Vor der Parade des Christopher Street Days am Samstag in Stuttgart kochen die Emotionen hoch. Hart prallen die Meinungen bei der Frage aufeinander, ob man beim Demonstrationszug nackte Haut einschränken sollte.

Stuttgart - Wie nackt und wie politisch soll die CSD-Parade am Samstag in Stuttgart werden? Nach einem Artikel in unserer Zeitung ist in den sozialen Netzwerken ein hitziger Streit darüber entbrannt. „Der Stuttgarter Pride soll sauberer werden“, schreiben die Macher des Portals Queer.de und lästern: „Bubaspitzle unerwünscht!“ Über 400 Kommentare dazu sind auf deren Facebook-Seite eingegangen, seitdem wir über eine Jury berichtet haben, die Verstöße bei der Parade gegen den „politischen Charakter“ des Zuges dokumentieren soll. Wer sich nicht an die Richtlinien hält, muss laut Satzung damit rechnen, sofern es die Mitgliedersammlung des CSD-Vereins ebenso sieht, keine Starterlaubnis mehr zu erhalten. Jurymitglied Chris Fleischhauer kündigte an, „zu viel nackte Haut“ kritisch zu bewerten. Er sprach von „sexueller Freizügigkeit“, die man bei der Parade nicht präsentieren sollte.

 

Nur zwei von 91 Formationen sind Partywagen

Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Im Netz kochen die Emotionen hoch. „Viele kommen mit Kindern zum CSD, um ihnen unsere Kultur näherzubringen“, ist zu lesen, „und plötzlich tauchen nackte Fetisch-Anhänger auf.“ Auf der anderen Seite gibt’s massive Kritik an einer möglichen Kontrolle. „Nackte Haut per se pauschal schlecht zu bewerten ist genauso blöd wie nackte Haut per se pauschal gut zu finden“, meint jemand. Die Geschichte des CSD zeige, dass sich Homosexuelle bunt, schrill und oft auch leicht bekleidet von ihrer Unterdrückung befreien wollten. „Die Parade findet im Sommer statt“, sagt CSD-Sprecher Christoph Michl, „da hat man weniger an.“ Die Diskussion über Nacktheit, findet er, „lenkt vom Ziel des CSD als politische Demonstration ab“ und stellt gegenüber unserer Zeitung klar: „Wir wollen kein Sittenwächtertum, und das ist auch nicht Aufgabe der Jury.“ Seiner Meinung nach dürfe der CSD nicht auf eine Nacktheit reduziert werden, „die so gar nicht stattfindet“. Viele politische Inhalte würden dabei ausgeblendet. Die Botschaften, versichert er, sind diesmal in Stuttgart so stark wie nie zuvor. „Nur zwei von 91 Formationen sind reine Partywagen“, sagt er.

Kritik an „Intoleranz“

Jurymitglied Chris Fleischhauer, dem zu viel nackte Haut bei einer Demonstration nicht gefällt, ist entsetzt, wie „intolerant und unverschämt“ viele auf seine in unserer Zeitung geäußerte Meinung reagiert hätten. Man habe ihm sogar Gewalt angedroht. „Mir ging es lediglich um die Sensibilisierung der Community, mit den Paraden klare Botschaften zu transportieren“, stellte er am Mittwoch klar. Die hitzige Diskussion dieser Tage hat seiner Meinung nach gezeigt, „wie wenig passend es ist, wenn Gruppen ein Adoptionsrecht einfordern und direkt danach eine Fetischgruppe kriechender, fast nackter Typen durch die Gassen peitscht“, erklärte Fleischhauer.