Acht Flüchtlinge – frühere Muslime aus Syrien und dem Irak – sind zum Christentum übergetreten und haben sich im Ostergottesdienst der Stuttgarter Stiftskirche taufen lassen. Wegen ominöser Warnungen im Vorfeld musste sich die Polizei bereithalten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Täuflinge haben uns heute beschenkt“, sagt der evangelische Landesbischof Frank Otfried July. „Sie haben uns daran erinnert, was es heißt, getauft zu sein.“ Für die Stuttgarter Stiftskirchengemeinde war der Ostergottesdienst ein ungewöhnliches Ereignis: Acht frühere Muslime aus Syrien und dem Irak – eine Frau und sieben Männer – haben sich taufen lassen und damit offen zum Christentum bekannt. Im Vorjahr hatte es in der Kooperation mit der arabischen Gemeinde schon ein ähnliches Fest gegeben, doch der am Ostersonntag von July und Pfarrer Hanna Josua geleitete Taufakt stand angesichts der Flüchtlingskrise und der terroristischen Bedrohung durch Islamisten unter ganz besonderen Vorzeichen.

 

So musste die Polizei den Gottesdienst dezent aus dem Vorraum der Kirche heraus zu beobachten, nachdem es in den Tagen davor ominöse Hinweise auf mögliche Störungen gegeben hatte. Solche Fälle von gelungener Integration sind manchen Menschen offenbar ein Dorn im Auge. „Ostern 2016 muss ein Bekenntnis sein gegen Terror, Krieg und Vertreibung“, mahnt der Landesbischof in der Predigt. „Immer wieder der unendliche Hass auch in unserem Land.“ Es gelte nun, die „Schockstarre zu lösen, die Gewalt und Hass hervorrufen“.

Die Kirche will die Not nicht für eigene Zwecke ausnutzen

In ganz Baden-Württemberg ließen sich zu Ostern etwa 25 frühere Muslime taufen. In der Stiftskirche nahmen einige der vier Syrer und vier Iraker biblische Namen an. Seit ungefähr einem Jahr sind sie in Deutschland und leben nun in Flüchtlingsunterkünften. Alle haben sie zuvor einen Taufkurs besucht. Stets sei ein längerer Prozess des inneren Ringens mit dem Vorhaben vorausgegangen, erläutert Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler. Wichtig ist ihm die Botschaft: Keinesfalls würden sie die Taufe entgegennehmen, um damit ihren Flüchtlingsstatus zu verbessern.

Der Landesbischof versucht derweil, einem weiteren Verdacht zu begegnen: „Wir werden nicht die Not von Flüchtlingen ausnutzen, um sie für den Glauben zu gewinnen“, betont July. Jeder von denen, die nach Deutschland kämen, habe Schutz und Hilfe verdient – er brauche sich aber nicht taufen zu lassen. Da sich die Täuflinge jedoch zumeist schon in ihrer Heimat zu dem Schritt durchgerungen hätten, „freut sich die christliche Gemeinde“, so July.

„Erschütternde Fluchtgeschichten“ erlebt

„Natürlich taufen wir öffentlich – wie denn sonst“, ruft Vosseler den zahlreichen Gottesdienstbesuchern zu. Das Ereignis sei ein Zeichen für Religionsfreiheit, die es in ihren Ländern nicht gebe. Aus dem gleichen Grund wollen gerade die Syrer nicht in Medienberichten auf Fotos erkannt werden, weil sie wegen ihres Bekenntnisses zum neuen Glauben Repressionen gegen Familienmitglieder in ihrer Heimat fürchten. Fast alle Täuflinge wüssten „erschütternde Fluchtgeschichten“ zu berichten und seien entsprechend traumatisiert, merkt Vosseler an. Ein Syrer saß eineinhalb Jahre wegen seines Glaubens im saudi-arabischen Gefängnis, ein anderer musste die Eltern und zwei Brüder unter den Trümmern ihres Hauses tot zurücklassen.

Auf die Frage, was die Taufe für ihn bedeute, sagt der Iraker Ali Tameme, der sich nun Christian nennt: „Es der Anfang eines neuen Lebens.“ Ostern sei nun mal das Fest der Auferstehung und des neuen Lebens – deswegen sei dies die ideale Gelegenheit.