Warum passen zwei Menschen zusammen? In einer Serie sprechen besondere Paare über ihr Leben. Heute: Elmar und Melanie Probst erzählen, dass Epilepsie zusammenschweißen kann.

Leonberg - Warmbronn liegt sanft eingebettet zwischen bewaldeten Hügeln. Hier leben Elmar und Melanie Probst in einer liebevoll eingerichteten Maisonette-Wohnung. Auch im Umgang miteinander wirken sie sehr liebevoll. Beim Gespräch lächelt er ihr aufmunternd zu, sie nickt bestätigend, wenn er etwas sagt. Was man als Außenstehender nicht sieht: Sie ist Epileptikerin, ihre Krampfanfälle sind unberechenbar.

 
Herr Probst, wussten Sie von der Krankheit Ihrer Frau, bevor es zwischen Ihnen funkte?
Elmar Probst Melanie und ich haben uns vor 13 Jahren ganz klassisch bei der Arbeit kennengelernt. Ich mochte sie gleich. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass sie immer von einer Kollegin ins Büro gefahren wurde, obwohl sie ja einen Führerschein hatte. Ich dachte, vielleicht musste sie nach einem lustigen Abend den Führerschein abgeben. Als ich sie dann darauf ansprach, erzählte sie mir, dass sie seit dem Säuglingsalter Epileptikerin ist – als Folge einer Hirnhautentzündung.
Melanie Probst Nachdem ich kurz davor einen Anfall hatte, war es für mich wichtig, auf Nummer sicher zu gehen. Schließlich war ich vorgewarnt: Meinen ersten richtigen Anfall hatte ich bei einer Autofahrt. Da bin ich in Reutlingen an einem Baum gelandet. Davor hatte ich nur eplipetische Auren. Das ist so ein Gefühl, das in mir aufsteigt. So drei bis vier Geschichten, die immer wieder in meinem Kopf ablaufen. Es ist wirklich schwer zu erklären. Als Kind dachte ich, jeder hat das.
Elmar Probst So wie sie es beschreibt, würde ich es mit einem Déjà-vu vergleichen.
Zögerten Sie, eine Beziehung mit einer Epileptikerin einzugehen?
Elmar P. Nein. Das wäre nie ein Grund gewesen, mich von ihr abzuwenden. Ich habe die Krankheit gegoogelt, damit ich weiß, was auf mich zukommt. Wie sie sich dann aber konkret äußert, war mir natürlich fremd.
Wie erlebten Sie den ersten Anfall?
Elmar P. Ich dachte, sie stirbt. Es war krasser, als ich es mir je vorstellte. Es passierte in der Küche. Ich hab sie angesprochen, aber sie hat nicht reagiert. Im nächsten Moment ist sie einfach umgekippt, ich konnte sie gerade noch auffangen. Es war eine völlig surreale Situation. Sie war extrem verkrampft, und das Gesicht wurde – Entschuldigung, wenn ich das so sage, Melanie – völlig entstellt. Sie schüttelte sich und bekam kaum noch Luft.
Melanie P. Ich verschlucke mich dabei wohl an meinem eigenen Speichel.
Elmar P. Ich bin mit ihr zu Boden gegangen und hab nur gedacht: Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Aber letztlich hat mich diese Erfahrung nur noch mehr mit ihr verbunden.
Kann man sich im Lauf der Jahre an solche extremen Momente gewöhnen ?
Elmar P. Ich muss dann einfach funktionieren. Es ist inzwischen nicht mehr nur ihre Krankheit, sondern unsere, weil wir sie irgendwie gemeinsam stemmen müssen. Das geht gar nicht anders. Wir müssen die Krankheit ins Leben integrieren und ein Stück weit akzeptieren – auch wenn wir sie eigentlich verfluchen.
Wie sehen die kleineren Anfälle aus?
Elmar P. Da tut sie Dinge, die sie nicht mehr steuern kann. Sie denkt aber, es merkt keiner.
Melanie P. Ja, das war mir nie richtig bewusst. Erst mit ihm habe ich rausbekommen, dass mir mein Gehirn eine falsche Wahrheit vorgaukelt. Ich denke, wir unterhalten uns ganz normal, dabei ergeben meine Sätze keinen Sinn.
Elmar P. Oder sie nimmt dann irgendwas in ihre Hand und versucht es zu drehen. Wenn sie gerade nichts in der Hand hat, dreht sie den Arm in der Luft.
Melanie P. Danach ist immer alles wie ausradiert. Dieser Kontrollverlust macht Angst.
Elmar P. Sie befürchtet, dass Menschen, die sie in diesem Zustand sehen . . .
Melanie P. . . . hilflos sind, sich eher zurückziehen als mehr über die Krankheit erfahren zu wollen.
Sie nehmen ihr die Angst?
Melanie P. Nun, er ist bei uns schon der Positive.
Elmar P. Immer, wenn meine Frau sich einem größeren Druck aussetzt und denkt: „Hoffentlich passiert nichts“, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass etwas passiert. Deswegen rede ich beruhigend auf sie ein: Denk daran, heute ist ein super Tag, und der Termin wird funktionieren. Ich glaube, es gibt Methoden, die meiner Frau helfen, Anfälle zu verhindern. Positives Denken gehört dazu. Bei ihr kann kaltes, weißes Licht ein Auslöser sein, deswegen haben wir die Wand über dem Fernseher grün gestrichen.
Melanie P. Es tut gut, einen Partner zu haben, der immer zu einem steht und dem man anmerkt, dass es für ihn kein Problem ist.