Dem Wunsch der Ukraine nach einem Beitritt zur EU ist Brüssel beim Gipfel in Riga nicht entgegengekommen. Ein paar Millionen Euro sollen den Frust lindern.

Riga - Petro Poroschenko hat einen Traum: Nach seiner Amtszeit, hat der ukrainische Staatschef kürzlich gestanden, wäre er gerne Europaabgeordneter. Es ist deshalb sein erklärtes Ziel, sein Land in die EU zu führen. Ein wichtiger Zwischenschritt auf diesem Weg sollte der Gipfel der östlichen Partnerschaft werden, der am Donnerstagabend in Riga begonnen hat. Im Vorfeld war mit Unterstützung der baltischen Staaten, Polens und Rumäniens mächtig Druck gemacht worden, um eine klare Beitrittsperspektive in der Gipfelerklärung unterzubringen. Schon am Ende des ersten Tages in der lettischen Hauptstadt jedoch hat Poroschenko diesbezüglich seine Hoffnung begraben müssen.

 

Von Mitgliedschaft ist nicht einmal andeutungsweise die Rede im Abschlusskommuniqué, dessen letzter Entwurf dieser Zeitung vorliegt. „Die Gipfelpartner anerkennen die europäischen Wünsche und Entscheidungen der osteuropäischen Partnerländer, wie sie in den Assoziierungsabkommen zum Ausdruck kommen“, heißt es darin. Partnerschafts- und Freihandelsabkommen also – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Am Abend mehrten sich jedoch die Stimmen, wenigstens eine ganz allgemeine Unterstützung der europäischen Ambitionen von Moldawien, Georgien und der Ukraine zu formulieren. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, forderte zumindest eine vage „europäische Perspektive“. Dies galt zwar als wahrscheinlich, ändert jedoch nichts daran, dass das Wort „Beitritt“ in Riga ein Tabu ist. „Die östliche Partnerschaft ist kein Instrument der Erweiterung der Europäischen Union“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel und wiederholte damit die Aussage ihrer Regierungserklärung von Vormittag, „aber der Annäherung an die EU.“

Hauptgrund für die klare Abfuhr ist Moskau. Solange der Waffenstillstand in der Ostukraine zwar brüchig ist, zumindest aber die Chance besteht, dass das entsprechende Minsker Abkommen bis Jahresende umgesetzt wird, folgt die EU Merkels Linie, Russland keinen neuen Grund für eine Eskalation zu liefern. „In dieser Phase Perspektiven aufzuzeigen ist schwer“, sagte etwa der finnische Premier Alexander Stubb. „Jetzt etwas zu versprechen, was man nicht halten kann, wäre unaufrichtig“, meinte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann.

Die Zurückhaltung hat jedoch auch interne Gründe. „Die Bürger haben eine Abneigung gegenüber künftigen EU-Mitgliedschaften, das müssen wir berücksichtigen“, sagte in Riga der für die Nachbarn zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn aus Österreich. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok meint, erst sollten die Abkommen umgesetzt werden, die der Ukraine, Georgien und Moldawien vom nächsten Jahr an vollen Zugang zum europäischen Markt gewähren, statt die selbst kriselnde Gemeinschaft mit Beitrittsdebatten zu überfordern: „Eine EU, die platzt, nutzt der Ukraine auch nichts.“

Alternative Annäherungswege werden diskutiert

Ihre Enttäuschung darüber, dass der Gipfel auch nicht die erhoffte Visafreiheit beschließen wird, soll mit alternativen Zusagen gelindert werden. So hat die EU-Kommission zugesagt, bis Jahresende und damit früher als geplant, die Visumfrage erneut zu prüfen – mit der Aussicht, dass 2016 die formlose Einreise in die EU möglich werden könnte. Diese Zusage feierten Poroschenko und Georgiens Premier Irakli Garibachvili denn auch öffentlich. Zudem gibt es mehr Geld: Die Brüsseler Behörde kündigte am Donnerstag 200 Millionen Euro an Zuschüssen für kleine und mittlere ukrainische Firmen über zehn Jahre an, mit denen sie Investitionen von bis zu zwei Milliarden Euro stemmen können. Erwartet wird, dass an diesem Freitag weitere allgemeine Kredithilfen in ähnlicher Höhe verkündet werden – zusätzlich zu den 13 Milliarden Euro, die die EU schon für die klamme Kiewer Regierung bereitgestellt hat.

Alternative Annäherungswege zu einem EU-Beitritt finden sich nicht in der Abschlusserklärung, werden aber in Riga sehr wohl diskutiert. Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, berichtete von einem Gespräch mit Poroschenko am Montag, in dem „eine ganze Bandbreite“ alternativer Wege diskutiert worden sei – vom Modell Schweiz, das mit einer Reihe bilateraler Verträge mit der EU verbunden ist, über die Zusammenarbeit im Europäischen Wirtschaftsraum. Der EWR dehnt den gesamten Binnenmarkt mit allen Rechten und Pflichten auf Island, Liechtenstein und Norwegen aus. Europaabgeordneter könnte Petro Poroschenko damit aber freilich nicht werden..