In einer Höhle in Äthiopien ist ein 4500 Jahre alter Schädel geborgen worden. Seine DNA-Analyse zeigt, dass damals Menschen aus Eurasien nach Afrika einwanderten. Spuren ihres Erbguts finden sich in vielen afrikanischen Völkern.

Stuttgart - Wenn menschliche Überreste mehrere Tausend Jahre lang im ewigen Eis oder einer kalten Höhle in Sibirien eingeschlossen waren, dann bestehen auch gute Chancen, die darin enthaltene DNA entschlüsseln zu können. In Afrika jedoch herrschen diesbezüglich weitaus schlechtere Witterungsbedingungen. Umso bedeutsamer ist es, dass nun erstmals DNA aus einem hervorragend erhaltenen menschlichen Schädel analysiert werden konnte, der in einer Höhle im äthiopischen Hochland gefunden wurde. Über die Untersuchungen berichten Gallego Llorente von der Universität Cambridge und Kollegen im Fachjournal „Science“.

 

Der mit dem Kopf nach unten begrabene Mann lebte vor ungefähr 4500 Jahren. Seine nun vollständig entschlüsselte Erbsubstanz erlaubt beim Vergleich mit jüngeren DNA-Analysen erstmalig Rückschlüsse auf den menschlichen Genfluss in Afrika – und damit Erkenntnisse zu den afrikanischen Wanderbewegungen in den vergangenen Jahrtausenden. Denn die alte DNA kann nun als Basis dienen, während bisher die Forscher auf Rückschlüsse angewiesen waren, die sie aus dem Erbgut der heute lebenden afrikanischen Völker zogen.

Eines der zentralen Ergebnisse: der Zuzug von Menschen aus dem westlichen eurasischen Raum – dazu zählen etwa der Nahe Osten und Anatolien – nach Afrika vor etwa 3000 Jahren war umfangreicher als bisher angenommen. Und er kam aus derselben „genetischen Quelle“ wie die Menschen, die sich in der Steinzeit vom Nahen Osten nach Westeuropa ausgedehnt haben.

Die Gründe für die Einwanderung bleiben im Dunkeln

Dies legt den Schluss nahe, dass die Nachfahren derjenigen Bauern, welche die Landwirtschaft nach Europa brachten, einige Tausend Jahre später auch für neue Formen der Nahrungsmittelproduktion am Horn von Afrika gesorgt haben. Die Einwanderung aus Eurasien endete nicht am Horn von Afrika, sondern erreichte auch Regionen im zentralen, westlichen und südlichen Afrika. Die Völker dort tragen heute mindestens fünf Prozent Erbgut in sich, das auf diese eurasischen Vorfahren zurückzuführen ist. Am Horn von Afrika hat sich diese Wanderungsbewegung am deutlichsten dokumentiert: Ostafrikanische Völker tragen bis zu 25 Prozent auf Eurasier zurückführbare Gene in sich. Bis zu 30 Prozent der Menschen, die damals in Ostafrika lebten, könnten mithin aus dem Norden zugewandert sein.

Warum damals so viele Menschen zurück nach Afrika kamen, ist unklar. Offenkundige klimatische Gründe konnten die Wissenschaftler bisher nicht finden. Immerhin gibt es archäologische Hinweise, dass die Wanderung mit der Ankunft von Nahrungspflanzen aus dem Nahen Osten zusammenviel, etwa Weizen und Gerste. Dies lässt den Schluss zu, dass die Neuankömmlinge neue Formen der Landwirtschaft in dieser Region etabliert haben.