Wolfgang Dietrich will am Sonntag zum Präsidenten des VfB Stuttgart gewählt werden. Weiß der Kandidat über den VfB mehr als über den Juchtenkäfer? Unser Kolumnist Oskar Beck hat ihm auf den Zahn gefühlt – und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Stuttgart - Gerhard Mayer-Vorfelder hat in seiner Blütezeit gern die Geschichte erzählt, wie er mit zwei Buben auf dem Schulhof diskutiert. Beim Weggehen hört er den einen sagen: „Du, des war dr VfB-Präsident!“ „Noi“, meint der andere, „des war dr Kultusminister. Dr VfB-Präsident kann’s net sei, den kenn i, des isch a Arschloch.“

 

So gut geht es Wolfgang Dietrich nicht. Der kann aufkreuzen, als was er will, als früherer Bahnhofsvorsteher von Stuttgart 21, als Ex-Investor oder künftiger VfB-Chef: Arschloch bleibt Arschloch, hallt es ihm entgegen. Seine Feinde würden ihn bedenkenlos vor den Eilzug München– Stuttgart stoßen, und vor der Mitgliederversammlung blasen die Ultras zur Mobilmachung: „Dietrich verhindern!“

Die Botschaft ist deutlich: Dieser Unmensch legt nicht nur den Bahnhof tiefer, sondern auch vollends den VfB. Dietrich ist für seine Gegner die Axt im Walde, weil er kein Süßholz raspelt, sondern ehrwürdige Bäume fällt. Er gilt als Kommerzagent, als Prellbock und Spalter, und hartnäckig hält sich das Gerücht, er habe als Ausrotter des Juchtenkäfers im Schlossgarten den Tierchen eigenhändig die Beine ausgerissen. Darf ein Tierquäler Präsident werden?

Aber erst einmal: Was erwartet der VfB-Fan von einem Präsidenten? Fünf Eckpunkte haben sich herauskristallisiert: Ein VfB-Herz muss er haben, außerdem Ahnung von Fußball, er muss vernetzt sein im Profigeschäft, darüber hinaus als Kaufmann und Unternehmer eine Vergangenheit als Kanone nachweisen – und fünftens darf er nicht durch geschäftliche Tricks dafür sorgen, dass statt des VfB womöglich Union Berlin aufsteigt oder Heidenheim. Das sind harte Bedingungen, und um Dietrich auf den Zahn zu fühlen, setzt man am besten einen ungefähr Gleichaltrigen auf ihn an, also mich. Außerdem sind wir beide in Stetten im Remstal geboren (die frühere Heil- und Pflegeanstalt war in jenen Nachkriegswirren Entbindungsheim), womöglich sogar im selben Bett. Also, was weiß Dietrich über den VfB? „Ich war“, lege ich los und will ich ihn gleich gnadenlos prüfen, „1963 beim ersten Bundesliga-Heimspiel“ – worauf er mich unterbricht: „Ich auch. Untertürkheimer Kurve. 2:0 gegen Hertha. Tore Waldner und Geiger.“