Vier Tage nach dem Erdbeben in der Provinz Baluchistan warten ganze Ortschaften immer noch auf Hilfslieferungen. Rebellen erschweren den Zugang in das Katastrophengebiet.

Islamabad - Einige Überlebende versuchen, aus den Trümmern ihrer Lehmhütten provisorische Unterkünfte zu basteln. Andere hoffen, dass zornige Proteste vor den beschädigten Gebäuden der Verwaltung die Hilfe beschleunigen – vier Tage, nachdem ein Erdbeben den kompletten Distrikt nahe der Küste in der pakistanischen Provinz Baluchistan zerstört hat. Bisher sind in der Region nicht mal die 1000 Zelte angekommen, die auf Lastwagen des Militärs losgeschickt wurden. Etwa 300 000 Menschen warten auf Hilfe. Die Zahl der Toten stieg auf über 500.

 

„Das Katastrophengebiet ist teilweise so schwer zu erreichen, dass wir immer noch nicht alle Ortschaften erreicht haben“, gibt die pakistanische Regierung in Islamabad zu. Besonders schlimm betroffen ist der Distrikt Awaran. Er liegt südlich der Verbindungsstraße zwischen der Metropole Karachi und dem Hafen Gwadar, in einem tiefen Tal hinter einem Gebirgszug, in dem sich Rebellen der Separatistengruppe „Baluchistan Liberation Army“ verstecken.

Keine ausländischen Hilfsorganisationen

Nur eine Straßenverbindung führt in das Tal. Ihr Zustand ist so schlecht, dass nur Fahrzeuge mit Allradantrieb die kurvenreiche Strecke bewältigen können. Armeekonvois kommen nur im Schritttempo vorwärts, weil sie sich vor Attacken der Rebellen hüten müssen. Das Frontierkorps, das Tausende von Soldaten in der Region stationiert hat, wird wegen seines brutalen Vorgehens verachtet und gehasst.

Wie prekär die Sicherheitslage ist, musste selbst General Muhammed Saeed Aleem erfahren, der Chef von Islamabads Katastrophenschutzbehörde NDMA. Sein Hubschrauber wurde mit einer Rakete beschossen, als er sich das Katastrophengebiet aus der Luft anschauen wollte. Das Geschoss verfehlte zwar sein Ziel. Aber der Angriff bestärkte Islamabad in seiner Haltung, vorerst keine internationalen Helfer in das Katastrophengebiet zu lassen. Bereits während der vergangenen Jahren hatte die Regierung des Landes sich immer wieder quer gestellt, wenn ausländische Hilfsorganisationen in Baluchistan die Arbeit aufnehmen wollte.

Verbände werden langsam knapp

Das von Gewalt geplagte Land, in dem während der vergangenen zehn Jahre 40 000 Menschen bei Anschlägen ihr Leben verloren, reagiert auf die Separatisten in Baluchistan besonders allergisch. Seit der Gründung vor mehr als 60 Jahren fürchtet das Land, auseinander zu brechen.

Die mühsam anlaufende Hilfe Islamabads, die logistischen Problem und die obrigkeitsstaatliche Attitude der Behörden sind wenig geeignet, die Sympathien der Bevölkerung im Katastrophengebiet zu gewinnen. Bei Temperaturen von über 40 Grad Celsius müssen Hunderttausende von Obdachlosen auch noch mit Wassermangel kämpfen. Das Beben hat die wenigen Verbindungsrohre beschädigt. Dringend benötigtes Trinkwasser muss vorläufig auf Fahrzeugen in Tanks herangeschafft werden. Die Verletzten, die nicht nach Karachi gebracht wurden, müssen fast ohne ärztliche Versorgung auskommen. Selbst Verbände werden langsam knapp.