Die AfD-Mitglieder sollen von Samstag an auf einem Parteitag in Essen entscheiden, ob Bernd Lucke oder Frauke Petry die Partei führen soll. Enttäuschungen sind schon absehbar.

Berlin - Die Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD) sollen entscheiden, wozu die Führung nicht in der Lage ist: Von Samstag an werden auf einem außerordentlichen Parteitag in Essen 4200 Parteimitglieder erwartet, um den erbitterten Richtungsstreit zu klären. Ein neuer Bundesvorstand soll gewählt werden. Im Kern geht es um die Frage, ob der Bundessprecher und Hamburger Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke, das bekannteste Gesicht der AfD, künftig an der Spitze steht – oder seine Widersacherin Frauke Petry. Die Co-Vorsitzende und Chefin des AfD-Landesverbands Sachsen ist von Anfang an mit dabei und gilt in der Partei als Nummer zwei.

 

Die ungelöste Führungskrise hat die AfD an den Rand der Spaltung gebracht. Lucke, der ein Abdriften der AfD nach Rechtsaußen befürchtet, hat mit der Gründung des Vereins „Weckruf“ den Eindruck erzeugt, er bereite für den Fall seiner Niederlage eine Parteineugründung vor. Petry, die sich als Vertreterin des nationalkonservativen Flügels versteht, will erreichen, dass sich die AfD nicht nur mit wirtschaftspolitischen Themen positioniert. Sie nimmt mit Positionen in der Flüchtlingspolitik und Zuwanderung einen Rechtsruck in Kauf.

Die Lager sind verfeindet, Versöhnung wird schwierig

Dass Lucke und Petry doch noch einen Burgfrieden zustande bringen, hat Lucke ausgeschlossen. Er begründet dies damit, dass sein Verhältnis zur Co-Vorsitzenden „einer gewissen Zerrüttung ausgesetzt ist“. Petry schließt eine Zusammenarbeit nicht kategorisch aus. Obwohl in der Partei die Sehnsucht groß ist, dass sich die verfeindeten Lager versöhnen, ist kaum damit zu rechnen.

Lucke geht offenbar davon aus, dass seine Chancen gestiegen sind, und setzt alles auf eine Karte. Zu Wochenbeginn präsentierte er seinen Personalvorschlag. Die jetzige Dreierspitze muss laut Satzungsreform zunächst von einer Doppelspitze abgelöst werden, bis im Dezember ein alleiniger Vorsitzender die Partei führt. Der Kandidat mit den meisten Stimmen wird dann die Nummer eins. Lucke rechnet damit, dass er das ist. „Ich gehe davon aus, dass ich gewählt werde.“ Er schlägt dem Parteitag vor, zur künftigen Co-Vorsitzenden Ulrike Trebesius zu wählen, die wie Lucke AfD-Europaabgeordnete ist und den „Weckruf“ mit initiiert hat.

Ist Lucke am populärsten?

Auch einen Vorschlag für den Generalsekretär liefert Lucke gleich mit. Dabei handelt es sich um einen wenig bekannten Kreisvorsitzenden aus Nordrhein-Westfalen mit türkischen Wurzeln. Mit seinem Personaltableau schließt Lucke eine Zusammenarbeit mit dem Petry-Lager aus. Sein Kalkül besteht darin, dass er in der Partei am populärsten ist. Lucke kommt entgegen, dass Mitglieder und nicht wie ursprünglich geplant Delegierte zum Parteitag eingeladen worden sind. Das könnte sich für Petry als Nachteil erweisen, da viele Anhänger sie nicht einschätzen können.

Petry baute ihren internen Wahlkampf auf die Aussage auf, dass die Partei einen Vorsitzenden brauche, der die AfD mitnehmen könne. Petry bezeichnete Lucke als Egomanen, der nicht im Team arbeiten könne. Sie will die Breite der Partei ansprechen. „Die Mehrheit der Partei wünscht sich einen breiten programmatischen Diskurs und nicht eine Verengung, wie der Weckruf sie möchte“, sagte sie. Die Unternehmerin will es Lucke nicht durchgehen lassen, dass er mit Abspaltung droht.

„Nur einer nimmt den Pokal mit nach Hause“

Wie die Basis auf die verfeindeten Lager reagiert, lässt sich kaum voraussagen. In beiden Lagern ist der Wunsch groß, dass die AfD ihre Personalquerelen hinter sich lässt. Der baden-württembergische Landessprecher Bernd Kölmel bringt es auf diesen Nenner: „Für die AfD stehen im Frühjahr nächsten Jahres drei wichtige Landtagswahlen an. Wir dürfen jetzt keine einzige Woche mehr verlieren.“ Nach Essen müsse klar sein, wofür die Partei stehe. Kölmel, der eng an Luckes Seite steht, will als Beisitzer für den Bundesvorstand kandidieren. Er rechnet mit harten Entscheidungen. „Dass der Parteitag bei einem Flügel zu Enttäuschungen führt, ist unvermeidbar. Nur einer nimmt den Pokal mit nach Hause“, meint Kölmel. Wichtig sei, dass danach alle an einem Strang zögen.