In einer Lernwerkstatt in Ostfildern haben junge Geflüchtete erste Berührungspunkte mit der hiesigen Arbeitswelt. Dabei geht es auch darum, pünktlich zu sein.

Ostfildern - Es gibt viel zu tun. Vom Wände streichen über das Verkabeln von Lichtschaltern mit Glühbirnen bis hin zum Bohren und Schleifen bekommen junge Flüchtlinge in Nellingen während zwölfwöchiger Kurse zahlreiche handwerkliche Grundfertigkeiten beigebracht. Am Freitag fiel der offizielle und feierliche Startschuss für das zunächst auf drei Jahre angelegte Ibus-Projekt des Kreisdiakonieverbandes in Zusammenarbeit mit der Stadt Ostfildern und dem örtlichen Freundeskreis Asyl. Ibus steht für Integration, Beschäftigung, Unterstützung und Sprache.

 

Die Idee sei es, Geflüchteten ein niederschwelliges Arbeitsangebot zu machen, erklärte die Beauftragte für Integration und Flüchtlingshilfe bei der Stadt Ostfildern, Andrea Koch-Widmann. Nach dem Besuch des mehrwöchigen Kurses bekämen die Teilnehmer ein Zertifikat, das ihnen bei der Suche nach Arbeit helfen solle. Grundsätzlich sei der Kurs in vier Bereiche geteilt: Elektrik, Malen und Verputzen, Holz und Metall sowie Montieren und Arbeitssicherheit. Ob die bereits bestehende Fahrradwerkstatt der Flüchtlingshelfer darüber hinaus noch eingebunden werden soll, darüber werde noch nachgedacht. Es werden jedenfalls noch weitere Ehrenamtliche gesucht, die eine handwerkliche Ausbildung genossen haben und sich in der Lehrwerkstatt engagieren möchten.

Oft hapert es an der Sprache

Derzeit seien es 16 Kursteilnehmer im Alter von 18 bis 35 Jahren, die aus Ländern wie Nigeria, Afghanistan oder Syrien stammten. Viele hätten bereits handwerkliche Kenntnisse in ihren Heimatländern erworben, berichtet der Projektleiter Friedrich Becker. Andererseits gebe es unter den Geflüchteten auch Menschen, die nie oder nur kurz eine Schule besucht hätten und nun große Schwierigkeiten beim Lernen der deutschen Sprache sowie der lateinischen Buchstaben hätten. Neben den handwerklichen Fachkenntnissen sei es auch erklärtes Ziel der Lernwerkstatt, den Menschen die Sprache und Mentalität im Arbeitsleben in Deutschland zu vermitteln. „Vielfach hapert es an der Sprache“, weiß Becker. Wenn die Sprache mit Praktischem verbunden werde, gelinge vielen das Lernen leichter. Ein Arbeitsheft „Deutsch in der Werkstatt“ vermittelt den Geflüchteten anhand von gezeichneten Bildchen Worte wie „Helm“ oder „Hammer“. Im Idealfall führe der Kurs in der Lernwerkstatt zu einer Hilfsbeschäftigung in einem Betrieb. Wenn die Sprachkenntnisse vertieft werden, könne irgendwann eine Berufsausbildung folgen.

Pünktlichkeit und Verhalten im Krankheitsfall

Die Verbindlichkeit im Arbeitsleben sei ferner nicht überall im Ausland mit den Gepflogenheiten in Deutschland vergleichbar, erklärt der Projektleiter Becker weiter. Es sollen während des Kurses auch Pünktlichkeit oder das Verhalten im Krankheitsfall vermittelt und eingeübt werden.

Eine Teilnahme an dem Kurs ist sowohl für anerkannte als auch für nicht anerkannte Geflüchtete möglich. Die Fachbereichsleiterin Armut und Beschäftigung des Kreisdiakonieverbandes, Tanja Herbrik, betont, dass Integration nur mit Arbeit und Sprache gelingen könne. Für sie ist das Projekt allerdings auch dann ein Erfolg, wenn die Kursteilnehmer ihren Asylantrag nicht anerkannt bekommen. Auch im Falle der Ablehnung des Asylantrages seien die erworbenen Kenntnisse nicht verloren. Die Geflüchteten könnten ihr neues Wissen in ihren Heimatländern einsetzen und hätten ferner nicht das Gefühl, die teils lange Zeit des Wartens in Deutschland völlig sinnlos verbracht zu haben.