Das Cavos ist ein Hybrid aus Restaurant und hellenischem Volksfest. Wo eben noch am Fleischspieß genagt wurde, tanzt kurz danach das Partyvolk enthemmt auf den Tischen. Ein Besuch in der meistgehypten Neueröffnung des Jahres.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Endlich einmal eine Gelegenheit, Griechenland nicht abzuwatschen, sondern in den höchsten Tönen zu loben. Zumindest den neuen griechischen Ausläufer in der Stuttgarter Innenstadt. Wäre das Team der neu eröffneten Taverne Cavos in der Lautenschlagerstraße in Mitte für den griechischen Staatsapparat verantwortlich, das Land stünde heute nicht als bemitleidenswerter Pleitegeier da, sondern würde so effizient funktionieren, dass es längst all die Ratingagenturen mit ihren seltsamen Namen geschluckt und abgewickelt hätte. Und zwar direkt nach dem ersten Ouzo zum Frühstück.

 

Das Cavos ist die bemerkenswerteste Stuttgarter Neueröffnung der jüngeren Vergangenheit. Das riesige Lokal ist ein Hybrid aus griechischer Taverne und hellenischem Volksfest. Unter der Woche ein solides, ja sogar gutes Restaurant – siehe Lokaltermin der Stuttgarter Zeitung – durchläuft das Lokal nach 23 Uhr eine irrwitzige Metamorphose. Plötzlich wird das Licht gedimmt und gleichzeitig die Musik aufgedreht. Der Hit „Follow Rivers“ der schwedischen Sängerin Lyke Lis wird abgelöst von zwei schmissigen griechischen Sirtaki-Songs im Disco-Gewand. Wo eben noch an den Überresten von Souvlaki und gegrilltem Oktopus geknabbert wurde, tanzt plötzlich ein beneidenswert schöner Enddreißiger auf dem Tisch. Ganz genau beobachtet von diversen Damen an der Bar, die sich an diesem Abend scheinbar für eine Neuverfilmung von „Sex and the City“ verkleidet haben. Um den gepflegten Irrsinn an einem ganz normalen Donnerstagabend in Stuttgart komplett zu machen, fliegen plötzlich Unmengen von Papierservietten durch die Luft. Die Kellner sorgen Kartonweise für Nachschub, nach zwei Minuten ist kein Zentimeter Boden mehr zu sehen.

Das Cavos ist die meistgehypte Neueröffnung 2012

Schon bei der Eröffnung zeigte sich, dass der „Partygrieche“, wie ihn das Stuttgarter Blog kessel.tv getauft hat, die meistgehypte Neueröffnung in Stuttgart im Jahr 2012 ist. Grund für das Bohei: Die Macher Florian Faltenbacher und sein Partner Petros Bakirtzis betreiben in München bereits drei Lokationen nach dem selben Strickmuster, das Cavos-Mutterschiff, das Molos und das Paros; die Wirte zeichnen darüber hinaus für die Milchbar und zwei weitere Spielstätten verantwortlich. Vor allem das Münchner Cavos ist ein Szene- und Promi-Treff.

In Stuttgart hat das Konzept aus dem Stand heraus eingeschlagen, bis Mitte Januar sind alle Plätze an den Wochenenden ausgebucht. Viele Clubbetreiber und DJs schauen im Cavos nach Feierabend vorbei und scheinen es zu genießen, endlich auch mal bei BallermannMusik Fünfe gerade sein lassen zu dürfen. Auch die Stuttgarter Stadtverwaltung beobachtet das neue Lokal mit Interesse. Schließlich war ein Ergebnis der massiven Kontrollen von Gastronomiebetrieben in Stuttgart in den vergangenen Monaten, dass einige Betreiber eine „Betriebsartänderung“ vorgenommen hatten, dass also in einer Speisewirtschaft nach dem Dessert verbotenerweise auch getanzt wurde. „Das Cavos ist ein Mischbetrieb und verfügt über die gaststättenrechtliche Erlaubnis, da ist alles in Ordnung“, sagt Martin Treutler von der Stuttgarter Gaststättenbehörde. Das Stammhaus in München hatte einige Zeit Probleme mit den Anwohnern, erzählt Daniela Schlegel, Sprecherin des Kreisverwaltungsreferats der bayerischen Landeshauptstadt. „Dann haben die Macher einen Nachbarstammtisch eingerichtet, seitdem ist alles in Ordnung“, lobt Schlegel das „bilaterale Miteinander ohne Behörde“.

2013 soll noch eine Terrasse für 300 Gäste dazukommen

In Stuttgart haben die Betreiber laut Faltenbacher rund eine Million Euro in die Taverne in der Lautenschlagerstraße investiert. In der Immobilie hatte sich mit Lauras Club einst ein Treffpunkt für Schwule und Lesben befunden, anschließend hätte an selber Stelle das italienische Restaurant Fresco eröffnen sollen, die Gastronomen hatten kurz vor der Eröffnung aber Insolvenz anmelden müssen.

Das Cavos verfügt jetzt über 400 Plätze zum Essen, durchschnittlich werden 500 bis 600 Essen am Abend verkauft. An einem guten Abend kommen noch einmal bis zu 400 Gäste nur zur Party. „In erster Linie sehen wir uns aber als Taverne, ob es zur Party kommt, entscheiden wir spontan“, sagt Faltenbacher. Für Sommer 2013 haben die Wirte noch eine Terrasse mit 300 Plätzen beantragt. Die Inneneinrichtung im Gastraum, der später zur Tanzfläche wird, ist funktional. Absolutes Highlight sind drei verschiedene Esel-Aufnahmen, die statt der sonst für Tavernen typischen Panoramabilder der Insel Mykonos im Raum hängen. Während also auf den Tischen gesteppt wird, während aus den Boxen vorweihnachtlich unbesinnlich der Hellas-Pop scheppert, während die Serviette aus nicht nachvollziehbaren Gründen durch die Luft fliegen, lächelt das Tier wissend von der Wand.