Der SPD-Politiker Gernot Erler hat bei einem Vortrag in der Winnender Volkshochschule für vertrauenbildende Maßnahmen mit Russland plädiert.

Winnenden - Eine unübersichtliche Zeit voller Kriege und bewaffneter und schwelender Konflikte – der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler hat am Freitagabend den Zuhörern seines Vortrags mit dem Titel „Politische Verantwortung in einer aus den Fugen geratenen Welt“ im großen Saal der Winnender Volkshochschule einen Einblick darin gegeben, wie hart der Job von Diplomaten zurzeit ist. Der Ostpolitiker, der Sonderbeauftragter für den deutschen Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist, plädierte in der von dem Winnender SPD-Vorsitzenden Andreas Herfurth geleiteten Diskussion jedoch dafür, den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen zu lassen. „Dialog erneuern, Vertrauen neu aufbauen, Sicherheit wieder herstellen“, das sei die Maxime.

 

Diese Entspannungspolitik tue Not, denn nach Erlers Einschätzung hat vor allem das Aufeinanderprallen des Natomitglieds Türkei mit Russland in Syrien gefährliche Dimensionen. Das zeige sich daran, dass die Nato vor kurzem die Schutzgarantie für die Türkei für den Fall eingeschränkt hat, dass der Bündnisstaat einen Krieg mit Russland verursacht. Aber auch das US-amerikanisch-türkische Verhältnis sei belastet. Schließlich bekämpfe die Regierung Erdogan auch jene Kurdengruppen, welche die USA mit Waffen ausrüsteten und die quasi als eine Art amerikanische Bodentruppen vor Ort fungierten.

Die militärischen Zurückhaltung der USA habe aber auch noch andere Folgen: Unter dem Eindruck der russischen Erfolge in Syrien habe Obama Moskau unlängst wieder zum Verhandlungspartner für eine Lösung des Konfliktes erklärt, sagte Erler. Noch vor zwei Jahren habe der US-Präsident Russland als eine „Regionalmacht“ bezeichnet, die „nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche“ handle.

Wie unterschiedlich die Sichtweisen zwischen Russland und dem Westen sind, verdeutlichte Erler am Beispiel der Annexion der Halbinsel Krim. Von russischen Freunden bekomme er immer wieder gesagt, dieses Vorgehen sei „unsere Wiedervereinigung“. Der Verweis auf die deutsche Vergangenheit spiele darauf an, dass die Halbinsel auf recht ungewöhnliche Weise zum Teil des ukrainischen Staatsgebiets wurde. Im Jahr 1954 wurde sie auf Order des damaligen Parteichefs Nikita Chruschtschow hin im Zuge einer Feierlichkeit von Russland an die Ukraine verschenkt.

Was in der damaligen Sowjetunion ohne größere Bedeutung war, sei nach deren Auflösung 1991 zum Politikum geworden, sagte Erler. Der Westen habe der Ukraine 1994 als Gegenleistung für den Verzicht auf Atomwaffen die Unverletzlichkeit der Grenzen garantiert – ein Umstand, der jetzt durch den bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine in Frage gestellt werde.

„Es gibt aber auch Hoffnung“, sagte Erler. In Europa sei man sich hinsichtlich des Ukrainekonfliktes einig, dass es dafür nur eine politische Lösung geben könne. Die Sanktionen gegenüber Russland würden aufrecht erhalten, damit Moskau auf die separatistischen Kräfte Druck ausübe, die vereinbarten Feuerpausen einzuhalten.

Was die Verhandlungen betreffe, so vertrete der Außenminister Frank-Walter Steinmeier den Standpunkt, dass Russland nach wie vor eine konstruktive Rolle spielen könne, sagte Erler. Es gelte, den Faden aufzunehmen, den Russland bei den zwölfjährigen Verhandlungen mit dem Iran über das Atomabkommen mitgesponnen habe.