Die Pannen und Streitereien beim Flughafen Berlin reißen nicht ab. Ein Jahr nach dem geplatzten Start ist unklar, wann und wie der neue Airport eröffnet wird. Auch der neue BER-Chef Hartmut Mehdorn hat an der Misere nichts geändert.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Massive Baumängel, hohe Mehrkosten, zerstrittene Gesellschafter und ein eigenwilliger Geschäftsführer mit Ideen, die auf wenig Begeisterung stoßen. So stellt sich derzeit die Lage auf Deutschlands peinlichster Baustelle dar. Seit dem 8. Mai vorigen Jahres hat sich damit im Grunde nicht allzu viel geändert. Da nämlich löste die Nachricht weit über die deutschen Grenzen hinaus Kopfschütteln aus, das die vier Wochen später geplante Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld verschoben werden muss. Inzwischen sind vier Starttermine geplatzt – und das Berliner Baudesaster hat Deutschland, das stolze Land der Ingenieure und Organisationen, zur Lachnummer in aller Welt gemacht. Gemessen daran klingt das Eingeständnis von Klaus Wowereit reichlich untertrieben. „Es war für den Flughafen und die Region kein gutes Jahr“, bilanzierte der Regierende Bürgermeister und Vize-Aufsichtsratschef der staatlichen Flughafenholding so kleinlaut wie zerknirscht nach der jüngsten Sitzung der Kontrolleure am vergangenen Mittwoch.

 

Wie es weitergehen soll, ist so offen wie umstritten. Der frühere Bahn- und Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn, der seit gut zwei Monaten die Holding leitet und den geschassten Vorgänger Rainer Schwarz abgelöst hat, sorgt zwar für Betriebsamkeit und neue Hoffnung, dass irgendwann doch noch das erste Flugzeug in Schönefeld abhebt. Doch gleichzeitig hat es der 70-jährige Manager in kurzer Zeit auch geschafft, neue Unruhe und Zerwürfnisse auszulösen. Mehdorns Plan, den neuen Airport nächstes Frühjahr nur zum Teil zu eröffnen und den bestehenden Flughafen Tegel vorläufig weiter zu betreiben, löst weder in Berlin noch in Brandenburg große Begeisterung aus. „Herr Mehdorn braucht noch Zeit, um ein Konzept zu erarbeiten“, betonte Wowereit nach der Aufsichtsratssitzung deutlich distanziert. Sichtlich verärgert reagierte der oberste Kontrolleur, Matthias Platzeck, schon in den letzten Wochen auf den Vorschlag. Brandenburgs Ministerpräsident fehlte allerdings bei der jüngsten Sitzung wegen gesundheitlicher Probleme.

Umzug in einer Nacht oder peu á peu?

Zunächst klingt die Idee, den problembeladenen BER Schritt für Schritt in Betrieb zu nehmen, durchaus vernünftig. Denn anders als bei einem bisher geplanten kompletten Umzug des Flugbetriebs über Nacht von Tegel nach Schönefeld stünde im Notfall immer noch der bewährte Westberliner Airport zur Verfügung, der allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres fast vier Millionen Passagiere bewältigte. In Schönefeld jenseits der südöstlichen Stadtgrenze, wo seit der Wende der frühere DDR-Zentralflughafen modernisiert wurde, waren es weniger als zwei Millionen.

Mehdorn will im August einen Termin für eine mögliche Teileröffnung nennen, die er fürs nächste Frühjahr anpeilt. Zumindest in einem Seitenflügel des neuen Terminals nämlich soll der Brandschutz, der größte Baumangel am neuen Airport, funktionieren. Dorthin könnten die Airlines vom bestehenden Schönefelder Flughafen nebenan umziehen. Die entscheidende Frage allerdings ist, wie schnell dann Tegel geschlossen würde. Das hängt natürlich vor allem davon ab, wann das BER-Terminal endlich sicher betriebsfähig ist. Vorher ist kein Umzug möglich. Ein längerer Parallelbetrieb jedenfalls wäre sehr riskant und teuer. Denn entscheidende Grundlage aller Berliner Flughafenplanungen und Genehmigungen ist der sogenannte Konsensbeschluss der drei Gesellschafter, des Bunds und der beiden Länder.

Die Fluglärmfrage wird immer dringlicher

Dieser Beschluss lautet: Die bisherigen Berliner Flughäfen werden mit dem Start des BER stillgelegt. So wurde der von Anfang an heftig umstrittene Bau des neuen Airports auch im bis dato größten Plangenehmigungsverfahren der Republik durchgesetzt, in dem es weit über 100 000 Eingaben betroffener Bürger gab. Ein Hauptargument für den Bau lautete, dass eine „Single-Airport“ unterm Strich viele Bürger vom Fluglärm entlaste. Davon könnte bei einem Weiterbetrieb Tegels keine Rede mehr sein. Schon der intensive Weiterbetrieb des Westberliner Airports belastet die Anwohner in den Ein- und Abflugflugschneisen mehr als je zuvor. Es gilt nur als eine Frage der Zeit, bis Gerichte einschreiten und klagenden Bürgern zu ihrem Recht auf Schutz ihrer Gesundheit verhelfen. „Wenn Schönefeld geöffnet ist, muss Tegel geschlossen werden, darauf verlassen sich die Leute“, betont daher auch Wowereit, dessen Ansehen durch das Flughafenchaos ohnehin schon schwer beschädigt ist und der im Dauerclinch mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) liegt.

Neben dem Bau-Chaos ist der BER auch zum Finanzdebakel geworden. Die Kosten werden allein innerhalb des Bauzauns, also ohne die milliardenteure Verkehrsanbindung, inzwischen auf mehr als vier Milliarden Euro veranschlagt. Bund und Länder mussten bereits weitere Mehrkosten in Milliardenhöhe übernehmen. Für mehr Verlässlichkeit soll nun Heike Fölster sorgen. Die Betriebswirtin, zuvor beim Hamburger Flughafen und bei Airbus für Finanzen zuständig, soll als Geschäftsführerin neben Mehdorn und Technikchef Horst Amann die Zahlenwerke in Ordnung bringen.