Die Nachfrage nach Massenpapier sinkt. Die Papierfabrik Scheufelen aus Lenningen reagiert darauf mit der Streichung von zwei Dritteln aller Arbeitsplätze und legt eine große Maschine still. Die Belegschaft ist geschockt.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Für die Belegschaft war das ein Schock“, berichtet Ulrich Scheufelen. Scheufelen ist Ehrenvorsitzender der Papierfabrik und spricht für den aus Australien stammenden Geschäftsführer der Muttergesellschaft Paper Excellence mit Sitz in Amsterdam. Die böse Überraschung erlebten die Mitarbeiter am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung: 400 der insgesamt 650 Arbeitsplätze in Lenningen sollen wegfallen. Damit reagiere das Unternehmen auf die weiter sinkende Nachfrage nach Massenpapier, das etwa für einfachere Kataloge, Bücher oder Geschäftsberichte verwendet wird.

 

Als Konsequenz dieses Rückgangs legt Scheufelen in den nächsten Monaten eine Papiermaschine still. An dieser und in ihrem Umfeld sind rund zwei Drittel der Lenninger Belegschaft beschäftigt. Eine zweite Maschine für die Herstellung von Premiumpapier, das etwa für hochwertige Werbekataloge verwendet wird, soll dagegen weiterbetrieben werden.

Bei Massenpapieren verliere das Unternehmen Geld, bei hochwertigen Papieren mache man dagegen Gewinne, sagte Scheufelen. Insgesamt aber schreibt das Unternehmen jetzt schon zwei Jahre in Folge Verluste. Nach den Angaben von Scheufelen handelt es sich dabei um „deutliche rote Zahlen.“ Der Umsatz des Papierherstellers sank im vergangen Jahr von 207 Millionen Euro auf 195 Millionen Euro. Bei der Herstellung hochwertiger Papiere gab es nach den Worten des Ehrenvorsitzenden sogar ein leichtes Plus. Bei diesen Papieren ist Scheufelen nach eigenen Angaben Marktführer in Europa. Diese tragen allerdings nur zehn Prozent zum Umsatz bei.

Schwer, einen neuen Beruf zu finden

Mit dem Betriebsrat werde in den kommenden Monaten ein Interessenausgleich verhandelt, sagte Scheufelen. Der Betriebsratsvorsitzende Mehmet Simsek hofft, dass die negativen Folgen der Stellenstreichungen wenigstens begrenzt werden können. Gleichwohl räumen sowohl Scheufelen als auch Simsek ein, dass es wohl zu Entlassungen in großem Umgang kommen wird. Im Gespräch sei auch eine Transfergesellschaft, in der Mitarbeiter auf andere Berufe umgeschult werden sollen, sagte Simsek.

Für Papiermacher sei es sehr schwer, in ihrem bisherigen Beruf eine neue Arbeit zu finden, meinte der Betriebsratsvorsitzende. Dies sei ein Nischenberuf. Leichter könnten es dagegen „Seiteneinsteiger“ haben, die früher etwa Bäcker oder Metzger gewesen seien. Hoffnungen, Streichungen in größerem Umfang abwehren zu können, hat Simsek dagegen nicht. Der Mutterkonzern Paper Excellence habe schließlich schon zwei Jahre lang die Verluste von Scheufelen getragen, sagte der Betriebsratschef. „Ohne diese Unterstützung hätten wir uns nicht über Wasser halten können.“ Scheufelen ist der größte Arbeitgeber im Lenninger Tal und in den angrenzenden Gemeinden auf der Schwäbischen Alb. Lenningen ist der einzige Produktionsstandort von Scheufelen.

Auf Protestaktionen oder Briefe an die lokalen Abgeordneten will der Betriebsrat verzichten. Davon verspreche er sich keine Hilfe, erklärte Simsek. Dies schon deswegen, weil die bedrohten Arbeitsplätze eng mit der Papiermaschine verbunden seien, die nun stillgelegt werden soll.

Das im Jahr 1855 gegründete Familienunternehmen musste 2008 Insolvenz anmelden und war ein Jahr später an den den finnischen Powerflute-Konzern verkauft worden. Dieser gab es dann 2011 an Paper Excellence weiter. Die derzeitige Muttergesellschaft setzte zuletzt zwei Milliarden Dollar um und betreibt fünf Zellstofffabriken in Kanada und zwei in Frankreich.