Kein ungarischer Politiker hat sein Land so radikal umgekrempelt wie Viktor Orban. Ob bei Auftrags- oder Landvergaben: Nicht zuletzt seine Mitstreiter profitieren. Das soll im bei der Wahl am Sonntag zum überlegenen Sieg verhelfen.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Felscut - Hell blinken die Kupferdächer auf den Türmen des neuen Fußball-Stadions in der Morgensonne. Das wuchtige Dorfwunder vor seiner Haustüre kann Mihaily Gudics noch immer nicht ganz fassen. Einfach alles habe sich in Felscut in den letzten vier Jahren geändert, berichtet der Rentner mit einem Lächeln. Erst die Fußball-Akademie, dann das neue Gymnasium, die Wiedereröffnung des still gelegten Bahnhofs – selbst die Lizenz für einen Flughafen hat Felcsut zu Jahresbeginn erhalten. Viel mehr Autos würden den Weg in das 1700-Seelen-Dorf 50 Kilometer westlich von Budapest finden, erzählt stolz der 71jährige Mihaily: „Selbst die Parkplätze werden knapp.“

 

Der berühmteste Sohn von Felscut macht es möglich. Seit vor vier Jahren Viktor Orban das Amt als Ungarns Regierungschef übernahm, hat sich sein verschlafenes Heimatdorf zu einer der wohlhabendsten Gemeinden und zum neuen Fußball-Mekka des Donau-Staats gewandelt. Sein Geburtsdorf werde zur Stadt, ist der frühere Bergarbeiter Mihaily überzeugt. Er habe schon den Vater und Großvater von Orban gekannt, erzählt er verschmitzt: „Wir alle lieben Viktor und sind stolz auf ihn. Er ist ein guter Kerl: Immer wenn er uns sieht, winkt er uns zu“

Ein Fußballtempel in der Provinz

Wie eine schwarze Riesenwelle wölbt sich das geschwungene Dach des Aranycsapat Labdarúgó-Stadion über den roten Dachziegeln der umliegenden Häuser. 3500 Plätze – zwei Mal die Dorfbevölkerung - fasst der Fußballtempel, der an Ostern eröffnet werden soll. 13 Millionen Euro verschlang der Bau: Fast drei Viertel wurden mit staatlichen Zuschüssen, der Rest von Orbans Fußball-Stiftung getragen. Deren Gönner sind Staatsunternehmen und Wirtschaftskapitäne, die Orbans rechtspopulistischer Fidesz-Partei nahe stehen. Die Finanzspritzen der kapitalkräftigen Sponsoren ermöglichten auch den wundersamen Aufstieg des FC Felcsut, für den Orban einst selbst die Kickstiefel schnürte: Seit dieser Saison kickt der Dorfverein als Farm-Team von Videoton Szekesfehervar in Ungarns höchster Fußballliga.

Ein Mann krempelt Ungarn und sein Heimatdorf um – nicht zuletzt zum Nutzen seiner Mitstreiter und des eigenen Clans. Auch Orbans Partei- und Dorffreund Lörinc Meszaros hat als Bürgermeister von Felscut den Sprung in die Riege der hundert reichsten Ungarn geschafft. Nicht nur Groß-Aufträge wie den Stadionbau pflegt der Gemeinderat dem Bau-Unternehmen des geschäftstüchtigen Bürgervaters zu zuschanzen. Auch als Rinderzüchter ist der einstige Gas-Monteur innerhalb weniger Jahre zum Multimillionär mutiert. Über 1000 Hektar staatliches Acker- und Weideland hat die von Fidesz kontrollierte Nationale Entwicklungsagentur dem umtriebigen Bürgermeister in den letzten drei Jahren zu geteilt: Der Orban-Freund ist mittlerweile der größte Landpächter der Region.

Viele profitieren vom Stadionbau

Eine Dampfwalze rollt auf dem frisch angelegten Parkplatz des überdimensionierten Dorfstadions das neue Fußballzeitalter in Felcsut ein. Nicht nur ihr Geschäft habe von dem Stadionbau profitiert, berichtet die Wirtin im Bistro-Cafe an der Hauptstraße: „Das ganze Dorf wird neu belebt.“ Aus der Fußballakademie in Felcsut werde einmal ein Kicker wie der legendäre Ferenc Puskas kommen, ist Mihaily Gudics überzeugt: „Denn mit unserem Stadion kann sich nur die Arena in München messen.“

Die Felder scheinen gut bestellt im Orban-Land. Doch in das Loblied auf den Schutzherrn von Felcsut stimmen nicht alle ein. Mit einem frisch geborenen Ferkel in der Hand erzählt die Schäferin Apolonia Kovacs im zehn Kilometer entfernten Weiler Göböljaras, wie sie und ihr Lebenspartner Andras Varas wegen der mächtigen Fidesz-Juncker ihre Herde verloren. Bis 2011 hatte das Schäfer-Paar seine Tiere gegen eine kleine Pacht auf den nahen Staatsweiden grasen lassen. Doch eines Tages sei Bürgermeister Meszaros mit seinem Mercedes vorgefahren und habe ihren Mann zu einer kleinen Rundfahrt eingeladen: „Er zeigte auf jede Weide und sagte, die sei nun seine: Du wirst bald kein Land mehr für Deine Schafe haben.“

Nicht alle wollen sich beugen

Schon Monate vor der offiziellen Landzuteilung habe der Orban-Freund die Weiden abgezäunt und ohne die nötig Zustimmung der Nachbarn Silos und Ställe errichten lassen, berichtet die dunkelhaarige Schäferin verbittert. Wegen Platzmangels sind dem Paar von einst 360 Schafen mittlerweile nur noch 18 geblieben. Seit drei Jahren prozessieren die Schäfer gegen den neureichen Fidesz-Politiker. Und vermutlich deswegen macht der steinreiche Busenfreund des Premiers den bescheiden lebenden Schäfern auch noch die Mini-Parzelle mit dem Gatter für die verbliebenen Tiere streitig. Alles Land zwischen Göböljaras und Felcsut gehöre nun dem Bürgermeister, sagt Apolonia: „Er ist sauer auf uns, weil sich mein Mann wehrt. Und darum will er uns nun auch noch das letzte Stück Land wegnehmen lassen.“