Seine Stiefkinder kennen Detlef S. kaum. „In 25 Jahren sagten wir nur ,Hallo‘ und ,Ade‘“, sagt seine Stieftochter beim Parkplatzmord-Prozess.

Stuttgart - Eigentlich ist es für Detlef S. ein Tag wie so viele zurzeit gewesen. Stundenlang saß er am Donnerstag im Verhandlungssaal des Landgerichts, die klirrenden Ketten an den Füßen, und hörte wie meistens kommentarlos den Zeugen zu. Doch plötzlich pfiff er leise eine kleine Melodie vor sich hin. Vielleicht ein Geburtstagsständchen: 57 Jahre alt ist der mutmaßliche Parkplatzmörder am Donnerstag geworden, der im vergangenen Jahr zwei homosexuelle Männer erschossen und einen Dritten bei einer Messerattacke verletzt haben soll.

 

Mutmaßlicher Mörder und Stiefvater – der Mann auf der Anklagebank ist der Zeugin fremd. 25 Jahre lebte er mit ihrer Mutter zusammen. Als das Paar sich kennenlernte, war die Tochter 19 und wohnte schon nicht mehr zu Hause. Seit zehn Jahren habe sie fast gar nicht mehr mit Detlef S. gesprochen, der auch auf Familienfeiern abseits und schweigend auf die Heimfahrt wartete. Kaum mehr habe sie zuletzt mit ihrer Mutter zu tun gehabt: „Ihr Mann war sehr eifersüchtig. Er wollte nicht, dass wir Kontakt haben“, sagt die 44-Jährige. Sie zeichnet das Bild einer Familie ohne Zusammenhalt, ebenso wie ihr zwei Jahre älterer Bruder: „Mit 21 wurde ich zum Auszug gedrängt. Es sei Zeit, dass ich gehe, hat meine Mutter mir gesagt“, erzählt er. Detlef S. schildert er als ruhig, unnahbar, verschlossen. „Er hat nie viel geredet. Mit mir nicht mehr als ,Hallo‘ und ,Ade‘.“

„geilinlack“ und „kleinanzeigen@homo.net“

Auch vor Gericht verliert der Angeklagte nicht viele Worte. Dass er über TV-Shoppingsender schon mal 40 Päckchen am Tag bestellte, E-Mails von Adressen wie „geilinlack“ und „kleinanzeigen@homo.net“ losschickte oder dass der Postbeamte verdächtigt wurde, Fracht unterschlagen zu haben – all das erfährt man aus den Akten und von den vielen gehörten Zeugen.

Aber die meisten, die jetzt noch vernommen werden, steuern kaum mehr Neues bei. Vieles ist gesagt. Und so mehren sich nach mehr als einem Dutzend Verhandlungstagen die Anzeichen, dass der Prozess allmählich dem Ende entgegengeht.

Den Angreifer identifiziert

Inzwischen hat die Schwurgerichtskammer auch den zentralen Zeugen vernommen, den 63 Jahre alten belgischen Geschäftsmann, der den Übergriff im Zentrum von Freudenstadt im Juni 2010 überlebt hat. Mehrfach wurde er vom Gericht geladen, nie ist er gekommen. Deswegen sind die Kammer, der Staatsanwalt und der Verteidiger des Angeklagten vergangene Woche selbst ins belgische Hasselt gereist , wo der Mann im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens der deutschen Behörden befragt worden ist.

Was er zu sagen hatte, wird verlesen, sobald das Protokoll ins Deutsche übersetzt wurde. Gegenüber der Polizei hat der Belgier Detlef S. bereits auf einem Lichtbild als den Angreifer identifiziert. Eventuell werden seine Aussagen noch vor Weihnachten eingeführt, wenn Detlef S. sich so bald von seiner heutigen Operation erholt: Bei dem HIV-Patienten besteht der Verdacht auf eine Krebserkrankung.