereine glauben. Ja, theoretisch kann es passieren, dass der Audi-Club FC Bayern dem Audi-Club Ingolstadt einen Gefallen tut. Und theoretisch hätte Dietrich ein gutes Wort einlegen können, als letzten Mai die Kickers (mit denen die Firma seines Sohnes verkehrt) gegen den bereits abgestiegenen VfB II um den Klassenerhalt rangen. Dietrich hätte seine guten VfB-Beziehungen einsetzen und in der Nachspielzeit mahnen können: „Wenn ihr jetzt noch ein Tor schießt, steigen auch die Kickers ab, und das kostet meinen Sohn einen Haufen Geld.“ Theoretisch hätte das passieren können, aber in der Realität sagt Dietrich: „Für wie blöd halten mich diese Leute?“

Die DFL hat seine Kandidatur durchgewinkt, man traut ihm nichts Strafbares zu, sondern glaubt ihm, dass er einfach nur Präsident werden will, um für den VfB notfalls wieder den Kopf hinzuhalten wie bei der Dose von Rotterdam. „Leider“, kommt er noch mal darauf zurück, „sind wir dort mit dem 1:2 ausgeschieden, nach dem 2:2 im Hinspiel.“ „Moment“, korrigiere ich ihn, „das 2:2 war erst das Rückspiel.“ „Nein“, widerspricht Dietrich und wettet um eine Flasche Wein, mit Handschlag. Wenn er den jetzt bricht, ist er geliefert, dann haben alle Bahnhofsgegner und Ultras recht, die behaupten, dass er den Juchtenkäfern die Flügel ausreißt. Jedenfalls stehen sich die Fronten unversöhnlich gegenüber: Braucht einen Dietrich nur ein Dieb, um ein Türschloss zu knacken – oder braucht der VfB einen Dietrich, um die Tür in die Zukunft aufzubrechen?

Das letzte Wort soll dem Angeklagten gehören, und ich zwinge ihn dazu mit der knallharten Frage: Wenn Sie sich einen VfB-Präsidenten backen dürften, der die eingangs erwähnten fünft Punkte erfüllt – wüssten Sie einen?

„Ja“, sagt Wolfgang Dietrich.

Dann haut er mir Robert Schlienz um die Ohren. Das VfB-Idol aus den 50ern konnte alles, außer Einwurf, denn Schlienz hatte nur einen Arm. In den 60ern war er dann Trainer bei der TSG Backnang. Dort war Dietrich in der A-Jugend ein bissiger rechter Läufer und erinnert sich: „Wir spielten gegen den VfB, und Schlienz sagte: ‚Du nimmst die Nummer 9, das ist der Beste.‘ Ich habe die 9 also lahmgelegt, dafür schoss die Nummer 10 vier Tore. Das war Horst Köppel. Schlienz hatte die Nummern verwechselt.“

Dietrich wurde statt Kicker lieber Kaufmann. Mit 20 gründete er seine erste Firma, ein Programmierbüro mit 80 Beschäftigten, und diente dem VfB fortan als Fan. 1974 fuhr er nach Rotterdam, Halbfinale Uefa-Cup. „1:2, Tor Brenninger“, erinnert er sich, aber vor allem an seine Platzwunde. Auf der Tribüne bekam er eine Dose an die Birne. Ein medizinisch veranlagter VfB-Fan versorgte den Blutenden hinterher auf dem Parkplatz notdürftig und fragte nach zwei Stichen: „Willst du nicht VfB-Mitglied werden?“ Er holte ein Anmeldeformular aus dem Kofferraum – und Dietrich unterschrieb.

Gibt es einen Zeugen? „Ja“, nickt Dietrich, „und wenn die Mitgliederversammlung will, kann er es beschwören.“

Die Ultras glauben ihm ja sonst nichts. Im Grunde muss er sogar Zeugen aufmarschieren lassen, die ihm seine Führungskompetenz und seinen Einblick in die Strukturen etlicher Clubs bescheinigen. Sie könnten auch gleich erzählen, wie er mit dem VfB ins Geschäft kam – und wieder ausstieg. Das war nach der Kirch-Pleite. Aus der Konkursmasse übernahm Dietrich anno 2004 die Sportrechte-Agentur ISPR und die Finanzierungsverträge für vier Clubs. Einer war der VfB, und als die Cannstatter deutscher Meister wurden, in die Champions League aufstiegen und die TV-Gelder sprudelten, partizipierte Dietrich dermaßen, dass der VfB ihn fragte: „Könnten wir das nicht beenden?“

Dietrich sagte Ja. Warum? War es eine vorbeugende Wohltat, um in den Himmel zu kommen? „Man tut Dinge“, sagt er, „die nicht immer alle verstehen.“ Im Nachhinein hat er den Ausstieg nicht bereut. Die Fehler nach der Meisterschaft, die nachlassende Vereinskultur, die Vernichtung der Nachwuchsabteilung – irgendwann legte er die Dauerkarte still und ging nur noch inkognito ins Stadion. In seiner Wut, sagt Dietrich, „bin ich nicht weit entfernt von den Ultras“. Nur deren Ziel und ihre Strategie ist ihm ein Rätsel. Er ist für Evolution, die Ultras bevorzugen Revolution. Sie wollen ihn verhindern, um den Aufsichtsrat aus den Angeln zu heben. Dietrich, sagen sie, ist der falsche Weichensteller, mit seinem Bahnwärtertäfele winkt er den VfB direkt in die Hölle. Es ist, als ob „Verdammt in alle Ewigkeit“ neu verfilmt wird – mit Dietrich in der Hauptrolle.

Trägt er einen Interessenkonflikt mit ins Amt?

Trägt er einen Interessenkonflikt mit ins Amt?

Theoretisch ja. Aber theoretisch ist alles möglich in diesem Geschäft, in dem jeder nennenswerte Club mit der Wirtschaft verbandelt ist und nur noch Traumtänzer an die Unabhängigkeit ihrer Vereine glauben. Ja, theoretisch kann es passieren, dass der Audi-Club FC Bayern dem Audi-Club Ingolstadt einen Gefallen tut. Und theoretisch hätte Dietrich ein gutes Wort einlegen können, als letzten Mai die Kickers (mit denen die Firma seines Sohnes verkehrt) gegen den bereits abgestiegenen VfB II um den Klassenerhalt rangen. Dietrich hätte seine guten VfB-Beziehungen einsetzen und in der Nachspielzeit mahnen können: „Wenn ihr jetzt noch ein Tor schießt, steigen auch die Kickers ab, und das kostet meinen Sohn einen Haufen Geld.“ Theoretisch hätte das passieren können, aber in der Realität sagt Dietrich: „Für wie blöd halten mich diese Leute?“

Die DFL hat seine Kandidatur durchgewinkt, man traut ihm nichts Strafbares zu, sondern glaubt ihm, dass er einfach nur Präsident werden will, um für den VfB notfalls wieder den Kopf hinzuhalten wie bei der Dose von Rotterdam. „Leider“, kommt er noch mal darauf zurück, „sind wir dort mit dem 1:2 ausgeschieden, nach dem 2:2 im Hinspiel.“ „Moment“, korrigiere ich ihn, „das 2:2 war erst das Rückspiel.“ „Nein“, widerspricht Dietrich und wettet um eine Flasche Wein, mit Handschlag. Wenn er den jetzt bricht, ist er geliefert, dann haben alle Bahnhofsgegner und Ultras recht, die behaupten, dass er den Juchtenkäfern die Flügel ausreißt. Jedenfalls stehen sich die Fronten unversöhnlich gegenüber: Braucht einen Dietrich nur ein Dieb, um ein Türschloss zu knacken – oder braucht der VfB einen Dietrich, um die Tür in die Zukunft aufzubrechen?

Das letzte Wort soll dem Angeklagten gehören, und ich zwinge ihn dazu mit der knallharten Frage: Wenn Sie sich einen VfB-Präsidenten backen dürften, der die eingangs erwähnten fünft Punkte erfüllt – wüssten Sie einen?

„Ja“, sagt Wolfgang Dietrich.