Warum passen zwei Menschen zusammen? In unserer Serie sprechen Paare über ihre Beziehung. Heute: Moni und Hajo Riedel aus Ulm, die einander auch nach 27 Jahren Ehe immer noch Liebesbriefe schreiben.

Ulm - Viele kleine Stapel mit Heften liegen auf dem Esstisch von Moni und Hajo Riedel aus Ulm. Insgesamt 48 solcher Kladden haben sie in 27 Jahren mit Liebesbriefen vollgeschrieben – die ungewöhnliche Chronologie einer Ehe. „Wenn wir darin nachlesen, denken wir manchmal: Toll, was wir schon gemeistert haben“, sagt er. „Manchmal stellen wir aber auch fest, dass wir schon mal weiter waren“, sagt sie. Während des Gesprächs sucht das Paar immer wieder den Blickkontakt und berührt sich zärtlich.

 
Frau Riedel, Herr Riedel, Ihr jüngster Sohn ist kürzlich ausgezogen. Wie geht es Ihnen mit dem leeren Nest?
Moni Riedel Ich hatte schon Bammel, wie es wird, und mich deshalb vorher schon mit der Veränderung auseinandergesetzt. Wir genießen nun die Freiheit. Es ist keiner daheim, der fragt: Mama, was gibt’s zum Essen? Wir können spontan nach der Arbeit noch was unternehmen.
Hajo Riedel Für mich war’s beim ersten von unseren drei Söhnen schwierig, beim letzten nicht mehr. Es bleibt uns die Begleitung aus der Ferne. Wir verfolgen nun mit Freude die Schritte unserer Jungs in die Selbstständigkeit.
Wie alt waren Sie, als Sie sich kennenlernten?
Moni R. Ich war 18, Hajo 20. Wir haben nach fünf Jahren geheiratet, das war vor 30 Jahren.
Gilt für Sie das Sprichwort „Früh gefreit, nie gereut“?
Hajo R. Ja, es gab dann niemand anderes mehr.
Moni R. Wir haben uns auf der Fahrt zum Katholikentag in Düsseldorf kennengelernt. Ich war auf einem katholischen Mädchengymnasium und stand kurz vor dem Abitur. Meine Eltern waren nicht begeistert, dass ich einen Freund hatte. Wir sahen uns nicht oft, schrieben aber viele Liebesbriefe.
Ein Ritual, das Sie bis heute pflegen?
Moni R. Wir haben drei Jahre nach der Hochzeit wieder damit angefangen, weil wir merkten, dass sich in unsere Beziehung Routine und Selbstverständlichkeit eingeschlichen hatten. Wir nahmen uns nicht mehr so viel Zeit füreinander und sagten uns auch nicht mehr alles. Wir spürten, wir müssen etwas tun.
Hajo R. Wir haben dann ein Wochenende bei Marriage Encounter (ME) gemacht, eine christliche Gemeinschaft, die Paare in ihrer Ehe stärken will. Da lernten wir den Liebesbrief als Form der regelmäßigen Kommunikation kennen.
Wie sieht das konkret aus?
Moni R. Wir haben gelernt, dass es möglich ist, sich auf einer tieferen Ebene miteinander auszutauschen. Nämlich über seine Gefühle, weil sie der wahre Grund unseres Handelns sind. Wir schreiben im Liebesbrief immer über einen bestimmten Aspekt unserer Beziehung, über ein Erlebnis oder ein Problem. Vorrangig geht es dabei aber um die Gefühle, die wir dabei empfunden haben.
Hajo R. Im Alltag fragt man „Wie geht’s dir?“ – „Ja, scho recht“, sagt dann der Schwabe. Aber da fehlt was. Wir lupfen den Deckel und schauen, was beispielsweise hinter der Aussage gut steckt. Am Anfang jedes Briefes steht immer eine Wertschätzung für den Partner. Ich schreibe zuerst, was mir guttat von Moni, was ich an ihr geschätzt habe.
Was ist der Vorteil eines Briefes?
Hajo R. In einem Brief befasse ich mich erst mal mit mir selbst und werde mir über meine Gefühle klar. Da wir nach dem Schreiben unsere Briefe austauschen, weiß ich, dass Moni mich dann auch wirklich hört.
Moni R. Beim Schreiben bleibe ich bei mir selbst, und beim Lesen bin ich beim anderen. Ich kann also nicht wie im Gespräch gleich reagieren und meine Sicht der Dinge sagen, das ist ein Vorteil und kommt unserem Charakter entgegen. Hajo ist eher still, und sagt vieles vielleicht nicht. Ich bin kommunikativer.
Typisch Mann und Frau halt.
Hajo R. (lacht): Ja, schon.
Moni R. Ich habe gemerkt, dass das Schreiben unsere Chance ist.