Taliban-Milizen haben einen Campus gestürmt und gezielt Studenten und Professoren getötet. 21 Menschen starben. Die Tat erfolgte ausgerechnet an einem Tag, an dem die Schüler einer pakistanischen Friedensikone gedenken wollten.

Charsadda - Die sechs schwerbewaffneten Angreifer schlichen sich im dichten Nebel heran. Als nach drei Stunden langen heftigen Kämpfen die Waffen wieder schwiegen, waren 21 Studenten und Dozenten der Badshah Khan Universität in Charsadda sowie mindesten sechs Angreifer der radikalislamischen pakistanischen Talibanmilizen tot. Mindestens 30 Menschen erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen.

 

Die Attacke erinnerte an einen Anschlag auf eine Schule des pakistanischen Militärs vor rund einem Jahr im 50 Kilometer entfernten Peshawar, bei der rund 150 Menschen, die meisten Kinder, ermordet worden waren. Doch der Angriff auf die rund 3000 Studenten zählende Badshah Khan Universität zeigte mehr noch als andere Terrorüberfälle der vergangenen Jahre, wie verhasst den radikalislamischen Extremisten des Landes Frieden oder Alternativen zur Gewalt sind.

Die Studenten wollten an diesem Tag Gedichte verlesen

Denn die Gruppe fiel am Mittwoch just an dem Tag über die erst 2012 gegründete Universität her, als Dutzende von Gedichten vorgetragen werden sollten. Studenten und Dozenten wollten so dem Mann gedenken, der bis heute eine Ausnahmefigur unter den Paschtunen entlang der Grenze zum benachbarten Afghanistan darstellt. Der 1988 verstorbene Abdul Ghaffar Khan, im Volksmund Badshah Khan genannt, war eine alter Weggefährte von Mahatma Gandhi, Indiens Ikone der Gewaltlosigkeit. Schon 1929 gründete er die Khudai Kidmatgar, die sich mit passivem und gewaltlosem Widerstand gegen das britische Kolonialreich wehrten. Nach Pakistans Staatsgründung verbrachte Badshah Khan viele Jahre in einem Kerker Islamabads, weil die Machthaber ihm ebenso wenig trauten wie zuvor Londons Kolonialbehörden.

Mehr als ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod attackierten die Talibanmilizen mit ihrem brutalen Angriff nun die fast vergessene Tradition der Gewaltlosigkeit im Paschtunen-Gebiet nahe der Grenze zu Afghanistan. Sie schlichen sich im Schutz des Nebels auf der Hinterseite des Universitätsgeländes an und drangen zunächst in die Schlafräume der Studenten ein. Wegen der schlechten Verkehrsinfrastruktur wohnen viele der Studenten in Unterkünften nahe der Universität.

Eine Dozent versucht seine Studenten zu schützen

„Unser Chemiedozent hat angeordnet, auf keinen Fall das Gebäude zu verlassen als der Angriff anfing“, schilderte ein Student die ersten Minuten der Terrorattacke. Hamid Hussain, so der Name des jungen Professors, zückte selbst eine Pistole und versuchte, die jungen Leute in seinem Unterrichtsraum zu verteidigen. Ein Talibanattentäter streckte ihn laut Augenzeugen jedoch mit zwei Schüssen nieder.

Pakistans Behörden hatten nach dem Anschlag auf die Militärschule in Peshawar vor mehr als einem Jahr beschlossen, das Lehrpersonal an Schulen und Universitäten in Khyber-Pakhtunkwa, so der Name der pakistanischen Grenzprovinz zu Afghanistan, zu bewaffnen. Der Fall des Universitätsprofessors und die große Zahl von Toten zeigt nun, dass dieses Mittel bei einem Terrorangriff wenig nützt.

Pakistan bekommt den Terror nicht in den Griff

Das Massaker in der Universität weckt zudem Zweifel am nachhaltigen Erfolg einer Militärkampagne, für die Armeechef Raheel Sharif sich bereits seit Monaten feiern lässt. 2013 hatten die Generäle nach jahrelangem Zögern eine Militäroffensive in der Region Waziristan gestartet, in der sich Mitglieder von Al-Kaida und der Taliban versteckten. Viele flohen ins benachbarte Afghanistan. Die Streitkräfte hatten vor Beginn der Offensive Premierminister Nawaz Sharif gewarnt, dass sie mit militärischen Mitteln Pakistans Terrorszene nicht gänzlich zerschlagen könnten.

Der Anschlag auf die Universität folgt einer Reihe von Attacken während der vergangenen Woche – und weckt Befürchtungen, dass die Terrorgruppen des Landes sich neu gruppiert haben und versuchen, aus der Defensive zu kommen.