Der ehemalige Profi-Boxer Evander Holyfield hat sich zur Homosexualität geäußert. Das war mehr als peinlich. Er hätte es sich sparen können.

Stuttgart - Wenn sich Gott und der Sport über den Weg laufen, kann das zum Brüllen witzig sein. Am besten schildern wir kurz den immer wieder gerne gehörten, üblen Scherz von Günter Grünwald, der in seiner Kabarettsendung im Bayrischen Fernsehen einmal herrlich fragte: „Was ist der Unterschied zwischen Uli Hoeneß und dem lieben Gott? Der liebe Gott weiß, dass er nicht Uli Hoeneß ist.“

 

Oder denken wir an Stan Libuda, der als Dribbelkünstler zu seinen Lebzeiten alle in Grund und Boden trickste. Einmal klebte die Christliche Mission ein Plakat mit dem Schriftzug „An Gott kommt keiner vorbei“ an eine Schalker Litfaßsäule – worauf ein Fan zum Pinsel griff und die frohe Botschaft komplettierte: „Außer Libuda“.

Auch dieser Tage kommt der Sport an Gott nicht vorbei, aber diesmal ist es nur halb so witzig – denn seit Thomas Hitzlsperger als erster Fußballprominenter Flagge gezeigt und sich mit seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung geoutet hat, werden im Namen des Herrn und der Bibel Tiefschläge verabreicht, und zwar hart und humorlos mit der Faust Gottes oder gar dem gestreckten Bein Gottes. Hitzlspergers Mut wird da oft übertroffen von einer Wut, die sich als heiliger Zorn outet, wie beim bibelfesten Brasilianer Alex, der in der Innenverteidigung bei Paris St. Germain gefürchtet ist als scharfer Manndecker. Auch im TV-Interview bei Canal plus packte er jüngst die Grätsche aus und verkündete im Rahmen der Strafpredigt: „Gott hat Adam und Eva geschaffen, nicht Adam und Yves.“

Deplatzierte Äußerungen

Evander Holyfield hätte es nicht deutlicher sagen können. Der fünfmalige Box-Weltmeister im Schwergewicht, der zurzeit im englischen Fernsehen die Celebrity-Variante von Big Brother prominent bestückt, zerrt die Homosexuellen ebenfalls gerne vor die höchste Instanz, also das himmlische Gericht des Allmächtigen – und ganz grundsätzlich, unabhängig vom Hitzlsperger-Geschehen, hat der Kraftprotz vor ein paar Tagen die Schwulen mit Behinderten verglichen. In den Debattierzirkeln hat dieser Holzhammerhieb eingeschlagen wie die Halskette, mit der Brigitte Schrowange kürzlich ihr RTL-Magazin „Extra“ moderierte und an der ein Eisernes Kreuz baumelte – sie hielt es für Modeschmuck.

Wenn wir Holyfield richtig interpretieren, ist auch die Homosexualität eine Art Modeschmuck, den man anlegen oder ablegen kann. „Jeder“, mutmaßt der Boxer, „hat selbst die Wahl.“ Und die Umkehr auf den richtigen Weg ist offenbar das Leichteste, was es gibt, hören wir in seinen aufrüttelnden O-Ton kurz rein: „Wenn du geboren wirst, und dein Bein ist verdreht, was tust du? Du gehst zum Doktor, und der richtet es.“ In puncto Schwulsein könnte es ähnlich leicht gehen: Der Patient legt sich kurz hin, springt nach einem kurzen Eingriff beschwingt auf – und wehe jedem Weibsbild, das danach nicht bei drei auf dem Baum ist.

Ein grässlicher Verdacht

Homosexuelle sind für Holyfield jedenfalls das gewisse Etwas, und dank seines kurzen Drahts zum Himmel weiß er: „Die Bibel lehrt uns, was falsch und was richtig ist.“ Mit der Bibel kennt er sich aus, hat er das Holy nicht schon im Namen? Seine Kinder heißen teilweise Elijah, Ezekiel und Esaias, und beim Boxen trug er den Schriftzug „Psalm 107, 20“ („Er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie“) oft auf der Hose.

Nein, mit Männern war nichts. Holyfield hat zwar auch Männer umgelegt, aber nur im Ring. Im Bett hatte er ausschließlich Frauen. Allerdings, behaupten böse Zungen, nicht nur die eigenen Ehefrauen, und sie munkeln sogar, dass bei seinen elf Kindern die außerehelichen bei Weitem noch nicht berücksichtigt sind. Janice Holyfield, eine der Ex-Gattinnen, wollte ihrem boxenden Samenstrang angeblich sogar einmal eine 15-Millionen-Dollar-Kampfbörse pfänden lassen unter dem grässlichen Verdacht, er habe den einen oder anderen Sprössling gezeugt, während sie daheim mit dem Abendessen auf ihn wartete. Falls das alles nicht erstunken und erlogen ist, fragt sich jeder Homosexuelle jetzt natürlich mit einigem Recht: Ist dieses Holyfield’sche Sexleben der herkömmlichen Art durch die Bibel tatsächlich gedeckt, flankiert vom Segen Gottes und dessen ausdrücklichem Wohlgefallen?

Der Allmächtige hat es nicht leicht. Aber für die Hardliner unter den Heteros steht fest, dass der da oben im Himmel auf der richtigen Seite steht und die Angst vor seinem heiligen Zorn bestenfalls wirkt wie zehn Kübel kaltes Wasser – jedenfalls hat der langjährige persische Präsident Ahmadinedschad in einer seiner Reden einst geschworen: „Im Iran gibt es keine Homosexuellen.“

Ins Koma geprügelt

Großer Gott und Allah, so wird es sein. Ach, wie sorgenlos muss so eine schwulenlose Gesellschaft sein. Keine bibelharten Brasilianer müssen die Grätsche auspacken und keine heiligen Holyfields die Faust Gottes, keine Doktoren müssen sexuelle Gene verbiegen wie krumme Beine – und vor allem müssten wir jetzt nicht die Geschichte von Benny „Kid“ Paret erzählen. Der Kubaner war Boxer und dachte wie Holyfield. 1962 boxte er in New York um die WM im Mittelgewicht, und beim Wiegen hänselte er seinen Gegner Emile Griffith, der sich kurz zuvor als schwul geoutet hatte, als „Maricon“, als warmen Bruder. Paret tätschelte ihm den Hintern, und als der Kubaner im Publikum den Lebenspartner von Griffith erkannte, rief er: „Wie geht es deinem Gatten, mein Süßer?“ In Runde zwölf schlug der Gedemütigte mit allem zurück, was er an Wut in sich hatte. Er prügelte Paret in die Seile, der fiel ins Koma, und ein paar Tage später starb er. War diese Intoleranz, die im tödlichen Hass mündete, doch nicht im Sinne Gottes? Ist Holyfield zu leichtfertig beim Verteilen des Heiligen Geists?

Vielen geht es wie Boy George. „Ich hielt ihn für cool, gescheit und für einen Großen“, sagt der britische Sänger, aber seit ein paar Tagen denkt er nun eher, dass Holyfield das Problem vieler Boxer hat: einen Kampf zu viel. War es der Kampf gegen Mike Tyson, hat ihm der seinerzeit nicht nur ein Ohr abgebissen, sondern auch noch die Vene erwischt, die zuständig ist für die Blutzufuhr nach oben? Schlimmstenfalls ziehen Boxer, die einen Kampf zu viel haben, irgendwann an der Leine eine Zahnbürste durch den Garten einer geschlossenen Anstalt und behaupten, das sei ihr Hündchen – oder sie glauben, dass gegen die Homosexualität der Doktor mit einem Glas Hustensaft hilft.

Sie lachen wieder? Gott sei Dank. Ja, Gott und der Sport können zum Schmunzeln sein, wenn sie sich an der richtigen Stelle begegnen, und als versöhnlicher Schluss deshalb jetzt schnell noch der: Rummenigge, Hoeneß und Beckenbauer treffen sich bei den Bayern zum Gipfelgespräch – und hauen sich ihre Fachkompetenz um die Ohren. „Merkt euch eins“, stellt der Franz klar, „der Kaiser bin immer noch ich!“ „Moment mal“, bremst ihn Rummenigge, „ich bin hier der Boss, das hat mir der liebe Gott persönlich gesagt!“ „Was soll ich gesagt haben?“, faucht darauf Hoeneß.