Der Komiker Otto Waalkes ist in der Stuttgarter Liederhalle aufgetreten. Sein Humor ist Geschmackssache. Die Zuschauer jedenfalls jubeln.

Stuttgart - Am Sonntag, tritt er im honorigen Baden-Badener Festspielhaus auf, nach Anne-Sophie Mutter und Sir Simon Rattle und vor Jonas Kaufmann und Gidon Kremer. Kein Zweifel: Otto ist ein Star. Zu seinen Fans gehörten auch die Highbrow-Satiriker der Neuen Frankfurter Schule. Zugleich aber hat er ein breites Publikum gewonnen wie vor ihm vielleicht Heinz Rühmann. Wenn Jean-Luc Godard den „Kindern von Marx und Coca-Cola“ huldigte, so war Otto das Kind der Marx Brothers und – nun ja: von Coca-Cola. Das Blödeln als Kunst hat er nicht erfunden, aber er hat ihm eine Variante hinzugefügt, gestisch, verbal, im Auftreten, das offenbar den Geist der Zeit und den Nagel auf den Kopf traf. Er wurde imitiert, wie einst Hans Moser oder John Wayne, seine Gags und Kalauer wurden zu Folklore, wer ihn nicht kannte, war für den Small Talk ebenso verloren wie jemand, der „Wetten, dass . . ?“ oder die Fussball-WM verschwitzt hat. Er war nämlich auch ein Kind des Fernsehens.

 

Aber ist das nicht alles schon Geschichte? Funktioniert das heute noch? Oder gehen die Leute in die Liederhalle, um die Zeit auferstehen zu lassen, als sie noch jung und knackig waren, als der anarchische Clown ihrem Lebensgefühl näher stand als die gute Gesellschaft, in der sie mittlerweile angekommen sind? Immerhin füllt Otto immer noch zwei Mal hintereinander den Beethoven-Saal. Das schaffen nicht mehr viele aus den Jahren, in denen er seine Glanzzeit hatte. Und es sind keineswegs nur Nostalgiker im Saal. Im Publikum sind alle Altersgruppen vertreten, bis hin zu Kindern aus der Grundschule.

Glatze über der blonden Mähne

Otto, mittlerweile 65 Jahre alt, hat eine Glatze über seiner blonden Mähne, die unverzichtbar zu seinem Auftritt gehört wie das Stottern zu Werner Finck. Er ist, wie viele große Komiker von Charlie Chaplin bis Woody Allen, von Tati bis Georg Schrammm ein Typus: der Typus des verhuschten Fauns, des sorglosen Hansguckindieluft, mit einem komischen Gang wie Chuck Berry oder Michael Jackson. Sein Humor entzieht sich ebenso der Kritik wie ein Big Mac. Er ist Geschmackssache. Er geht so: „Die Magd ist beim Milchtrinken erstickt. Die Kuh hatte sich hingesetzt.“ Oder so: „Meine Frau ist mit meinem besten Freund durchgebrannt. Jetzt ist alles so sinnlos ohne ihn.“ Oder so: „Pommes de bordell: Kartoffelpuffer“. Otto setzt an zu Parodien von Heino oder Peter Maffay oder Falco und hört gleich wieder auf.

Doch darauf kommt es gar nicht an. Was zählt, ist das Gemeinschaftserlebnis, die Strandparty im Konzertsaal. Die Zuschauer jubeln und krähen auf Geheiß wie ein Hahn. Und als Otto ansetzt, „seinen Song“ „Marmorstein und Eisen bricht“ zu singen, nimmt ihm das Publikum die Arbeit ab, brüllt einen Schlager nach dem anderen. Eigentlich braucht man Otto nicht.